Immer höher, schneller, besser… … der Kapitalismus strebt nach ständiger Profitsteigerung und muss ständig seine Funktionsweisen optimieren und neue Absatzmärkte erschließen. Gleichzeitig muss die Kontrolle über die Bürger*innen – die Gestressten und Konsumierenden – bewahrt werden und somit auch die Überwachung, Vermessung und Steuerung von deren Alltagsleben intensiviert und ausgeweitet werden. Nachdem jeder Winkel dieses… Continue reading Wenn Betonwüsten intelligent werden – Smarte Kontrolle und die Technisierung der Stadt (Anonym)
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(Chile) Zusammenstellung von sechs Texten anarchistischer Gefangene anlässlich der Internationale Woche der Solidarität mit Anarchistischen Gefangenen 2022
(Chile) Zusammenstellung von sechs Texten anarchistischer Gefangene anlässlich der Internationale Woche der Solidarität mit Anarchistischen Gefangenen 2022
Kurz zum Hintergrund dieser Woche, seit 2014 gibt es weltweit eine Woche, immer Ende August, in der sich anarchistische Gruppen, vorwiegend ABC Gruppen, weltweit Aktionen und Aktivitäten in Bezug auf Gefangene und Knast tun. Dieses Jahr fand die Woche vom 23. bis zum 30. August stattfand, mehr Infos dazu. Zu dieser Woche haben mehrere anarchistische Gefangene in Chile dazu was geschrieben, die Übersetzungen sind von uns.
Gefunden auf publicación refractario, die Übersetzung ist von uns:
(Chile) Worte von Mayo aus dem Gefängnis von San Miguel für die Woche der Solidarität mit den Anarchist*innen im Knast
05.09.2022
Vor allem, will ich den Gefährt*innen dafür danken das sie sich für uns bewegen. Jeder Kratzer, jeder Stein, jede Störung des sozialen Friedens zeigt, dass wir nicht vergessen sind und dass die Entführung von Menschen, die für eine andere Lebensweise kämpfen, durch den Staat nicht ungestraft bleibt. Jede Aktion ist ein Sandkorn, das uns der Straße näher bringt, das zeigt, dass Ideen nicht eingesperrt werden können. Die Inhaftierung ist das ultimative Zeichen staatlicher Herrschaft über das Individuum, und diese Bedrohung schwebt über den Köpfen all jener, die sich entscheiden, auf die tägliche Gewalt zu reagieren, die dieses System gegen uns alle ausübt, wie es uns ausbeutet, uns verschmutzt, uns auf bloße Zahlen reduziert, die produzieren und konsumieren. Für Marcelo Villarroel, Joaquín García, Francisco Solar, Mónica Caballero, Felipe Ríos, Juan Aliste, Jalea und so viele andere, die sich entschieden haben, nicht nur eine Nummer in diesem System zu sein, sondern Teil des Widerstands zu werden.
Ein fraternaler Gruß von eurer Gefährtin Mayo aus den Gefängnissen des chilenischen Staates.
Gefunden auf publicación refractario, die Übersetzung ist von uns:
(Chile) Aus den chilenischen Gefängnissen. Worte von Mawünhko und Tomás im Rahmen der Woche der Solidarität mit Anarchist*innen im Knast.
04.09.2022
Einige Worte der Solidarität mit anarchistischen und Langzeitgefangenen.
Wir senden einen herzlichen Gruß und eine Umarmung an die anarchistischen und lang verurteilten Gefährt*innen, die heute als Geiseln in Gefängnissen festgehalten werden. Trotz aller Hindernisse durch das Gefängnisregime verfolgen wir aufmerksam jedes Ereignis und jede Nachricht über euch. Wisst, dass wir bei jedem Seufzer der Müdigkeit und Erschöpfung durch die Kraft und Energie gestärkt werden, die jeder einzelne von euch uns gezeigt hat, nicht nur durch eure Worte, sondern auch durch eure eigene Stärke, denn mit jedem Tag, der vergeht, versucht die Macht, euch zu brechen, und obwohl ihr manchmal verwelkt, wuchern eure Ideen weiter!!!
Es ist oft zu beobachten, wie die Schließer*innen verzweifelt nach Ausreden und Argumenten suchen, um die Bedingungen der Isolation, in der ihr euch befindet, zu verschärfen. Es reicht ihnen nicht, dass sie absurde Strafen verhängt haben oder verhängen wollen, sondern sie sehen ständig ihre größte Schwäche, und das ist nichts anderes als die Stärke der Ideen, in die kein Schließer*innen jemals eindringen kann. Es muss für sie die größte Frustration sein, euch 24 Stunden am Tag zu beobachten und trotzdem nicht den Weg zu finden, der zu dem Wald voller tiefster Sehnsüchte und Erinnerungen führt.
In diesem Imaginären, das sie nicht zu zerstören vermochten, finden wir uns wieder, dort beobachten wir sie… Trotz der Entfernung spüren wir sie und suchen nach ihnen. Dieser Wald, wie alle anderen, die wir kennen, hat ein Gedächtnis, Gefährt*innen, und hier in jedem Ausbruch ist die Essenz ihrer Handlungen! Von der komplizenhaften und aufständischen Solidarität, die die Flamme antagonistischer Ideen am Leben erhält, die über alle Umstände hinaus Bestand haben, glauben wir, dass es wichtig ist, den Kopf hochzuhalten, um diese lange Reise fortzusetzen. Wir senden unsere Kraft an alle Menschen, die durch ihr tägliches Handeln zu ewigen Feinden der etablierten und miserablen Autoritäten geworden sind.
Mit Liebe und Zuneigung hinter Gittern Widerstand leistend,
Mawünhko und Tomás, Winter 2022.
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(Chile) Worte von Marcelo Villarroel für die Woche der Solidarität mit anarchistischen Gefangenen
03.09.2022
Einen unbeugsamen Gruß des Widerstands gegen die Knastgesellschaft!
Für alle revolutionären antiautoritären Gefangenen aller Tendenzen/Strömungen.
Für die Mapuche-Gefangenen des chilenischen Staates, die den Weg der Begegnung zwischen den Rebellen dieser Gebiete und denen, die gemeinsame Feinde bekämpfen, gehen.
Für die Initiativen kämpfender Unterstützung, aufständischer Komplizenschaft, ständiger Solidarität zwischen den Weichan und dem sozial-antisozialen Krieg.
Für diejenigen, die, um in die Offensive zu gehen, aus den Fängen der Autorität fliehen und auf der Flucht, illegal und heimlich in verschiedenen Teilen des Planeten leben und ihr Leben zu einem ständigen Akt der subversiven Missachtung der Gesetze machen, die uns von der Macht und ihrem terroristischen Monopol der staatlichen Gewalt auferlegt werden.
Für Mónica und Francisco, liebe Brüder und Schwestern im Kampf, die sich auf die Rache der herrschenden Klasse vorbereiten, die sie für Jahrzehnte in Tonnen von Beton und Metallgefängnissen begraben will.
Für Alfredo Cospito, der in den italienischen Knästen der brutalen Isolation mit wahrhaft anarchischem Temperament begegnet.
Für Juan Sorroche, der ebenfalls vom faschistischen italienischen Staat entführt und kürzlich zu 28 Jahren Gefängnis verurteilt wurde.
Für Claudio Lavazza, einen widerständigen Gefährten, der heute in den Gefängnissen Frankreichs sitzt.
Für Gabriel Pombo da Silva, der in ein ewiges Gefängnisunter dem Deckmantel des spanischen Staates entführt wurde.
Für den ewigen Mumia Abu Yamal und seinen langen Widerstand gegen die Yankee-Gefängnisse, die schlimmsten der Welt.
Für Nikos Maziotti und Poula Roupa, Stadtguerillos des Revolutionären Kampfes, Geiseln des griechischen Staates.
Für Emilio Berkhoff, Luis Tranamil und alle politischen Gefangenen der Mapuche, die das Weichan am Leben erhalten.
Für Juan Aliste und Joaquín García, meine Brüder, die tagtäglich gegen die ungesunde Inhaftierung kämpfen.
Für alle würdigen Gefangenen, die sich in ihren Gebieten an den Kämpfen beteiligen, um das Leben gegen die Zerstörung des Planeten, gegen das extraktivistische Kapital und gegen die Autorität zu verteidigen, und die in allen Bereichen Autonomie für ein gutes Leben anstreben.
Ein brüderlicher Gruß, eine aufrichtige Umarmung, eine Einladung, in allen möglichen Räumen den dringenden offensiven Widerstand durch die ständige Vervielfältigung von Kampfgemeinschaften weiter aufzubauen.
Auch eine notwendige Forderung nach der Aufhebung der Urteile der Militärjustiz, die heute auf mich verhängt werden, um eine klare staatliche Entführung zu rechtfertigen. Agitieren, Verbreiten, Propagieren, Beharren, Ausharren ist die Haltung und der Wille für unsere jetzige Forderung, in der wir uns kollektiv befinden, um so schnell wie möglich auf die Straße gehen zu können.
Erinnerung, Widerstand und Subversion!
Solange es Elend gibt, wird es Rebellion geben!!!
Marcelo Villarroel Sepúlveda
Antiautoritärer subversiver Gefangene
Aus dem Knast-Unternehmen in Rancagua
Ende August 2022.
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(Chile) Joaquin Garcias Worte für die Woche der Solidarität mit den anarchistischen Gefangenen
30.08.2022
In Zeiten, in denen die Wohlfahrtssolidarität in jeden Raum des Anti-Knast-Kampfes eindringt und jeden Raum der Komplizenschaft in eine immerwährende Logik von Märtyrern und Zuschauern hineinzieht, ist es dringend notwendig, gegen die bequeme Unbeweglichkeit dieses Konzepts der Solidarität zu rebellieren, sie aus den stagnierenden Grenzen der rein materiellen Hilfe herauszuholen und in Komplizenschaftsaktionen, Vertrauen und Räume zu weben, in denen antagonistische Gewalt einen fruchtbaren Boden für ihre Praxis findet.
Die anarchische, antagonistische Projektion wird wie die solidarische Komplizenschaft unabhängig von der gesellschaftlichen Situation und dem Auf und Ab der Anforderungen des Augenblicks am Leben erhalten, sie findet ihre Nische in jenen Individuen, die ihr Leben trotz aller Widrigkeiten zu einem ständigen Angriff auf die Macht machen und den Konflikt mit Theorie und Praxis verschärfen.
Antagonistische Solidarität mit allen gefangenen Gefährt*innen!
Freiheit für Marcelo Villarroel!
-Joaquín García Chanks.
Anarchistischer Gefangener
Aus dem Knast-Unternehmen von Rancagua.
Ende August 2022.
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(Chile) Ein komplizenhafter Gruß. Worte von Francisco Solar für die Woche der Solidarität mit anarchistischen Gefangenen
29.08.2022
Revolutionäre, anarchistische Solidarität ist eine gegenseitige Beziehung, die unabdingbar eine klare und entschiedene Positionierung des Krieges sowohl von den Gefangenen als auch von den affinen Milieus auf der Straße erfordert. Auf dieser Grundlage soll diese Woche der Solidarität mit den anarchistischen Gefangenen diese auf Kampf basierende Beziehung stärken, die nichts anderes ist als die bestehende Komplizenschaft, die jeden Ausdruck von Autorität angreift.
Die Abkehr von der Fürsorge und der Opferrolle besteht darin, den Gefangenen nicht länger als unhinterfragbares Subjekt zu betrachten, allein aufgrund der Tatsache, dass er vorübergehend eingesperrt ist. Daher bedeutet es auch, mit Praktiken zu brechen, die zur Hierarchisierung und Autorität neigen. Es ist wichtig, dies immer im Hinterkopf zu behalten, um den anarchischen Kampf gegen die Gefängnisse zu stärken.
Ein komplizenhafter Gruß an alle Gruppen und Individuen, die sich den Kampf gegen die Autorität zu eigen machen, der untrennbar mit dem anarchischen Kampf gegen die Gefängnisse verbunden ist. Ihre Aktionen und Angriffe sind eine wichtige Erleichterung des bedrückenden Gefängnislebens.
Ein komplizenhafter Gruß auch an alle anarchistischen Gefangenen in der ganzen Welt. Eine besondere Umarmung für den Gefährten Alfredo Cóspito, der sich in einer Ausnahmesituation der Gefangenschaft befindet, die die Macht auf Dauer stellen will.
Für das Ende der Verurteilungen der Militärjustiz über Marcelo Villaroel!
Die Knäste sollen platzen!
Francisco Solar
Gefängnis La Gonzalina – Rancagua.
Ende August 2022.
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(Chile) Worte des subversiven Gefangenen Juan Aliste angesicht der Woche der Agitation und Solidarität mit anarchistischen und antiautoritären Gefangenen
27.08.2022
Feinde des Staates ist weder ein Slogan noch ein Pamphlet, es ist die Überzeugung des Lebens, die es uns erlaubt, den intensiven, gewalttätigen und schönen Weg des sozialen Krieges zu gehen.
Der Macht ohne Pause mit einer Kontinuität des Kampfes entgegentreten, auf Anarchismus und Subversion setzen, um die Stadtguerilla weiter zu stärken.
Kein Gefängnis und keine Verurteilung wird das Schlagen der schwarzen Herzen unserer Brüder und Schwestern im Kampf stoppen. Mónica und Fransisco – unsere Komplizenschaft und Liebe im Krieg.
Solidarität und Komplizenschaft mit denjenigen, die die Mächtigen und Unterdrücker angreifen!
Aufhebung der Urteile der Militärjustiz für Marcelo Villarroel!
Anarchistische Subversive und Mapuche-Gefangene auf die Straße!!!
Juan Aliste Vega
Subversiver Gefangener
Knast-Unternehmen von Rancagua, 6. Region, aus dem vom chilenischen Staat besetzten Territorium, Ende August 2022.
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(Chile) Worte des antiautoritären Gefangenen Juan Flores anlässlich der Woche der Agitation und Solidarität mit anarchistischen Gefangenen
26.08.2022
„Die Demut als Grundlage für das Wachsen, die Entwicklung und die Stärkung der antiautoritären Ideen.“
Denn wir sind immer noch auf dem Kriegspfad!!!
Denn wir machen weiterhin die Wege frei, die uns zu der ersehnten Rache führen und unserer Sehnsucht nach Insurrektion Kontinuität verleihen werden.
Zusammen mit Maury und Angry!!!!
Zusammen mit Ravachol, Severino, Mateo Morral, Sante und all unseren Brüdern und Schwestern, die in Wut und Rachedurst gefallen sind!
Diese Worte werden geboren und fliegen frei aus dem Vernichtungszentrum Las Gonzalinas in Rancagua und grüßen brüderlich und komplizenhaft die aufständische Aktion jedes Individuums, das sich irgendwo auf der Welt gegen einen Tod in Monotonie im erstickenden Leben der totalen Kontrolle wehrt, tausendmal werde ich es sagen, sie sind mein stärkster Herzschlag, die Kontinuität, die die Macht so sehr fürchtet. Auch den Brüdern und Schwestern, die sich in dieser Woche der Agitation im Zeichen des Ungehorsams und der Kreativität solidarisch zeigen.
Ich habe mich als Individuum gegenüber der Herrschaft und ihren Repressionsapparaten erklärt und gehandelt und deutlich gemacht, dass die antiautoritären Ideen, die Wut gegen die herrschende Ordnung und die Erinnerung, die mich prägen, sich weder von ihren langen Strafen noch von ihren widerlichen Knästen beugen lassen. In diesem Sinne ist mein Kriegszug im Gefängnis wie der so vieler antiautoritärer Brüder und Schwestern ein Aufruf an all jene Individuen, die sich als unversöhnliche Feinde der Macht erkennen, den Weg des sozialen Krieges weiter zu beschreiten und unter Affinen die Verschärfung von Konflikten und anarchischen Aktionen ungezügelt und gegen alle Widerstände mit Leben zu füllen. Heute, fast acht Jahre nach meiner Inhaftierung, kann ich das Ergebnis eines Lebens in Rebellion mitteilen, in dem Demut die Grundlage dafür war, meinen antiautoritären Kampf in diesen Kerkern auf würdige Weise fortzusetzen. Jeder Schritt, jede Entscheidung und sogar jeder Fehler waren Lektionen, die ich nie bereut habe oder Teil von etwas Absolutem waren, das den Mut so vieler Gefährt*innen im Laufe der Jahrhunderte des Kampfes gegen die Macht, als deren Kontinuität ich mich betrachte, missachten oder unterschätzen kann, ohne mich selbst immer wieder zu überhöhen, indem ich sogar meine eigenen Schritte in Frage stelle. Heute fahre ich fort, die Gewissheiten unserer unendlichen Fähigkeiten zu festigen, das Bestehende zu verleugnen, um die Gefangenschaft, ihre Normen, Logiken, Kontrolle und all ihre Ordnung im Alltäglichen und im Verborgenen in antiautoritärer Komplizenschaft zu brechen. Dafür gibt es keine absoluten Wahrheiten oder Handbücher, die mehr tun können als unsere Sehnsucht nach Freiheit, Würde und Rebellion, für viele scheint der antiautoritäre Kampf erloschen zu sein, für viele würde es ihnen passen, aber zu unserem Vergnügen und ihrem Anliegen wird unsere Rebellion weiter bestehen.
Juan Alexis Flores Riquelme
Anti-autoritärer Gefangener
Ursprünge: Sechs Essays gegen die Zivilisation
Primitivismus. Was ist das überhaupt? Und was zur Hölle meinen diese ganzen Spinner, die sich anti-civ-Anarchist*innen nennen? Das Buch Ursprünge, das sechs Essays des Anarchisten John Zerzan versammelt, könnte immerhin einige Aspekte dieser Fragen beantworten. Ob Patriarchat, Landwirtschaft, Sprache, Zahl, Zeit oder Städte, an all dem hat John Zerzan etwas auszusetzen. Ein Spinner eben. Oder vielleicht doch nicht? Wer dieses Buch gelesen hat, ist zumindest in der Lage sich darüber sein*ihr eigenes Bild zu machen. Und dann gibt es da ja noch ganz viele andere Anarchist*innen, die ebenfalls etwas an dieser Zivilisation auszusetzen haben. Greta Thunberg jedenfalls findet, dieses Buch sollte verboten werden, und Ewgeniy Kasakow ist von seiner theoretischen Armut überzeugt. Aber wer würde schon auf die Meinungen dieser beider Randgestalten etwas geben? Und wenn man schonmal die Datei eines Buches kostenlos im Internet ergattern kann, dann schlägt man doch erst recht zu, oder nicht?
Stimmen zum Buch
Antiaufklärerische Positionen und offen zur Schau gestellter Antikommunismus: Dieses Buch zeigt die theoretische Armut moderner anarchistischer Positionen auf, die, indem sie die Lehren des Marxismus verwerfen, glauben den Verlauf der Geschichte in die eigenen Hände nehmen zu können. Wer jedoch nicht die nötige Disziplin aufzubringen vermag, sich in die Reihen der Partei einzureihen und den ihm zugedachten Platz in der Geschichte einzunehmen, der wird schließlich auf Seiten der Verlierer stehen.
– Ewgeniy Kasakow
Man erweist dem Klimaschutz einen Bärendienst, wenn man statt auf Investitionen in erneuerbare Energien und grüne Technologien auf die chaotische Zerstörung der Zivilisation setzt und in Worten und Taten die technologische Grundlage unseres zukünftigen Überlebens untergräbt. Dieses Buch gehört verboten.
– Greta Thunberg
Inhalt
Vorwort
Patriarchat, Zivilisation und die Ursprünge des Gender
Landwirtschaft
Sprache: Ursprung und Bedeutung
Zahl: Ihr Ursprung und ihre Evolution
Das Unbehagen der Zeit
Alleine Zusammen: Die Stadt und ihre Gefangenen
Quellen und Editorische Anmerkungen
Weiterlesen
Vorwort der*des Herausgeber*in
Wer einmal jenseits der Bildschirmrealität einen Blick auf diese Welterhaschen konnte, und sei es auch nur für einen winzigen Moment, die*der kann sich kaum der Erkenntnis erwehren, dass die techno-industrielle Zivilisation, die unser Leben so fest mit ihrem eisernen Griff umklammert, nichts als todbringende Sklaverei für ihre Subjekte bedeutet. Während viele sich ob dieser Erkenntnis in die medial produzierte, digitale Scheinwelt flüchten, um sich von ihr abzulenken und sie schließlich wenigstens für eine kleine Weile wieder zu vergessen, entschließen sich einige wenige, den Kampf gegen diese Zivilisation aufzunehmen. Wo aber der Feind so durchdringend, so allumfassend, so übermächtig zu sein scheint, wo trotz zahlreicher identifizierter möglicher Angriffspunkte die Herrschaft des Feindes so total zu sein scheint, dass diese für sich genommen kaum geeignet scheinen, ihr nennenswerten Schaden zuzufügen, da stellt sich manch eine*r die Frage nach den Ursprüngen dieser Herrschaft. Wie konnte es der Herrschaft gelingen, sich dermaßen zu verfestigen? Wo nahm diese Entwicklung ihren Anfang? Wie haben vielleicht auch die Subjekte der Herrschaft dazu beigetragen, dass diese Entwicklung stattfinden konnte und wie lässt es sich vermeiden, heute, wo diese Entwicklung zwar nicht abgeschlossen, aber doch erheblich vorangeschritten ist, die gleichen Fehler zu begehen? Von den Antworten auf diese Fragen erhofft man sich dabei sowohl ein feineres Verständnis über die bis heute erhaltenen Funktionsmechanismen der Herrschaft zu erlangen, als auch bislang unerkannte und über die Jahrhunderte und Jahrtausende vielleicht in Vergessenheit geratenen Mechanismen zu entdecken, die der Herrschaft dabei helfen, sich zu reproduzieren.
Dieses Buch versammelt sechs Essays des in den USA lebenden Anarchisten John Zerzan, die allesamt spannende Perspektiven auf diese Frage nach den Ursprüngen von Zivilisation und Herrschaft werfen. Obwohl schon viele Jahre alt, wurde die Mehrzahl dieser Texte erst kürzlich ins Deutsche übersetzt. Mitunter mag das daran liegen, dass gerade sogenannte primitivistische Positionen wie sie unter anderem von John Zerzan vertreten werden, im hiesigen Kontext auf eine gewisse Abneigung
stoßen. Tatsächlich stehe ich einigen in dieser Tradition stehenden Ansichten selbst kritisch gegenüber. Kollapsistische Vorstellungen etwa, die nicht nur von einem unweigerlich bevorstehenden Zusammenbruch ausgehen, sondern in genau jenem Zusammenbruch auch automatisch die Chance zur Verwirklichung von nichtzivilisatorischen Lebensweisen wittern – und dabei andere Szenarien vernachlässigen, wie etwa eine ebenso wahrscheinliche globale Reorganisation der Herrschaftsbeziehungen –, scheinen mir nicht nur realitätsfern, sondern zugleich auch ein wirksamer Passivitätstreiber zu sein. Darauf zu warten, dass diese Zivilisation zusammenbricht, das erscheint mir wenig erstrebenswert. Ebensowenig taugt mir die utopische Vorstellung einer Rückkehr zu einer bestimmten, vorzivilisatorischen Lebensweise, denn auch wenn ich zweifelslos jene Lebensweise(n) der heutigen, standardisierten, sterilen, langweiligen und vor allem auf Ausbeutung und Herrschaft gründenden Lebensweise jederzeit vorziehen würde, so habe ich doch erhebliche Zweifel, dass es eine Rückkehr dorthin, wo auch immer man das verorten mag, geben kann. In einer verfallenen oder, was ich erstrebenswerter finde, zerstörten Trümmerlandschaft dieser Zivilisation wären wir einerseits mit einer tiefgreifend beschädigten Biosphäre konfrontiert, die uns sicherlich nicht jenen Überfluss zu bieten vermag, den sie einst intakt ihren Bewohner*innen aus grauer Vorzeit zu bieten vermochte, andererseits würden wir vermutlich durchaus Überreste der einstigen Zivilisation vorfinden, die sich mit etwas Kreativität und einer gesunden Vorsicht in unsere Lebensweisen integrieren ließen. [1]
Tatsächlich scheint mir die Überhöhung von durchaus vielfältigen Lebensweisen als Jäger*innen-/Sammler*innengemeinschaften zu einer Utopie vor allem Ausdruck davon zu sein, dass noch immer einem einzigen Bruchmoment, einer Revolution, als jenes singuläre Ereignis, das fortan ein Leben in Freiheit begründen müsse, nachgeeifert wird. Nach dieser Revolution … ja dann …, so fiebern jene diesem Ereignis entgegen, die selbst jedes Vertrauen in sich selbst und die eigenen Beziehungen aufgegeben haben, die sich nicht vorstellen können, hier und jetzt ein anderes Verhältnis zu der Welt einzunehmen, die sie so sehr verabscheuen. Aber wenn das so undenkbar ist, wie sollte dann jener revolutionäre Bruchmoment zustande kommen, in den so viel Hoffnung gesetzt wird? Wie käme es, dass selbst wenn ein solcher Moment aus irgendeinem Grund eintritt, die Energie der Menschen automatisch darauf gerichtet wäre, jene Verhältnisse zu begründen, die man sich selbst mit Müh und Not und in jahrzehntelanger Ausarbeitung vorzustellen vermag? Weder gibt es einen Weltgeist, der in solchen Bruchmomenten über die Menschen kommt, um ihnen den rechten Weg zu weisen, noch wäre irgendein Zustand, der das Prädikat Freiheit auch nur erahnen ließe, das unweigerliche Resultat eines solchen, revolutionären Bruchmoments, wie ein Blick auf die Revolutionen der Geschichte beweist. Die Revolution durch einen Kollaps zu ersetzen vermag da nur wenig Abhilfe zu schaffen. Wer nicht bereit ist, sein Schicksal hier und jetzt in die eigenen Hände zu nehmen, die*der braucht sich nicht wundern, wenn am Ende nichts bleibt als ein paar hübsche Theorien, die sich als untauglich herausstellen werden. Auch wenn John Zerzan anderswo einiges in diese Richtung schreibt, klingen kollapsistische Vorstellungen in den hier versammelten Texten höchstens am Rande an, weshalb das hier auch nicht in aller Ausführlichkeit kritisiert werden soll.
Bleibt die Frage Warum hier nur die Analysen von John Zerzan zusammengestellt wurden, warum nicht ergänzt durch eigene Analysen, die Analysen anderer Autor*innen, usw.? Ist es ein rein akademisches Interesse, das mit dieser Textsammlung verfolgt werden soll? Soll diese Textsammlung zu einer bestimmten Denkschule beitragen? Nichts wäre langweiliger als das. Ich denke vielmehr, dass die hier versammelten Texte auf ihre Weise an einigen der Grundfesten der Zivilisation rütteln und auch wenn es sich bei ihnen beinahe ausschließlich um Analysen handelt und gewissermaßen eine (aufständische) Perspektive fehlt, so denke ich doch, dass diese Textsammlung auch jenseits der heiligen Hallen der Akademie wertvolle Inspirationen liefern kann. Auf der Suche nach einer aufständischen Perspektive haben ganz verschiedene Individuen und Gruppen einige der hier formulierten Analysen (wenngleich nicht unbedingt genau diese) in den letzten Jahrzehnten weitergebracht, vertieft, diskutiert und dabei auch ganz unterschiedliche Praxen entwickelt. Daher habe ich am Ende dieses Buches auf einige, aus meiner Sicht besonders spannende, dieser Vertiefungen hingewiesen.
[1] Um das an dieser Stelle unmissverständlich klarzustellen: Ich denke nicht, dass Technologie etwas neutrales wäre, was sich ohne weiteres zu völlig anderen Zwecken, als sie einst entworfen wurde, nutzen lassen würde. Vielmehr glaube ich, dass eben auch die Überreste einer technologischen Welt auf grundsätzlich ähnliche Art und Weise genutzt werden können, wie auch natürlich in der Biospäre existente Dinge. Eine Wiederbelebung der technologischen Maschinerie jedoch würde meiner Meinung nach unweigerlich zu den selben Herrschaftsbeziehungen führen – inklusive ihres kolonialen und die Umwelt zerstörenden Charakters –, die
diese einst hervorgebracht hat und von denen sie selbst in ihrem Sinne optimiert wurde.
Bestellungen
Das Buch kursiert seit einigen Monaten in gedruckter Form. Einige letzte Exemplare können noch per E-Mail an schwarzerpfeil@riseup.net bestellt werden. Ansonsten wirst du vielleicht in der anarchistischen Bücherdealerei deines Vertrauens fündig.
Verbrannte Erde, kranke Körper: Die Notwendigkeit die Industrie zu zerstören (Elany)
Der Aufstieg der Hierarchie (Peter Gelderloos)
Bei der Untersuchung des Ursprungs sozialer Hierarchien und Kontrollsysteme vertreten viele radikale Theoretiker*innen einen materialistischen Standpunkt und führen autoritäres Verhalten auf Überschüsse aus der landwirtschaftlichen Produktion und andere Aspekte des Zivilisationsprozesses zurück. Die Tatsache, dass einige nicht-landwirtschaftliche Jagd-&-Sammel-Gesellschaften hierarchische soziale Strukturen entwickelt haben, stellt einen entscheidenden Widerspruch zur materialistischen Sichtweise dar und ist der Schlüssel… Continue reading Der Aufstieg der Hierarchie (Peter Gelderloos)
Beiß die Hand, die dich füttert, es ist die selbe, die dir die Kehle zudrückt!
Ein Aufruf zur Rebellion gegen die Teuerung des Lebens, die Zerstörung der Umwelt und das technoindustrielle System, das uns in Geiselhaft nimmt.
Seit Monaten haben uns Politik und Medien darauf eingestimmt, haben versucht uns zu verängstigen, haben kaum eine erdenkliche Maßnahme zur Bevormundung von uns, die wir von ihnen regiert werden, gescheut – wir sollen von nun an kalt duschen, in unseren beengten Wohnungen frieren oder uns mit dem Waschlappen waschen, wenn es nach dem Willen der Damen und Herren Politiker geht –, nun ist es soweit. Es fließt kein russisches Gas mehr durch die Pipeline Nord Stream 1, vermelden die Medien. Putin habe Deutschland das Gas abgedreht. Die konkreten Konsequenzen sind bislang kaum abzusehen, aber das seit Wochen und Monaten in den Medien diskutierte Szenario von Energiepreisexplosionen und daraus resultierender, allgemeiner Verelendung und Winter-, ebenso wie sozialer Kälte erscheint nicht gänzlich an den Haaren herbeigezogen. Das Klima in Deutschland wird rauer, politisch ebenso wie sozial.
Während sich die Regierung beeilt, ein sogenanntes “Entlastungspaket” zu schnüren, mit dem weniger diejenigen, denen angesichts der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen buchstäblich der Boden unter den Füßen weggerissen wird, entlastet, als vielmehr befriedet, das heißt eine Weile besänftigt werden sollen, so lange, bis der Politik die Lage oportun erscheint, sie fallen zu lassen, bläst die politische Opposition zum Protest. Und da die herrschende Politik in Deutschland eher dem linken politischen Flügel verbunden ist, sind es besonders die rechtspopulistischen Demagogen, die sich erhoffen, die Unterstützung der Massen zu erlangen. Aber was haben sie anzubieten? Die hohlen Phrasen, dass es die “Ausländer” seien, die dem deutschen Michel auf der Tasche liegen würden und deren Verpflegung oder gar Hofierung – nun, wer diesen Quatsch ernsthaft glauben will, der möge sich mal in eines der zahlreichen Flüchtlingslager begeben und sich ein eigenes Bild der Lage machen, um wieder auf dem Boden der Realität anzukommen – dazu führen würde, dass der brave deutsche Steuerzahler1 ärmer und ärmer wird, wer hat sie eigentlich noch nicht als unhaltbare und lächerliche Lügen durchschaut? Auch dass jene schuld wären, die nicht arbeiten gehen, die vielleicht, ja hoffentlich (!) sogar hier und dort einmal unsere Sklaventreiber um einen Teil ihrer Gewinne aus unserer Arbeit bringen, indem sie sich einfach nehmen, was sie brauchen, ohne zu bezahlen, ist im Grunde eine alte Leier. Sicher, in unserer Sklavenmoral als gehorsame, brave, genügsame und vor allem fleißige Arbeiter*innen, mögen jene, die sich auf die faule Haut legen, ebenso wie jene, die sich mit dem einen oder anderen kleinen Diebstahl von der Tafel unserer Ausbeuter*innen, ja ganz gewiss jene, die sich gelegentlich einmal (versehentlich oder aus Ignoranz) an unserem eigenen mickrigen Lohn für unser Sklavendasein vergehen, mit Verachtung betrachtet. Aber ist das nicht geheuchelt? Wer von uns zieht seine Arbeit wirklich dem Müßiggang vor, wenn er*sie die Wahl dazu hat? Und wen hat es nicht schon einmal in den Fingern gejuckt, sich wenigstens dieses eine Mal die gerechte Portion vom Kuchen einfach zu nehmen, anstatt noch um die letzten Krümel zu betteln? Und wer das nicht von sich sagen kann, der ist vermutlich Teil des Problems. Aber außer jenen allzu billigen Feindbildern, die uns höchstens davon ablenken werden, etwas wirksames gegen die miserablen Verhältnisse unseres Daseins zu unternehmen, was haben uns die Demagogen von Rechts sonst anzubieten? Nichts. Sie sind der gleiche Schlag an Politikern, die uns bevormunden, enteignen und ausbeuten wollen und werden, wie jene, die sich heute auf den Regierungssitzen ihre Ärsche wund sitzen.
Aber was wäre die Lösung? Diese Frage erfordert eine weitere Betrachtung des Problems, eine die weit über die unmittelbaren Belange einer Energieknappheit hinaus geht. Aber wenn wir nicht nur den nächsten Winter überleben wollen und uns dabei zudem weiter von der Gunst irgendwelcher Politiker und Ausbeuter abhängig machen, sondern wenn wir danach streben wollen uns ein für alle Mal von den Fesseln zu befreien, die uns zu einem würdelosen Dasein als Sklaven, die sich gemäß den Interessen der Herrschenden herumschubsen lassen müssen, verdammen, dann müssen wir uns die Zeit nehmen, das Ausmaß unserer Enteignung und Unterwerfung zu begreifen.
Wir haben uns hier in den letzten Jahrzehnten vor allem darin geübt, wegzusehen. Weil man uns Glauben gemacht hat, wir würden zu den Gewinnern des technoindustriellen Systems gehören. Weil wir einer der vielen Lügen aufgesessen sind, die uns eingeredet haben, wir wären etwas Besseres und es wären nicht unseresgleichen, die da in den entlegenen Peripherien der Welt gemetzelt und buchstäblich ausgehungert werden. Weil uns das Hinsehen depressiv gemacht hat und wir gedacht haben, wir könnten ohnehin nichts daran ändern. Vielleicht auch nur, weil wir vollauf damit beschäftigt waren, unsere Kredite abzubezahlen, mit denen wir uns den Einheitstraum eines Eigenheims erfüllt haben. Die Gründe mögen vielfältig sein und natürlich gilt das Gesagte nicht für alle. Natürlich hat es immer auch jene gegeben, die sich selbst in den versklavten und gemetzelten Menschenmassen wiedererkannt haben und die ihr Möglichstes unternommen haben, diese Grausamkeiten aufrichtig zu bekämpfen. Es geht mir auch weniger um einen moralischen Fingerzeig, sondern um etwas anderes. Fakt ist: Wir sind nicht anders als diese Menschen, wir hatten nur das Glück, in den letzten Jahren von den allzu grausamen Gemetzel verschont zu bleiben. Verschont deshalb, weil die Mächtigen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft unsere Komplizenschaft damit erkauft haben, dass sie uns ein paar Kanten Brot von ihrer reich gedeckten Tafel hingeworfen haben. Wie dumm und kurzsichtig wir doch gewesen sind.
Vielleicht hätte die Gaspipeline Nord Stream 1 schon sehr viel früher lahm gelegt werden sollen. Nicht von einem Despoten, der diese als politisches und wirtschaftliches Druckmittel gebraucht, sondern von uns selbst. In Solidarität mit jenen, die durch die Förderung von Gas und Öl aus ihrer Heimat vertrieben, deren Umwelt vergiftet und die bei der Arbeit auf den Gas- und Ölfeldern von den reichen Ölunternehmen regelrecht verheizt werden und die davon kaum mehr als Krankheit und Tod haben. Vielleicht … Aber es ist anders gekommen, warum einer nicht eingetretenen Vergangenheit nachtrauern?
Aber nun, wo das Gas nicht mehr fließt, was nun? Die politischen Eliten werden uns erzählen, dass Gas und Öl, ja dass Energie im Allgemeinen alternativlos wäre. Vielleicht werden sie die angespannte Situation des Energiemarkts dazu nutzen, noch sehr viel mehr dieser rotierenden Ungetüme namens “Windräder” in unsere Landschaften zu pflanzen oder in mehr von diesen schwarzen Wüsten namens “Photovoltaik” zu investieren. Vielleicht werden sie neue Atomkraftwerke bauen. Vielleicht werden sie das als einen Vorwand nutzen, offiziell in einen Krieg einzutreten, von dem sie längst Kriegspartei sind. Aber was haben wir von all dem? Wir sind doch stets nur diejenigen, auf deren Rücken diese Machtprojekte ausgetragen werden sollen. Was haben wir davon, dass so ein Vögel-mordendes Ungetüm unsere Landschaft verschandelt? Sind wir es etwa, die die Gewinne einstreichen? Was haben wir davon, dass riesige Flächen mit Solarpanelen zugepflastert werden, auf denen nichts mehr wächst und gedeiht? Was haben wir davon, dass eine tickende atomare Zeitbombe in unserer Nachbarschaft steht und sowohl Luft, als auch Wasser verpestet? Es sind die selben Unternehmen, die selben steinreichen Bonzen, die zuvor Geld mit dem Gas (und Öl), das aus Russland und von anderswo auf der Welt zu uns kam, gescheffelt haben, die auch von all diesen neuen Energieprojekten profitieren.
Aber wir brauchen doch Strom und mit irgendetwas müssen wir ja heizen, oder etwa nicht? Sicher. Aber wozu brauchen wir eigentlich Strom? Um uns nach einem ermüdenden Arbeitstag vor die Glotze oder irgendeines der moderneren Unterhaltungselektronikgeräte zu begeben und dort unser Hirn zu entlüften, bis es an der Zeit ist schlafen zu gehen? Um irgendwo zwischen Internet und Smartphonebildschirm heruzudödeln, auf der Suche nach einer Ablenkung dafür, dass unser Leben tatsächlich so langweilig geworden ist, wie wir vielleicht einmal befürchtet hatten? Und sicher gibt es auch nützliche(re) Geräte, die mit Strom versorgt werden wollen. Aber sind wir je auf die Idee gekommen, die eigentlich geringfügige Menge an Strom, die dafür nötig ist, einfach selbst zu produzieren? Jede*r für sich, oder gemeinsam mit den eigenen Nachbarn? Ohne Windräder und Photovoltaikanlagen, die uns von der Industrie abhängig und uns zu Komplizen bei der neokolonialen Förderung von Rohstoffen machen? Gewiss braucht es kein riesiges Stromnetz, um das bisschen Strom zu erzeugen, das nicht unserer Ablenkung von einem aufregenderen Leben dient. Ein Leben in dem wir selbst hinter den Bildschirmen hervorkommen und der Welt da draußen, ebenso wie einander unvermittelt in die Augen blicken. Das bundesweite und europäische Stromnetz, es dient vielmehr der Industrie, die die darüber transportierte Energie nutzt, um einen Haufen Müll zu produzieren, den keiner braucht und dabei zudem mutwillig unsere Umwelt zu vergiften oder anderweitig zu zerstören. Gewiss, was ich vorschlage ist eine gänzlich andere Lebensweise, als jene der technoindustriellen Zivilisation, aber was hält uns eigentlich davon ab, sämtliche Belange unseres Lebens selbst in die Hand zu nehmen? … Und was ist die Alternative?
Die Alternative wird uns von der Politik gepredigt: Haltet die Füße still, tut was wir sagen und vertraut darauf, dass wir schon alles richten werden. Aber dieser Alternative misstraut ihr doch, sonst wärt ihr schließlich nicht hier auf der Straße. Ihr wisst, dass euch von der Politik die Kehle zugedrückt wird, weiter und weiter und weiter, bis ihr schließlich ebenso ersticken werdet, wie eure Brüder und Schwestern in den entlegenen Regionen dieser Welt, in den Rohstoffminen, auf den Öl- und Gasfeldern und den Ghettos und Lagern, in die man sie gesperrt hat, weil man sie dort nicht mehr brauchte.
Und ihr liegt richtig: Die Politik will euch mit ihren Versprechungen und “Entlastungspaketen” ganz billig abspeisen, damit ihr jetzt nicht rebelliert. Dabei gibt es doch eine sehr viel naheliegendere Lösung für Preissteigerungen von Lebensmitteln und Energie: Warum nicht die Supermärkte plündern, in denen sich einige eine goldene Nase verdienen, weil wir essen müssen. Warum nicht Holz, Gas, Öl- und was man sonst noch zum Heizen benötigen mag, ebenfalls von denen stehlen, die es in Vorbereitung auf militärische Operationen im Ausland oder auch bei der Niederschlagung rebellierender Bevölkerungen im Inland horten? Warum nicht einfach mal die Stromrechnung nicht bezahlen, Stromzähler sabotieren, abgestellten Strom selbst wieder anstellen und nicht zuletzt auch für sich selbst oder gemeinsam mit den eigenen Nachbar*innen eigene Lösungen der Stromerzeugung schaffen, die unabhängig sind, von den großen, wie kleineren Energiekonzernen, die sich selbst an unserem Überleben noch bereichern wollen? Und sollte all das nicht genügen, wäre es dann nicht besser, jene wohlstandsgenährten und bio-gefütterten Politikerschweine zu verspeisen, als uns gegen jene zu richten, die ebenso wie wir unter dem System von Ausbeutung und Unterdrückung leiden, dem eben diese Politiker vorstehen? Gesünder wäre es allemal.
Es liegt in unserer Hand, was als nächstes passiert …
Eine Anarchistin, die ihre Entscheidung bereits getroffen hat.
Michael Dörr: Maschinen, Körper und männliche Identität (1995)
Mit der Neuzeit kommt Bewegung ins Bild der Welt: War in der aristotelischen Physik Ruhe der „natürliche Zustand der Körper“, so hat sich im Trägheitsgesetz, das Isaac Newton 1867 formulierte, Bewegung schon zum gleichwertigen „Zustand der Körper“ aufgeschwungen. Überhaupt ist „Bewegung“ zentraler Gegenstand der neuen Wissenschaft. Auch andere Bereiche beschleunigen: Die Bedarfdeckungswirtschaft des Mittelalters wird… Continue reading Michael Dörr: Maschinen, Körper und männliche Identität (1995)
Was ist grüne Anarchie? Eine Einführung über antizivilisatorisches anarchistisches Denken und Handeln (Green Anarchy Collective)
Diese Einführung ist weder als „Bestimmung der Prinzipien“ für eine anarchistische „Bewegung“ noch als antizivilisatorisches Manifest gedacht. Es ist ein Blick auf einige grundsätzliche Ideen und Begriffe, die das Kollektiv und andere Leute, die sich mit der grünen Anarchie identifizieren, miteinander teilen. Wir haben den Anspruch, und setzen das Bedürfnis voraus, unsere Visionen und Strategien… Continue reading Was ist grüne Anarchie? Eine Einführung über antizivilisatorisches anarchistisches Denken und Handeln (Green Anarchy Collective)
Bezmotivny – Eine Zeitung ohne Motiv, internationalistisch, anarchistisch
Der Name der Zeitschrift erinnert an die Bezmotivny-Anarchisten, die im Russland des frühen 19. Jahrhunderts den Angriff gegen die Bourgeoisie wählten, um den sozialen Frieden zu brechen und den Angriff auf den Staat zu radikalisieren. Den meisten erschien ein gewaltsamer Angriff damals als unprovoziert; das ist auch heute noch so. Das Ziel unserer Zeitung ist es vielmehr, die Momente eines andauernden Krieges zu sammeln, nicht der Resignation zu verfallen und dazu beizutragen, einen Grund aufzuzeigen, der existiert und immer existiert hat.
Bezmotivny – Eine Zeitung ohne Motiv, internationalistisch, anarchistisch
Vorwort zur deutschsprachigen Sonderausgabe
Eineinhalb Jahre nach der ersten Ausgabe dieses Projekts (Nummer 0) haben wir uns entschlossen, uns als Gefährten und Gefährtinnen zusammenzutun, um mit diesem aus Italien stammenden Zeitungsprojekt, der anarchistischen Debatte einen internationalen Anstoß zu geben.
Was ihr hier in den Händen haltet, ist keine reine Übersetzung einer der verschiedenen Ausgaben von Bezmotivny, sondern eine Sonderausgabe, die keine Regelmäßigkeit in Sinn und keine Redaktion. Wir haben keine Ahnung, was passieren wird und was uns erwartet; um ehrlich zu sein, sind wir nicht einmal daran interessiert, es zu wissen. Was wir aber wissen ist, wer wir sind. Wir sind Gleichgesinnte, die sich frei und informell zusammengeschlossen haben, um dem von den italienischen Gefährten und Gefährtinnen initiierten Projekt Kontinuität, Schwung und internationale Reichweite zu verleihen. Wir hielten es für eine gute Idee, einen ersten Schritt zur Internationalisierung einer Zeitung zu machen, die wir nicht als Zeitung, sondern als ein Instrument für Anarchist:innen betrachten, das zur revolutionären Debatte und Propaganda beiträgt. Jede:r kann einen Beitrag leisten, unabhängig davon, ob er oder sie sich auf freiem Fuß befindet, der eigenen Freiheit beraubt ist oder fliehen musste. Wir laden daher Anarchist:innen aus aller Welt ein, dieser Reise eine Stimme und Seele zu verleihen. Indem man Beiträge an die italienische Redaktion einschickt, Übersetzungen macht oder die Texte verbreitet, die in dem vorliegenden Format veröffentlicht wurden oder es könnten auch Ausgaben in mehreren Sprachen entstehen. Jede und jeder auf eigene Weise, entsprechend der freien revolutionären Initiative. Wir hoffen, dass dieses Projekt wächst, dass es die Sprachbarrieren überwindet, dass es die Seelen der mutigen Minderheiten und deren rebellisches Bewusstsein, die im Krieg sind gegen das Bestehende, entflammt. So wie wir hoffen, dass die Saat der Revolte weiterhin ohne Gnade keimt und unseren Feind:innen keinen Aufschub gewährt.
Wir verstehen die anarchistischen und subversiven Druckmedien als eine Waffe, die uns zur Verfügung steht, um unsere Kritik gegen diese berüchtigte Welt, die uns umgibt, zu propagieren. Durch die gedruckten Seiten werden die Bedingungen geschaffen, um die Ideen, die Worte und die Taten zu verbreiten und die widerspenstigen Köpfe zu erschüttern. Es liegt dann am Einzelnen, „die im Kopf erarbeitete und im Herzen bebende Theorie in die Tat umzusetzen“, wobei stets zu bedenken ist, dass Worte und Taten untrennbar miteinander verbunden sind. Um es klar zu sagen: Wir werden sicherlich Repression erfahren, wir werden sicherlich unterdrückt. Der Staat und seine Repression werden uns wahrscheinlich daran hindern wollen weiterzumachen, indem sie uns den Boden unter den Füßen wegziehen, aber wie wir zur Genüge wissen, ist das Leben kurz und es gibt schlimmeres! Für jedes unterdrückte Projekt, für jede gefesselte Hand, für jede zerbrochene Seele wird es immer jemanden geben, der das Werkzeug vom Boden aufhebt. Sei es ein Stift, ein Hammer oder eine Pistole. Diese Ausgabe enthält Übersetzungen einiger Beiträge, die in den ersten zehn Ausgaben der Zweiwochenschrift „Bezmotivny“ in italienischer Sprache erschienen sind und die wir aus individueller Sicht, für besonders interessant halten. Einige Artikel wurden mit der Absicht ausgewählt bestimmte Analysen und Inhalte, die wir als fehlend erachteten, in die deutschsprachige anarchistische Debatte einzubringen.
Als ob die Scheiße, die uns umgibt und die man uns aufzwingen will, nicht schon schlimm genug wäre, erleben wir seit einigen Monaten den Ausbruch eines weiteren Krieges zwischen Staaten. In diesem Fall zwischen Russland und der Ukraine (zumindest vorläufig) und den daraus resultierenden Machtspielen zwischen den verschiedenen Weltmächten, einschließlich eines globalen Aufrüstungswettlaufs, wirtschaftlicher Streitigkeiten, nuklearer Drohungen und opportunistischer Streitigkeiten um die Rohstoffversorgung. All dies natürlich auf Kosten der Unterdrückten und Ausgebeuteten. Nach dem Aufkommen dieser Dynamik hielten wir es für sinnvoll, die Übersetzungen der in den letzten Ausgaben von Bezmotivny veröffentlichten Analysen über den Krieg, hinzuzufügen. Da es sich um eine Zeitung handelt, in der jedes anarchistische Individuum seinen eigenen Beitrag leisten kann und da es sich um Texte handelt, die von Individuen mit ihrem eigenen Gewissen und nicht von einem Redaktionsteam geschrieben wurden, halten wir es für unerlässlich, die lexikalischen Entscheidungen, die von den Verfasser:innen des Originaltextes schwarz auf weiß getroffen wurden, beizubehalten. Damit sollen die Entscheidungen, die individuell sind und bleiben, nicht überbewertet oder geschmälert werden. Wir beziehen uns dabei insbesondere auf die Genderisierung von Namen. Im Text findet ihr verschiedene lexikalische Entscheidungen, die die Vorlieben der Autor:innen widerspiegeln.
Darüber hinaus haben wir uns entschieden, den Horizont zu erweitern und die Rubriken „Schwarze Chronik“, „Knastkorrespondenz“, „Infos über die Inquisition“ nach der zehnten Ausgabe von Bezmotivny zu berücksichtigen. Außerdem hielten wir es für wichtig, einen Beitrag – einer von vielen – aufzunehmen, der in der 18. Ausgabe der italienischen Ausgabe erschienen ist und sich mit der Situation befasst, unter der wir schon viel zu lange im Zusammenhang mit dem so genannten „Gesundheitsnotstand“ leiden.Was wir anregen möchten, ist eine Reflexion über die Inhalte dieser Zeitung, um den Vergleich zwischen den vielen Realitäten, die das anarchistische Denken und Handeln beleben, lebendig zu halten. Die Übersetzer und Übersetzerinnen, fühlen sich denjenigen, die die Texte geschrieben haben, verbunden, aber teilen keine einheitlich Tendenz, die in der Rhetorik einen gemeinsamen Nenner findet.
Für internationale Komplizenschaft.
Es lebe die Anarchie!
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[Es folgt eine Zusammenfassung der in den ersten drei Ausgaben von Bezmotivny in Italien veröffentlichten Beiträgen: Un giornale Senza Motivo (Jahr I, Sonderausgabe – 14. Dezember 2020); Un giornale internazionalista (Jahr I, Ausgabe 1 – 15. Februar 2021); Un giornale anarchico (Jahr I, Ausgabe 2 – 1. März 2021)]
Der Name der Zeitschrift erinnert an die Bezmotivny-Anarchisten, die im Russland des frühen 19. Jahrhunderts den Angriff gegen die Bourgeoisie wählten, um den sozialen Frieden zu brechen und den Angriff auf den Staat zu radikalisieren. Den meisten erschien ein gewaltsamer Angriff damals als unprovoziert; das ist auch heute noch so. Das Ziel unserer Zeitung ist es vielmehr, die Momente eines andauernden Krieges zu sammeln, nicht der Resignation zu verfallen und dazu beizutragen, einen Grund aufzuzeigen, der existiert und immer existiert hat.
Bezmotivny will ein vierzehntägiges Projekt sein – oder wagt es zu sein -, das sich vor allem mit dem befasst, was das Leben und die Existenz der Anarchisten selbst betrifft: die Praxis des Angriffs auf den Staat und seine Glieder und seine Repression. Deshalb werden auf diesen Seiten die subversiven Chroniken der Solidarität und Berichte über die Angriffe gegen unsere größten Feinde erscheinen – der Staat, das Kapital und all diejenigen, die ihre aufgeblähten Bäuche stopfen.
Wir haben uns auch dafür entschieden, uns auf die Veröffentlichung von Texten inhaftierter Gefährten und Gefährtinnen auf der ganzen Welt zu konzentrieren, um zu betonen, wie wichtig es ist, die Debatte unter Anarchistinnen und Anarchisten zu fördern, ob sie nun im Gefängnis sitzen oder nicht. Die Macht versucht wie immer, mit infamen Methoden wie der Zensur, die Bindungen der Gefährten, die Geiseln des Staates sind, zu brechen; wir glauben, dass es wichtig ist, ihre Isolation nicht zuzulassen, sondern sicherzustellen, dass sie weiterhin am anarchistischen Krieg teilnehmen können. Schließlich werden wir die Updates der Prozesse, die Adressen der inhaftierten Anarchisten, von denen wir wissen, und deren Verlegungen veröffentlichen. Wir haben uns dafür entschieden, zusätzlich zu einer E-Mail-Adresse eine Postadresse einzurichten, an die sich alle GefährtInnen wenden können, um sowohl denjenigen, die inhaftiert sind, als auch denjenigen, die freiwillig oder gezwungenermaßen keine telematischen Geräte nutzen, die Möglichkeit zu geben, weiterhin zu schreiben und sich an der anarchistischen Debatte zu beteiligen. Darüber hinaus schlagen wir den GefährtInnen, die diese Annahmen teilen, vor, zu dem Projekt beizutragen, indem sie die Zeitung in mehreren Sprachen und mit der gleichen Periodizität herausgeben und so versuchen, die Idee der Internationalisierung des Wunsches, jede autoritäre Präsenz in der Welt zu zerstören, noch eindringlicher zu machen.
Was den Staat betrifft, so scheint es uns klar zu sein, auch wenn es nicht unbedingt für jeden so ist, dass wir unseren Krieg, den anarchistischen Krieg, nicht auf ein einziges Land reduzieren können. Wenn die Repression gegen Subversive die Grenzen überschreitet, wenn die Staaten sich immer mehr zu Repressalien gegen Anarchisten zusammenschließen, ist es vielleicht gut, sich daran zu erinnern, dass der Feind, auch wenn er sich in vielen Formen zeigt, ein und derselbe ist und an jedem Ort angegriffen werden muss – und kann.
Zunächst einmal erkennen wir als anarchistische Individuen weder Staaten noch Grenzen an. Nur Gefährten aus einem bestimmten Land als Bezugsgemeinschaft anzuerkennen, bedeutet in der Tat, sich den Unterscheidungen anzupassen, die der Menschheit von der Macht auferlegt werden, und die von den Regierungen vorgenommene Einteilung zu unterstützen, nach der es einen Unterschied macht, in einem Gebiet geboren zu sein, das von dem einen oder anderen Staat verwaltet wird. Unbestreitbar gibt es Unterschiede, die von der Regierung, der man untersteht, den spezifischen Gesetzen jedes Staates und dem Ausmaß der Repression, der man ausgesetzt ist, bestimmt werden. Aber im Grunde genommen werden wir überall, wo wir geboren werden oder aufwachsen, mit Polizisten, Richtern und Gefängnissen konfrontiert. Die Erkenntnis, dass die Substanz unseres Kampfes gegen das Bestehende dieselbe ist und es daher von grundlegender Bedeutung ist, gemeinsame Überlegungen anzustellen, kann die Debatte durch den Vergleich zwischen Gefährten mit unterschiedlicher Erfahrungen verstärkt und mit unterschiedlichen spezifischen Situationen konfrontiert werden. Die Vielfalt der Geschichten und Probleme, mit denen wir je nach dem Ort, an dem wir leben, konfrontiert sind, ist ein enormer Reichtum, der uns nur helfen kann, unsere Waffen gegen die spezifischen Formen zu schärfen, die die Macht an jedem Ort annimmt: gerade weil die Macht, die sich verändert, dieselbe bleibt und damit der Kampf gegen sie. Als Anarchisten sind wir notwendigerweise Internationalisten: dies zu vergessen bedeutet, von der Notwendigkeit der Befreiung jedes Lebewesens zur Notwendigkeit der Befreiung der „Völker“ überzugehen, ein Projekt, das in der Tat auf die Bildung neuer Staaten hinausläuft, d.h. neue Polizisten, neue Richter, neue Gefängnisse und Gefangene. Es gibt keine unterdrückten „Völker“, es gibt unterdrückte Individuen: Erstere führen Kriege für die Macht, letztere führen Kriege gegen die Macht.
Darüber hinaus haben wir in den letzten Jahren – zumindest in Europa – eine zunehmende Zusammenarbeit zwischen den Repressionsapparaten der einzelnen Staaten beobachtet. Für das Kapital gibt es trotz der verschiedenen Nationalisierungs- und Internationalisierungsbestrebungen Grenzen, die je nach Bequemlichkeit bestehen oder nicht bestehen. Viele Unternehmen, ob groß oder klein, haben Beteiligungen, Investitionen, Vereinbarungen, Hauptsitze und assoziierte Unternehmen in verschiedenen Staaten. Angesichts der Gegebenheit, dass Polizisten und Waren keine Grenzen anerkennen, kann eine wirksame Antwort unsererseits nur aus einer breiteren Perspektive entstammen, als der der fiktiven Grenzen, die uns auferlegt wurden. Das heißt auch den Gesichtspunkt der Repression zu beachten, damit wir nicht von der Zusammenarbeit zwischen den Bullen überrascht werden, die Beachtung des wirtschaftlichen Aspekte der Unternehmen, die an verschiedenen Orten ihre Niederlassungen und Interessen haben. Aus dieser Perspektive sind sie nämlich den Angriffen der Revolutionäre stärker ausgesetzt.
Diese Ideen sind im Anarchismus nicht neu: Seit dem neunzehnten Jahrhundert liegt der Schwerpunkt auf internationaler Solidarität und grenzüberschreitender Organisation bei gleichzeitiger Wahrung der Unabhängigkeit kleiner Gruppen.
Auch in den letzten Jahren gab es einen Dialog in Wort und Tat zwischen Anarchisten und Anarchistinnen aus allen Kontinenten, unter anderem durch den brillanten Vorschlag der Schwarzen Internationale. Bezmotivny will eine internationalistische Zeitschrift sein, weil die Kenntnis des anarchistischen Denkens und Handelns in der Welt die Perspektive verändert: das Schweigen und die Zensur, die die Macht versucht, der anarchistischen Solidarität aufzuzwingen, verhindert nicht, dass beide da sind, aber die Möglichkeit, mehr und mehr zu reden und zu vergleichen, kann dazu führen, die Angriffe zu intensivieren und die Waffen zu schärfen. Überall auf der Welt gibt es einen heißen Seufzer, der Grenzen überschreitet und eine Lawine auslösen kann, die das Bestehende überwältigt. Gegen ihre Kollaboration mit dem Ziel, uns zu vernichten, kann unsere internationale Komplizenschaft eine wirksame Kraft sein, um die staatlichen Strukturen an der Schläfe zu treffen.
Wir schlagen ein Werkzeug vor, das jedem Anarchisten zur Verfügung steht. Ein Instrument, das mit dem Ziel geschaffen wurde, Diskussionen und Konfrontationen – die, wie wir hoffen, manchmal sehr hitzig sein können – zwischen den verschiedenen Vorschlägen, die aus den vielen Arten, den Anarchismus zu verstehen und zu praktizieren, aus der ganzen Welt stammen, aufzunehmen und zu erleichtern. Doch ähnlich wie in der Kartographie die steilen Hänge der Berge und die bewaldeten Weiten der Täler auf die Landkarten projiziert werden, ist auch die Darstellung der komplexen und vielfältigen Welt der anarchistischen Angriffe auf den Staat auf dem Papier mit gewissen Schwierigkeiten verbunden und erfordert manchmal die Anwendung einiger Tricks in der Entwurfsphase. Um dem unmittelbaren Platzbedarf gerecht zu werden, der sich aus der Begrenzung unserer Zeitung auf acht Seiten ergibt, aber auch, um der Gefahr vorzubeugen, sich angesichts der Fülle des Materials zu verzetteln, ist es notwendig, einige grundlegende Kriterien für die Auswahl der zu veröffentlichenden Nachrichten festzulegen. Wir haben uns daher entschlossen, auf diesen Seiten nur über Aktualisierungen von eindeutig anarchistischen Aktionen zu berichten, die von irgendeiner Art von Bekennerschreiben begleitet werden oder die sich in bestimmte Kontexte oder Zeitrahmen einfügen – zum Beispiel Solidaritätsaufrufe oder Mobilisierungskampagnen -, die den Spielraum für Zweifel und die Schwierigkeit der Interpretation in Bezug auf die Natur und die Motivationen der Aktion selbst verringern. Diese Entscheidung entspricht in erster Linie dem Bedürfnis, nicht in den Fehler zu verfallen, für andere zu sprechen und ihnen im Nachhinein andere Bedeutungen und Interpretationen zuzuschreiben als diejenigen, die die Handlung zum Zeitpunkt ihrer Ausführung beabsichtigt und sich vorgestellt haben. Wir halten es für grundlegend, dass unter den Anarchisten jeder Einzelne das volle und ausschließliche Recht hat, selbst zu entscheiden, ob und in welcher Form er seinen Handlungen Nachdruck verleihen will, ohne dass andere von außen Interpretationen oder Interpretationsschlüssel vorlegen. Die Aufnahme einer Nachricht in eine anarchistische Zeitschrift stellt an sich schon eine sehr präzise Konnotation der Aktion selbst dar, so dass in Fällen, in denen diese Konnotation nicht sofort erkennbar ist, lieber auf eine Veröffentlichung verzichtet wird. Aus denselben Gründen werden wir in jeder Ausgabe versuchen, die Nachrichten über Aktionen und Bekennerschreiben so weit wie möglich nicht mit unserer eigenen redaktionellen Lesart zu überlagern.
Wir wollen mit dieser Entscheidung keine grundsätzliche Ablehnung der Praxis von Aktionen ohne Bekennung implizieren: Anonymität oder Signaturen – gleich welcher Art – erscheinen uns nicht als gegensätzliche Entscheidungen, und wir sind nicht der Meinung, dass das eine automatisch das andere ausschließen sollte. Ob man sich für das eine oder das andere entscheidet, kann von vielen Faktoren abhängen, z. B. von bestimmten Kontexten oder spezifischen Wünschen. Was unsere redaktionelle Arbeit in dieser Zeitung betrifft, so würden wir lieber das Risiko eingehen, eine Aktion nicht zu veröffentlichen, die in die anarchistische Debatte einbezogen werden sollte, als das noch größere Risiko einzugehen, fälschlicherweise etwas hervorzuheben, das – aus welchen Gründen auch immer – nicht zur Veröffentlichung vorgesehen war. Auch wenn wir die Personalisierung von Handlungen nicht um jeden Preis unterstützen wollen, überzeugt uns das Kriterium, dass die Beweggründe und Ziele, mit denen eine bestimmte Handlung durchgeführt wird, nicht relevant sind, überhaupt nicht: Unabhängig davon, was man über die Existenz von Handlungen, die für sich selbst sprechen, denkt oder nicht, ist es schwer zu leugnen, dass einige Handlungen – wie das Anzünden einer Kirche oder die Zerstörung einer 5G-Antenne, um nur einige Beispiele zu nennen – in bestimmten Fällen aus sehr unterschiedlichen und divergierenden Gründen durchgeführt werden können. In Ermangelung von Elementen, die es erlauben würden, die Aktion eindeutig in den Kontext der anarchistischen Kriegsführung einzuordnen, werden wir es vorziehen, sie nicht zu veröffentlichen, auch um keine Verwirrung mit Szenarien zu stiften, die manchmal sehr weit von anarchistischem Gedankengut entfernt, wenn nicht sogar völlig unvereinbar sind. Und schließlich: Wie lässt sich allgemein festlegen, was anarchistisch ist? Um dieser komplizierten Frage gerecht zu werden, haben wir beschlossen, uns hauptsächlich auf das Kriterium der Selbstdefinition zu stützen, da dies die einzige Annahme ist, die alle Facetten einbeziehen und respektieren kann, aus denen sich die individuelle und einzigartige Art und Weise, Anarchismus zu leben, eines jeden zusammensetzt. Wer sich als Anarchist definiert, drückt bereits die Entscheidung aus, sich mit einer bestimmten Welt auseinanderzusetzen und an jede Individualität dieser Welt richtet sich diese Zeitung. Bezmotivny ist eine anarchistische Zeitung, denn sie wird von Anarchisten für andere Anarchisten gemacht. Der Weg, den wir mit dem Projekt dieser Zeitschrift eingeschlagen haben, ist wahrscheinlich nicht einmal der einfachste, aber wir glauben, dass es wichtig ist, so viel wie möglich dazu beizutragen, jeder anarchistischen Individualität einen sicheren und konstanten Raum für die vielen Formen der Diskussion unter Anarchisten zu bieten. Das ist es, was uns interessiert und nachdem wir dieses Bedürfnis geäußert haben, werden wir in dieser Richtung weiterarbeiten, solange diese Zeitung existiert.
Für Zusendungen von Beiträgen und/oder Kritiken und Bestellungen:
oder schreiben an
Bezmotivny c/o
Casella Postale 59,
54033 Carrara (MS) – Italien
Redaktionsschluss ist immer am darauffolgenden Sonntag um 19:00, nach dem Erscheinungsdatum der letzten Ausgabe.
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In den kommenden Tagen und Wochen werden Zeitungs-Pakete an etliche Szene-Ort im deutschsprachigen Raum versendet. Guckt bei euren Infoläden nach und hilft beim Verteilen!
Elaine Leeder: Anarcha-Feminismus (1979)
Man sagt, daß Frauen oft Anarchismus praktizieren, ohne es zu wissen, während manche Männer sich selbst Anarchisten nennen, ohne das zu praktizieren. (…) Ein politischer Zwitter? Es gibt eine Anzahl Feministinnen, die den unserer Entwicklung inhärenten Anarchismus erkannt und in Gruppenarbeit begonnen haben, zu lernen und zusammenzuwachsen als Anarcha-Feministinnen. Dieser „Zwitter“ entwickelte sich aus den… Continue reading Elaine Leeder: Anarcha-Feminismus (1979)