All posts by Anarchistische Bibliothek

DJ Superspreader – Virus Radio

AutorIn: DJ Superspreader
Titel: Virus Radio
Datum: 2020-2021
Bemerkungen: Das Elend der Linken – Track 1 in Zündlumpen #76; 07.10.2020, München.
50 Shades of Lockdown in Zündlumpen #77; 01.11.2021, München.
Das Elend der Linken – Track 2 in Zündlumpen #78; 23.11.2020, München.
Das Elend der Linken – Track 3 in Zündlumpen #84; 05.07.2021, München.
Quelle: Entnommen am 08.10.2021 von: https://web.archive.org/web/20210915205441/https://zuendlumpen.noblogs.org/post/tag/virus-radio/
Das Elend der Linken – Track 1

Mit einigen Remixen wird der eigentlich eher langweilige Track DAS ELEND DER LINKEN, ein Klassiker gähn 2020 extra neu für euch aufgelegt. Heute spielen wir den ersten Remix, gefeatured von der autonomen Antifa, mit ihrem neuen Antivirus-Programm (diesmal nicht für Windows), welche dem ganzen den moralistischen Touch gibt, der ja nötig ist, damit ihr auch wirklich ausgelassen dancen können. Heyyyy!

Aber zuerst habe ich für euch noch ein tolles Intro im Set, welches das ganze episch einleitet, während danach die Party erst so richtig los geht. Yeah!

„Hate the media“

(Verstoss gegen die Moderationskriterien-mix)

Da der Zündlumpen nach wie vor auf Indymedia toleriert wird, einer Seite welche sich ganz besonders darin hervortut, die Linksradikale als Bewegung zu erhalten, hier ein kleinen Introtrack also. Während Indymedia zwar als Plattform für etliche, beileibe nicht linke, anarchistische Publikationen hinhielt, tat es sich hervor, sämtliches, was zu einer eventuellen Aufklärung des Coronawitzes führen könnte, nach staatlichen oder noch strengeren Massstäben zu zensieren (und zwar Sachen die nicht sozialdemokratischer waren als viele andere Indymedia-Publikationen). Indymedia hat sich also trotzalledem darin hervorgetan, den offiziellen Kampf gegen „Fake News“ mitzuführen, damit es ja nicht zu schnell gehe, bis sich die Erkenntnis Bahn bricht, dass es sich bei Corona um eine nicht allzu spezielle Grippemutation handelt. Trotzdem hat man den Zündlumpen toleriert. Wieso? Haben wir nicht genügend gegen Bill Gates, WHO, Antonio-Amadeus Stiftung, Robert Koch, Drosten, die Prolockdown-Linken, die Maskenträger und andere Covidioten angeschrieben, um eine Zensur verdient zu haben? Haben wir zu lange gewartet, um deutlich zu werden? Wieso tragt ihr noch immer zu eurer eigenen Zersetzung bei?
Solche Fragen stelle ich mir manchmal. Und dann denke ich mir: naja, immerhin verbreiten sich so die Ideen. Und man hat die Gelegenheit noch etwas Skandal zu machen.
Bevor also Indymedia endlich down ist, hoffen wir noch, dass sie uns Plattform bieten um die radikale Linke etwas zu zersetzen. Danke.

Natürlich betrachte ich es auch skeptisch, dass ihr meinen Mix verbreitet, denn schliesslich tragen wir damit auch dummerweise zur Aufwertung eurer Sendung bei, welche sich so mit seiner Toleranz und Extravaganz schmücken kann, und behaupten kann, voll an der Zeit zu sein. Aber so what! Die Hörer werden schon verstehen, woher der Wind weht, und dass Indymedia teil des miefigen Kadavers ist. Und deshalb, Täterätätä:

Das Elend der Linken feat. Antifa

(stayathome-klaustrophobia-mix)

Die Rolle der Linken war jene einer mobili- und moralisierenden Kraft, welche nur schon durch die Andeutung einer Kritik der Aktion der herrschenden, geschweige denn einer möglichen Virusleugnung auf die Palme brachte. Sämtliches Repertoir, welches an anderen Gegenständen eingeübt wurde, wurde eingesetzt, um schlicht und ergreifend Konformismus zu vertreten.

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Die Absurdität dieser Sache zu dokumentieren ist eine komische Aufgabe die ich mir setze. Sie fängt damit an, dass die Linken subtil die “Verleugnung” (dass nicht nur die Verleugnung ihnen “Verleugngung” heisst, ist offensichtlich) des Virus als eine Art No-Go-Zone eingerichtet haben. Was das Problem mit der “Coronaleugnung” sei nur schon zu fragen ist eine Art Blasphemie, und zwar eine ähnliche Blasphemie wie die Gottesleugnung. Da allerdings die antifaschistische Linke natürlich die Leugnung Gottes nicht als dieses Tabu meinen kann, ist es ganz klar, dass die Herkunft dieses Kampfes gegen das Leugnen sich um den Holocaust dreht. Nun sind es gerade die Linken, welche den “Hygienedemonstranten” immer wieder, teilweise berechtigterweise, teilweise unberechtigterweise, Faschismusrelativierungen vorgeworfen haben. Jeder Vergleich mit 1933 wird ihnen zur Relativierung der Shoah, so als hätte diese schon 1933 stattgefunden, während aber die eigene, wirklich komplett absurde und geschmacklose Holocaustverharmlosung gerade von den angeblichen Antifaschisten hunderte Male wiederholt wurde. Nämlich der Vergleich von Corona mit dem Holocaust, bzw. der Vergleich der Coronaleugnung als quasi ähnlich (ich wage nur zu sagen “ähnlich” schlimm, auch wenn “gleich” eigentlich die Vorstellung dieser Leute zu sein scheint, und der Vergleich allzu direkt ist) schlimm wie die Holocaustleugnung. Dieser perfide Trick ist scheinbar bisher niemandem aufgefallen. Er bleibt den fanatisierten Konformisten unbewusst, ebenso wie ihnen der strukturells Antisemitismus der ganzen Corona-Hysterie entgangen zu sein scheint (Angst vor einem unsichtbaren, unheilvollen Feind, den man z.B. für „die Krise“ verantwortlich macht; Massenmobilisierung dagegen, als Ablenkung vor wirklichen Problemen etc.).

Aber dieses Denken in “strukturell”, dieses “strukturell” jenes zeigt eben vielmehr gerade seine komplette Beschränktheit auf. Natürlich ist es wahr, dass einige der “Hygienedemonstranten” faschistisch sind, und dass diese Faschisten mit ihrer “Coronaleugnung” durchaus nur ihre eigentliche Bereitschaft zur sozialdarwinistischen “Vernichtung lebensunwerten Lebens” verhüllen. Aber aufgrund dessen dann die Fragestellung überhaupt zu Tabuisieren, ist absurd, zeigt nur den eigenen Willen zur Zensur, und das man den Faschisten scheinbar nichts Substanzielles entgegenzusetzen hat.

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Anonym – AD NAUSEAM

AutorIn: Anonym
Titel: AD NAUSEAM
Untertitel: Flugblatt gegen das politische Ghetto in Granada
Datum: Späte 90er
Quelle: Entnommen am 22.09.2021 von http://panopticon.blogsport.eu/2021/06/13/spanischer-staat-ad-nauseam/
Einleitung von der Soligruppe für Gefangene

Hier ein Text aus den späten 90ern, der damals im spanischen Staat viele Wellen geschlagen hat. Vieles erinnert, auf eine morbide Art, an die jetzige Lage. Man müsste nur ein paar Namen, Orte und Ereignisse ändern und dann wäre vieles verblüffend ähnlich, wie peinlich, nichts dazu gelernt. Die Übersetzung ist ein weiteres Mal von uns.

Eine weitere Bemerkung ist vonnöten. Es handelt sich um den Begriff buen rollo (immer kursiv), welchen wir auf Spanisch gelassen haben und eine Erklärung erfordert. Im Allgemeinen bedeutet im Spanischen buen rollo sowas wie gute Laune, lockere Stimmung, cool sein usw. Als pejoratives Wort, was in anarchistischen Kreisen sehr oft so verwendet wird, siehe dieses Verhalten als Ideologie buenrollismo, bedeutet und beinhaltet es eine künstliche und aufgesetzte Harmonie, degenerierte Hyperfreundlichkeit; hypersozialisierte Falschheit, damit unter keinen Umstand Konflikte stattfinden. Ein konfliktscheues Verhalten zugunsten einer Harmonie, die die eigene Haltung unterdrückt. Ganz nach dem Motto, da wir alle Zecken sind, müssen (im imperativen Sinne) wir uns alle verstehen, weil wir dieselben Ziele verfolgen, was absolut falsch ist und unter keinem Zustand stimmt.

AD NAUSEAM[1]

Flugblatt gegen das politische Ghetto in Granada

.:es ist nichts Persönliches (Einleitung):.

Die Wahrheit ist scheiße, aber sie härtet ab.“ (Makinavaja[2])

Was folgt, bezieht sich auf eine kollektive Dynamik, die in der Stadt Granada von denjenigen geschaffen wurde, die behaupten, Feinde des Kapitals, des Staates, des Patriarchats, des Einen und des Anderen zu sein. Es mag Außenstehende insofern interessieren, als es ähnliche Situationen anderswo reflektiert oder beleuchtet; aber es ist klar, dass es eine Reflexion ist, die sich aus besonderen Umständen ergibt, denen einer so besonderen Stadt wie dieser, und deshalb ist sein Interesse äußerst begrenzt. Wer diese Erfahrungen nicht gemacht hat, wird wahrscheinlich nicht gut verstehen, wovon wir sprechen, und es wird wenig geben, was dieses Schreiben beitragen kann, außer als eine Art „Impfstoff“, um zu vermeiden, sich in bestimmte Nesseln zu setzen.

Was die Reaktionen anbelangt, die dieser Text hervorrufen könnte, so wird es diejenigen geben, die endlich all das Unbehagen, das ihn umgibt, offen zum Ausdruck bringen werden. Es wird auch diejenigen geben, die es als persönlichen Angriff auffassen werden, die ihr Image und/oder ihre freiwilligen Bemühungen in Frage gestellt sehen und wissen wollen, wer derjenige oder wer diejenigen sind, die dies geschrieben haben, um zu wissen, welche Boten getötet werden sollen. Schließlich wird es diejenigen geben, die der Meinung sind, dass ihre Gruppe, welche auch immer es sein mag, kaum die hier erwähnten Laster aufweist. Sie sollten wissen, dass sich ihre Gruppe, wenn sie sich in dieser allgemeinen Kritik nur teilweise identifizieren kann, mit Sicherheit noch verheerenderer Einzelkritik ausgesetzt werden kann (und sollte).

Wir weigern uns, von „Bewegung“ zu sprechen, da wir sie heute nirgendwo sehen. Wir werden anstelle von „politischem Antagonismus“ und „Ghetto“ sprechen. Unter politischem Antagonismus verstehen wir eine Reihe von Menschen, Gruppen, Diskursen und Praktiken, die sich im Gegensatz zur gesamten oder einem Teil der bestehenden Gesellschaftsordnung aus egalitären und nicht-hierarchischen Werten präsentieren. In Granada, wie an vielen anderen Orten, kristallisiert sich der politische Antagonismus zu einem Ghetto heraus: eine Umgebung, die unter dem Vorwand eines solchen Antagonismus Beziehungen institutionalisiert, die hauptsächlich auf Ästhetik basieren. Die Qualität des Ghettos, die auffällt, ist die Unfähigkeit, eine soziale Dynamik zu schaffen oder die bereits bestehenden zu beeinflussen. Indem das Ghetto jedoch den spektakulären Anschein einer „Bewegung“ erweckt, verhindert es die Entstehung einer wirklichen Bewegung, indem es das Potenzial vieler Menschen und Momente/Fragmente einer wirklichen politischen Intervention einfängt und zunichte macht. Das Ghetto kann nicht eng als eine spezifische Liste von Gruppen und Einzelpersonen verstanden werden. Es ist mehr als das: Es ist eine fluktuierende Dynamik, die sich manchmal ausdehnt und manchmal zurückweicht. Es ist ein Netzwerk mobiler Beziehungen und Einstellungen, das heißt, in ewiger Bewegung nach nirgendwo.

Unsere Worte werden hart sein, denn wenn wir nichts gegen jemanden im Besonderen haben, haben wir alles gegen jeden als Ganzes, solange dieses Ganze nicht anders gezeichnet wird. Es geht nicht darum, dass wir klüger sind als alle anderen: was wir angreifen, wurde selber gelebt und genau wie jeder andere reproduziert. Deshalb wissen wir, worüber wir sprechen. Es ist nur so, dass unsere Geduld eine Grenze hat, und diese ist weitgehend überschritten worden.

Eine letzte Klarstellung: Der Einfachheit halber verwenden wir das männliche Geschlecht. Wir wollen Frauen, die von unserer Kritik nicht ausgenommen sind, jedoch nicht ausschließen.

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Anonym – Fickt euren Konsens!

AutorIn: Anonym
Titel: Fickt euren Konsens!
Datum: Oktober 2020
Quelle: Zündlumpen #76, 7.10.2020; Entnommen am 22.09.2021 von https://zuendlumpen.noblogs.org/post/2020/10/05/fickt-euren-konsens/

Ist es dir schon einmal passiert, dass Personen in deiner Nähe dich fragen, ob es in Ordnung sei, wenn sie neben dir etwas essen, wenn sie ihr Oberteil ausziehen, wenn sie rauchen, usw.? Und ganz ehrlich, was hast du dir dann gedacht? Dachtest du: „Oh, das ist aber nett, dass du mich fragst, das finde ich sehr rücksichtsvoll von dir“, oder dachtest du eher „Du Opfer, kannst du nicht einmal essen/rauchen/entspannen, ohne dass du dafür das Einverständnis aller brauchst?!“ Auf die Gefahr hin, dass ich den folgenden Text spoilere: Wenn du dich aufrichtig über die Rücksichtnahme der fragenden Person gefreut hast, dann wird dir der folgende Text mit hoher Wahrscheinlichkeit gar nicht gefallen. Aber das ist doch kein Grund, die Lektüre hier abzubrechen, oder?

Zugegeben: Natürlich ist das Ganze kein Entweder-Oder. Ich habe kein Problem damit, wenn Menschen aufeinander Rücksicht nehmen, ich kann verstehen, dass in bestimmten Kontexten die Angst davor, etwas falsches zu tun, so bestimmend ist, dass die Frage um Erlaubnis weniger das Verlangen nach Zustimmung ausdrückt, sondern vielmehr ein Ausdruck der Unsicherheit ist und manchmal erkundige ich mich selbst bei anderen Menschen, ob sie mit bestimmten Handlungen gerade einverstanden sind oder nicht. Und doch habe ich zumindest in bestimmten Kontexten den Eindruck, dass vor lauter ritualisierter und sinnentleerter Rücksichtnahme aufeineinander eine Situation kreiert wird, in der strengere Regeln herrschen und Fehlverhalten schärfer sanktioniert wird, als in der übrigen Gesellschaft. Jaja, ich weiß, dass ich das sage muss daran liegen, dass ich in beinahe jeder Hinsicht privilegiert wäre und mir die Einsicht fehle, dass eine solche Stimmung notwendig ist, um sichere Räume für weniger Privilegierte zu schaffen, blablabla, alles langweilige und altbekannte Versuche vom Thema abzulenken. Und nur keine Sorge, Menschen wie ich meiden diese Räume meistens und stören nicht den Frieden eurer fantastischen Parallelwelt. Jede*r, wie es ihr*ihm gefällt. Wenn dieses ganze Polizieren aber von sich behauptet es wäre anarchistisch, wenn das ganze Wettgeeifere, wer der vorsichtigste Elefant im Porzellanladen ist, dazu dient, neue Autoritäten zu begründen und wenn alle, die dieses lächerliche Spiel nicht mitspielen wollen, zunehmend als eigentlich autoritär abgestempelt und auf die ein oder andere Art und Weise gezwungen werden sollen, sich den neuen Regeln des Opferdaseins zu unterwerfen, dann scheint es mir an der Zeit, die Illusion einer konfliktfreien Welt, in der es für alles einen Konsens gibt und geben müsse zu zerstören und beim Namen zu nennen: Sie ist nichts weiter als eine neue Form der Herrschaft.

Konsens. Das ist ein Wort mit vielen verschiedenen Bedeutungen. Allgemein meint es wohl das Einverständnis aller Beteiligten mit irgendetwas. Konsensuale Sexualität beispielsweise beschreibt eine Idealvorstellung von Sexualität, bei der immer sichergestellt wird, dass alle Beteiligten mit allen Handlungen einverstanden sind. Und auch wenn ich oft eher den Eindruck habe, dass Konsens in diesem Kontext ein Lippenbekenntnis ist, das vermeidet, sich damit auseinandersetzen zu müssen, dass es keine reine, konfliktfreie und rein positive Sexualität gibt, habe ich im Grunde nichts gegen Konsensuale Sexualität einzuwenden. Schließlich beschreibt Konsens hier das Einverständnis aller Beteiligten eines notwendigerweise willentlichen Akts der Interaktion. Aber das Prinzip Konsens wird häufig auch auf Situationen übertragen, in denen eine Interaktion zwischen Personen nicht notwendigerweise willentlich stattfindet. Wenn ich beispielsweise etwas essen oder rauchen oder mein Oberteil ausziehen oder – toppaktuell – keine Maske tragen möchte, sich in meiner Umgebung aber andere Personen befinden, die entsprechend sehen, hören und riechen, was ich tue und denen etwas davon missfallen könnte, so stellt dies einen Konflikt widerstreitender Bedürfnisse dar, bei denen es jedoch keinerlei Notwendigkeit gibt, diese in Einklang zu bringen. Es mag teilweise friedliche Lösungen für diese Konflikte geben, es mag etablierte Normen geben, die Lösungen für diese Konflikte vorschreiben bzw. vorsehen und es mag nett von mir sein, wenn ich meine Bereitschaft zeige, eine friedliche Lösung für diese Konflikte zu finden. Aber selbst wenn ich mich nicht an eine dieser Normen halte, wenn ich keine friedliche Lösung akzeptiere und keine Bereitschaft zeige eine solche zu finden, so übe ich durch mein Verhalten keinerlei Herrschaft [1] über andere Menschen aus. Wer aber umgekehrt der Meinung ist, es wäre meine Pflicht, auch in solchen Situationen einen Konsens zu finden und andernfalls das essen/rauchen/mich entkleiden zu unterlassen, die*der beweist doch umgekehrt, dass er*sie irgendein Bedürfnis dazu hat, andere Menschen zu zwingen nach seinen*ihren Vorstellungen zu handeln. Und während schon diese Konsensvorstellung letztlich nichts anderes als eine Regel beschreibt, bei der es in der Verantwortung des*der Regelbrecher*in liegt, sich um Legitimation für diesen Regelbruch zu bemühen, gibt es auch Situationen in denen der Begriff Konsens ganz unverblümt an die Stelle des Begriffs Verhaltenskodex tritt.

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Die russischen Kommunisten-Anarchisten – Nieder mit der Demokratie! Es lebe die Revolution!

AutorIn: Die russischen Kommunisten-Anarchisten
Titel: Nieder mit der Demokratie! Es lebe die Revolution!
Datum: 1905
Bemerkungen: Übersetzt aus: Anarquistas de Bialystok 1903-08.
Quelle: Entnommen am 15.09.2021 von https://zuendlumpen.noblogs.org/post/2021/09/05/nieder-mit-der-demokratie-es-lebe-die-revolution/

Im Jahr 1904 machte sich im russischen Reich eine aufständische Stimmung breit, welche im folgenden Jahr dann auch explodieren sollte. Zu dieser Zeit gab es in Bialystok, im heutigen Polen, eine kleine Gruppe Anarchist:innen, welche ihre Ideen in Flugblättern, Zeitungen und durch Angriffe auf Industrielle und Bullen artikulierten. Das unten übersetzte Flugblatt gilt als eines der ersten anarchistischen Flugblätter auf russisch, da anarchistische Propaganda zuvor fast ausschließlich durch Reden und in Diskussionen verbreitet wurde und erst zu diesem Zeitpunkt Anfang des 20. Jahrhunderts ein Großteil der Ausgebeuteten des Lesens mächtig war. So ist das folgende Flugblatt zu Lesen: Eine klare Analyse und ein dementsprechender Vorschlag wird in einfache Sprache verpackt.

Während die Bevölkerung zu jener Zeit noch unter dem absolutistischen Zarenreich lebte, machten die Anarchist:innen klar, dass auch die sich ankündigenden liberalen und demokratischen Reformen, welche 1905 tatsächlich in Kraft traten, nichts an der Ausbeutung und Unterdrückung der Massen verändern würden. Denn nur eine Revolution könne diese befreien. Dieser Gewissheit ist auch die Entschlossenheit geschuldet, mit welcher sich in den folgenden Monaten und Jahren Anarchist:innen und andere Revolutionär:innen an den Kämpfen und Revolten im russischen Reich beteiligten. In Folge der Ereignisse von 1905 kam es von St.Petersburg bis Warschau, von Odessa bist Riga, von Moskau bis nach Minsk zu etlichen bewaffneten Aufständen, die Staatsmacht wurde punktuell vertrieben, tausende Villen und Schlösser von Großgrundbesitzern abgefackelt, hunderte Bullen erschossen und etliche Banken enteignet. Fester Bestandteil dieses aufständischen Kampfes war eine klare und deutliche Propaganda und Analyse, einhergehend mit öffentlichen Diskussionen und dem Drucken, Schmuggeln und Verteilen von Zeitungen und Flugblättern. Viele junge Anarchist:innen ließen in jenen Monaten ihr Leben und Viele, welche diese Ereignisse überlebt hatten, landeten später in bolschewistischen Kerkern und Lagern.

Einiges, was die anarchistische Analyse von damals an Schärfe hatte, scheint heute verloren gegangen zu sein: Denn auch wenn die Gefährt:innen von damals noch keine Sekunde in einer Demokratie verbracht hatten, waren sie sich vollkommen bewusst darüber, dass diese nur die tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse verschleiern würde. „Nieder mit der Demokratie! Es lebe die Revolution!“ – war ihr Spruch, welcher im klaren Widerspruch zu irgendeinem evolutionären Modell zur Veränderung der Gesellschaft stand und steht. Heute, im Angesicht eines „Rechtsrucks“ der Regierungen und einer erstarkenden faschistischen Bewegung, scheinen viele Antiautoritäre die bestehende Gesellschaftsordnung vor einem Rückwärtslaufen der Geschichte bewahren zu wollen und so verpflichtet ihr antifaschistisches Bewusstsein sie nicht selten dazu den Gang zur Wahlurne anzutreten. Für uns kann das Wählen der eigenen Herrscher aber kein pragmatischer real-politischer Kompromiss sein. Auch im hier und jetzt wollen wir die in der Geschichte und auf der Welt zu jedem Moment präsente Möglichkeit bekräftigen, das System der Ausbeutung und Unterdrückung hinwegzufegen und gegen dieses anzukämpfen, um in Richtung eines Lebens ohne Beherrschung und Ausbeutung zu gehen.

Und was tun im Angesicht der faschistischen Drohung? Kämpfen, mit den gleichen Mitteln, mit den gleichen Idealen. Viele der oft jüdischen Anarchist:innen sahen sich 1905 im russischen Reich mit antisemitischen Pogromen konfrontiert und waren bereit ihre Freunde und Bekannte mit der Waffe in der Hand vor den Faschist:innen zu verteidigen. Eine revolutionäre Bewegung ist das beste Mittel gegen den Faschismus und sie macht den Faschist:innen UND den Demokrat:innen Angst – eine Bewegung, die sowohl alleine und verstreut, als auch koordiniert und kollektiv zur Tat schreiten kann.

Die Anarchistin Fanny Kaplan, welche bereits an den Aufständen 1905 aktiv teilnahm, entschied sich 1918 dazu den roten Diktator Lenin alleine umzubringen und verletzte diesen schließlich schwer durch drei Kugeln. Dieser Angriff hatte sicherlich seinen Anteil an Lenins frühem Ableben sechs Jahre später.

Scholem Schwarzbard, der 1919 die antisemitischen Pogrome in der Ukraine erlebte, entschloss sich 1926 dazu, den in die Pogrome involvierten nationalistischen Kommandanten Simon Petliura in seinem Exil in Paris zu rächen und erschoss diesen auf offener Straße. Beispiele wie diese gibt es unzählige in der anarchistischen Geschichte und alle zeigen sie: Faschist:innen und Tyrannen bekämpft man nicht in der Wahlkabine, sondern auf der Straße. Auch heute werden Treffpunkte von Faschist:innen und ihre Autos und Privathäuser attackiert, genauso wie die Firmen und Strukturen der Ausbeutenden und Regierenden.

Lassen wir uns nicht von den demokratischen Diskursen einlullen und besinnen uns auf das, was wir wollen: Eine soziale Revolution.

Die Demokratie

Das ganze liberale Russland ist aufgewühlt. Es richtet seine Augen nach oben in Richtung des neuen Ministers Sviatopolk. Von dort erwartet es Reformen, von dort hört man die Hymnen des Liberalismus… Man sagt, dass das Ende des autokratischen Zarentums naht, dass man bald frei sei, dass die Wissenschaft erblühen und das Volk sich von der Unterdrückung erholen würde. Einige, und zwar die Liberalen, werden das Monument der Nationalen Freiheit dekorieren, während sie gleichzeitig aufpassen werden, damit dasselbe sie mit einer riesigen polizeilichen Armee beschützt. Die anderen – die Sozialdemokraten und Sozialrevolutionäre – hyperventilieren vor Enthusiasmus und überzeugen die Arbeiter, dass die Demokratie eine ausgezeichnete Waffe für die folgende Arbeiterbefreiung ist. Deswegen freuen sich alle… Mit Leidenschaft machen sie sich an ihre heilige Arbeit – das demokratische Nest muss errichtet werden. Und die Sozialisten begleiten sie mit den sozialistischen Hymnen. Aber für euch, für die Arbeiterklasse – gibt es irgendeinen Grund zur Freude? Wäre es nicht gut darüber nachzudenken, was die Demokratie ist und was sie uns gibt und geben kann?

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Anonym – Bevölkerungskontrolle – Mithilfe digitaler Impf- und Gesundheitsbescheinigungen

AutorIn: Anonym
Titel: Bevölkerungskontrolle - Mithilfe digitaler Impf- und Gesundheitsbescheinigungen
Untertitel: Von Volkszählungen, gelben Scheinen, Hollerith-Lochkarten, ID2020, Social Scoring und mehr
Datum: August 2021
Quelle: Entommen am 23.08.2021 von https://giftschrank.noblogs.org/post/2021/08/22/bevoelkerungskontrolle/

Ohne großes Aufhebens wurde in Deutschland, in Europa sowie in einigen Metropolen weltweit ein digitaler Impfnachweis für Immunisierungsimpfungen gegen Corona eingeführt. Während die digitalen Nachweise bislang vor allem als ergänzende Insellösungen neben dem bereits seit Jahrzehnten verbreiteten analogen Impfpass existieren, arbeitet die WHO, die Weltgesundheitsorganisation, daran, eine internationale Variante des digitalen Impfnachweises zu entwickeln. Der Vorschlag, die im Impfpass festgehaltenen Daten digital verfügbar zu machen ist dabei nicht neu. Seit Jahren experimentieren Philantropenorganisationen wie die GAVI in vorrangig kolonialen Feldversuchen damit, Gesundheitsdaten von Bevölkerungen einheitlich und flächendeckend zu erfassen und mithilfe digitaler Technologien verwaltbar zu machen. Dabei sind es die von genau jenen Institutionen erarbeiteten Vorschläge, die nun beim deutschen CovPass, beim Grünen Pass in Israel, in Großbritannien, beim EU-Standard des Grünen Digitalen Zertifikats und anderswo auf der Welt zur Umsetzung kommen. Dass es dabei selbstverständlich nicht darum geht, irgendein Interesse des Individuums zu befriedigen, liegt auf der Hand. Wo immer der Staat eingreift und durch die Herausgabe von Papieren beabsichtigt, seine Bevölkerung nach irgendwelchen Kriterien zu klassifizieren und zu kategorisieren, lässt sich ein Interesse an der Verwaltung der Bevölkerung zu einem bestimmten Zweck erkennen. Ob es nun die steuerliche Erfassung, die Rekrutierung einer Armee, die Erfassung der Bevölkerung in Vorbereitung eines Genozids oder eben die gesundheitspolitische Verwaltung einer Bevölkerung ist, wann immer der Staat – oder eine seiner Institutionen, bei denen es sich auch um private-public-Partnerships handeln kann – seine Bürger*innen zählt, sollten bei uns die Alarmglocken läuten.

Aber ist denn der digitale Impfnachweis überhaupt eine solche Zählung? Handelt es sich dabei nicht vielmehr um eine digitalisierte Fassung des bereits verbreiteten Impfpasses? Wird nicht mit der Tatsache, dass die Daten dezentral und ausschließlich beim jeweiligen Träger des digitalen Impfnachweises gespeichert sind, bewiesen, dass es ausschließliche Absicht dieses Dokuments ist, den Nachweis einer Impfung für die Bevölkerung zu erleichtern und entsprechende Kontrollen zu beschleunigen? Nun, das mag gewissermaßen tatsächlich so sein, allerdings muss das vor dem Hintergrund der modernen technologischen Möglichkeiten betrachtet werden, vor dem Hintergrund einer zunehmend kybernetischeren Verwaltung der Menschen, die es längst nicht mehr erforderlich macht, gigantische Datenbanken aufzubauen, in denen alles und jeder erfasst wird – was nicht bedeutet, dass solche Datenbanken nicht auch weiterhin gepflegt werden würden –, sondern die auch mit dezentral vorhandenen Datenbeständen ganz gut zurecht kommt. Und abgesehen davon ändert es doch ohnehin nichts an der Tatsache, dass bereits der verbreitete Impfpass ein Dokument ist, das immer schon der Verwaltung der Menschen diente und seine Digitalisierung diesen gesundheitlichen Aspekt der Verwaltung eben nur weiter in den Mittelpunkt rückt.

Ausgehend von einem historischen Abriss über die Erfassung von Menschen im Rahmen staatlicher Kontrolle und einigen ihrer dramatischen Auswirkungen, soll im folgenden Text beleuchtet werden, welcher Art von Kontrolle der digitalisierte Impfpass dient, welche Auswirkungen entsprechende Feldversuche auf die Möglichkeiten der Verwaltung der Bevölkerung hatten, welche Pläne verschiedene Akteur*innen mit diesem Schritt verfolgen könnten und wie wir diesen, ebenso wie allen übrigen Formen der uns umgebenden Verwaltung und Kontrolle erfolgreich entgegentreten könnten.

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Wenn die Herrscher*innen der Vergangenheit und Gegenwart zur Umsetzung irgendeines ihrer neuen Pläne bestimmte Informationen über ihre Untergebenen benötigten, die nicht bereits in irgendeiner Kartei oder Datenbank, auf einer Stein- oder Tontafel, in Registern oder sonstwo zu finden waren, dann waren und sind sie bislang gezwungen gewesen, jedes einzelne ihrer Subjekte an eine entsprechende behördliche Stelle zu zitieren und es dort entweder selbst zu vermessen, zu bewerten, zu schätzen oder es hinsichtlich der Information von Interesse auszufragen. Man erahnt leicht, welche Anstrengung ein solches Unterfangen beinhaltet. Während frühe, vorstaatliche Patriarchen, die von Zeit zu Zeit ihre Söhne gezählt und in einer geeigneten Erbfolge arrangiert, ihre Töchter zu ihrem Alter befragt und danach bemessen, welche Versippungsbande ihnen ihre Heirat einbringen mag und manchmal vielleicht auch ihre Frauen gemäß des Nutzens, den sie ihnen beschert haben, hierarchisiert haben und dabei einen oder höchstens mehrere Tage beschäftigt gewesen sein mögen, ist davon auszugehen, dass selbst die ersten Lugals (eine Art früher König im antiken Mesopotamien) mit einer solchen Aufgabe alleine heillos überfordert gewesen sein müssen. Ohne die Entwicklung von Schrift hätten sie sich ja nicht einmal merken können, wer ihnen Tribut “schulde” und in welchem Umfang. Sie benötigen zur Erfassung entsprechender Informationen über ihre Untertanen spezielle Beamte, die diese Informationen erfragen, ermitteln oder schätzen und sie entsprechend aufbereitet und untereinander vereinheitlicht, ihrem Auftraggeber präsentieren.

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Alexej Borowoj – Die Sozialphilosophie des revolutionären Syndikalismus

AutorIn: Alexej Borowoj
Titel: Die Sozialphilosophie des revolutionären Syndikalismus
Datum: (geschrieben Anfang des 20. Jh.)
Quelle: Entnommen am 21.08.2021 von https://liberadio.noblogs.org/?p=137

Bekam der Rationalismus auf dem Feld der abstrakten Arbeit heute den stärksten Schlag von Philosophie Bergsons, so wurde im Praktischen der Syndikalismus zu seinem erbittertesten Feind. Dieser hat die dogmatischen Fesseln der Parteien und Programme abgestreift und ist von der Symbolik der Repräsentation zur selbstständigen Arbeit übergegangen.

In der Bestimmung der Charakteristik des revolutionären Syndikalismus sollte mensch [aber] vorsichtig sein.

Um die Natur [des Syndikalismus] richtig einzuschätzen, muss mensch sich die tiefe Kluft zwischen dem Syndikalismus als eine Form der Arbeiterbewegung, die über eine proletarische Klassenorganisation verfügt, und dem [Syndikalismus] als der (einer?) “neuen Schule” des Sozialismus, dem “Neomarxismus”, welcher eine theoretische Weltanschauung darstellt, die auf den Fundament der kritischen Reflexion über den Arbeitersyndikalismus gewachsen ist, unterscheiden.

Das sind zwei verschiedene Welten, die voneinander unabhängig existieren; dieser Umstand wird allerdings von Forschern und Kritikern des Syndikalismus immer noch nicht ausreichend beachtet.

An dieser Stelle soll uns nur der “proletarische Syndikalismus” interessieren.

Seine Entwicklung baute auf folgenden Hauptprinzipien auf:

a) der Primat der Bewegung vor der Ideologie;

b) Freiheit der schöpferischen Selbstbehauptung der Klasse;

c) Autonomie des Individuums in der Klassenorganisation.

Alle Gedankengebäude des Marxismus fußten auf der Überzeugung, dass es möglich sei, allgemeine, d.h. abstrakte Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung zu erkennen und daraus folgernd soziologische Prognosen aufstellen.

Der Syndikalismus ist gemäß seiner Natur der vollkommene Verzicht auf jegliches soziologische Rezept. Der Syndikalismus ist eine unendlich fließende Schöpfung, die sich nicht im Rahmen einer absoluten Theorie oder einer vorbestimmten Methode einengen lässt. Der Syndikalismus ist eine Bewegung, die seine weitere Entwicklung bestimmenden und seine Richtung diktierende Stimuli in sich selbst sucht und findet; nicht die Theorie beherrscht die Bewegung, sondern Theorien werden in ihm geboren und sterben auch ebenda.

Der Syndikalismus ist ein Prozess unaufhörlicher Entfaltung proletarischen Selbstbewusstseins. Er zwingt seinen Anhängern keine unveränderlichen Losungen auf, vielmehr lässt er ihnen einen genauso großen Spielraum für freie positive Schöpfung ebenso wie für freie zerstörerische Kritik. Er kennt keine “verba magistri“, auf die zumindest proletarische politische Parteien schwören. Im Gegensatz zum genanntem Parteikatechismus, der, “zuvorkommend” wie er ist, auf jede Frage, die bei seinen Gläubigen auch nur entstehen könnten, bereits eine Antwort parat hält, pulsiert im Syndikalismus wütende Lebensfreude, die bereit ist, mit allen Waffen jede Frage zu beantworten, es dabei jedoch vermeidet, sich in schwerfällige dogmatische Rüstung[en] zu kleiden. In einer politischen Partei ist der Proletarier ein Ausführender, der an parteiliche Formalitäten, Berechnungen, Intrigen gebunden ist; im Syndikalismus ist er ein Schöpfer, dessen Wille von niemandem bestritten wird.

Die schwächste Stelle des “orthodoxen” Marxismus besteht in dem schreienden Widerspruch zwischen dem “revolutionärem” in Bezug auf seine Endziele und dem friedlichen, reformistischen Charakter seiner “Bewegung”, zwischen strengen Forderungen eines unversöhnliches “Klassenkampfes” und dessen praktische Unterordnung unter parlamentarischer Parteipolitik.

Diesen leidlichen, den eigentlichen Sinn der Bewegung in Verruf bringenden Widerspruch gibt es im Syndikalismus nicht, es kann ihn nicht geben. Denn dieser wird in der proletarischen Umgebung – unter den Produzenten – gebrochen; Bewegung und Ziel fließen zusammen, weil sie von derselben Natur sind. Die “Bewegung” ist genauso revolutionär wie das “Ziel”. Letzterer bedeutet die Zerstörung der aktuellen Klassengesellschaft mit ihrem System der Lohnarbeit, die mit allen Formen des staatlich-kapitalistischen Parasitismus den Geist der Klassenfeindschaft diktiert. So ist das Endziel des Syndikalismus gleichzeitig auch die wirkliche Losung eines jeden getrennten Moments seiner Bewegung.

Von Standpunkt des Syndikalismus aus gesehen, ist die Zukunft ein Produkt einer Schöpfung, eines komplexen, für Berechnungen unzugänglichen Prozesses, welcher durch einschließende Faktoren modifiziert wird, und dies in einer Art und Weise tut, die manchmal radikal die Umwelt verändert, in der gerade ein Schöpfungsakt stattfindet. Diese Zukunft zu kennen, wie es orthodoxe Konsumenten von Parteimanifesten es meinen zu tun, ist unmöglich. Umgekehrt verbirgt sich unter der angeblich realistischen Oberfläche parteiischer und parlamentarischer Weisheit des Reformismus, ein uferloser Utopismus, ein Glaube, dass es mit wörtlichen Überzeugungen und partiellen Experimenten möglich sei, ein komplexes, tief in unserer Psyche wurzelndes System zu überwinden.

Aber es ist möglich, zu wünschen, die Gegenwart zu verändern und die Zukunft entsprechend dem Willen aufzubauen, der unmittelbar in realen, lebendigen Formen der Produzentenorganisation zusammenfließt – in den Klassenorganisationen.

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Anonym – Sehen Sie her, ich bin geimpft

AutorIn: Anonym
Titel: Sehen Sie her, ich bin geimpft
Datum: 15.06.2021
Quelle: Entnommen aus Kurzschluss, Nr. 4, 15.06.2021, Bielefeld.

Ausweise ermöglichen die effizientere Kontrolle und Verwaltung der mit ihnen erfassten Bevölkerung – egal ob sie die Identität einer Person feststellen sollen... oder auch Gesundheitsdaten der Menschen erfassen sollen, wie beispielsweise der „Gelbe Schein“ für Prostituierte im zaristischen Russland oder der von der WHO herausgegebene gelbe Impfausweis... oder auch der Dokumentation von zusätzlichen Daten dienen, wie die von der GAVI und ID2020 in Bangladesch getesteten, digitalisierten Ausweise mit Impfdaten. Und je effizienter dabei auf die vorhandenen Daten zugegriffen werden kann, je besser deren Richtigkeit im Sinne der ausstellenden Behörden kontrolliert werden kann, je flächendeckender diese Kontrollen stattfinden, desto wirksamer funktioniert diese Verwaltung. Digitalisierung und die maschinelle Auswertbarkeit dieser Daten im Allgemeinen erhöht diese Effizienz heute ebenso wie damals, zu Beginn des letzten Jahrhunderts, als Volkszählungen mithilfe von Lochkartensystemen nicht nur beschleunigt wurden, sondern auch völlig neue Möglichkeiten der Auswertung der dabei erfassten Daten schufen.

Vor diesem Hintergrund kann auch die Einführung des hiesigen digitalen Impfausweises CovPass begriffen werden. Und nur vor diesem Hintergrund macht er Sinn. Denn entgegen anderslautenden propagandistischen Behauptungen kann der digitale Impfausweis selbstverständlich ebenso verloren gehen wie der analoge, und er bietet auch ansonsten keinerlei Vorteile – was nicht bedeuten soll, dass nicht auch sein analoger Vorgänger ein Instrument zur Bevölkerungskontrolle ist. Sinn dieses digitalen Impfausweises ist, eine einheitliche Kontrollierbarkeit des darin gespeicherten Zustands (geimpft) zu schaffen und damit die Kontrolldichte zu vergrößern. Kein mühsames händisches Abgleichen der Impfpassdaten mehr, keine Fälschungen mehr – zumindest konzeptionell, usw. Einfach den Barcode des digitalen Impfausweises scannen, schon entscheidet ein grüner oder roter Bildschirm über den Zugang zu Veranstaltungen, Gebäuden, Verkehrsmitteln, über die Ein- und Ausreise, usw. Praktisch, nicht wahr? Warum nicht gleich überall kontrollieren, dass nur diejenigen mit grünem digitalen Passierschein Einlass gewährt bekommen? Und überhaupt: Warum das Ganze auf die Frage des Geimpftseins beschränken? Könnte man nicht auch gleich die übrigen Dimensionen des in China erfolgreich eingesetzten Social Scoring-Systems übernehmen? Wer will schon neben einem Straftäter in der U-Bahn sitzen? Wer will zukünftig Party machen mit Leuten, die als Coronaleugner gelten? Wer will mit einem Juden reisen, oder mit einem Schwarzen? Hoppla. Nein, solche Dinge sollten vielleicht lieber nicht erfasst und kontrolliert werden …

Oder vielleicht doch? Wenn es doch gar nicht zentral gespeichert ist, sondern nur auf dem Gerät der jeweiligen Person? Das ist doch etwas anderes als die Hollerith-Lochkarten, etwas anderes als staatliche Datenbanken, die missbraucht werden können. Das ist doch ... richtig, die kybernetische Variante der Identität, bei der eine zentrale Datenbank über diese Daten völlig unnötig ist, weil die Daten auch bei jeder der tagtäglich hunderten Kontrollen der Menschen erfasst und ausgewertet werden können. Raffinierter, subtiler und womöglich genauer und effizienter als alle bisherigen Erfassungssysteme.

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