Original aus Anarchist Library, die Übersetzung ist von uns.
In einem kurzen Moment der Erleuchtung hatten wir quasi die perfekte Einleitung, doch aufgrund alltäglicher Umstände ging der Faden des Gedankens für die Einleitung dieses Textes verloren. Wir fragten uns selbst und alle die wir kennen, wie und unter welchen Prämissen die Postmoderne definiert werden kann. So viele Ausgangspunkte und doch lassen sie alle was aus. Die Postmoderne erfasst künstlerische, architektonische, ästhetische, philosophische und weitere Fragen auf, die miteinander verknüpft sind, doch es nicht sein müssen. Nicht ohne Grund wird behauptet dass das erste Postmoderne literarische Werk Lewis Carroll´s „Alice im Wunderland“ sei. Oder das erste welches sehr starke Elemente der Postmoderne in sich tragen würde. Der ständige Wandel und Nicht-Sinn der Sprache und des Bildes, der Bruch mit allen Gesetzen der Natur, usw., nicht mehr die Geschehnisse sind von Bedeutung, sondern die Schilderung der Bilder, der Symbole, das Bild erzählt nur noch. Daher, ähnlich wie im Falle des Faschismus, handelt es sich hier um einen Begriff der von sich aus viele Merkmale vorweißt, die sich auch untereinander widersprechen, jedes Mal wenn man es zu festhalten denkt, entgleitet es aus den Händen wie nasse Seife. Dies ist nicht nur ein typischer Merkmal der Postmoderne, sondern sie besteht auf ihr undefinierbares Sein, im ontologischen Sinne sozusagen.
Aber welcher ist ihr Ursprung, welches ist der Grund für diese philosophische Schule die an sich nur Müll ist? Die so viele Diskurse und Debatten vereinnahmt und dominiert, wobei in den meisten Fällen ist dies vielen nicht mal bewusst, dass es so ist. Die Postmoderne ist eine Ideologie der Niederlage. Viele ihrer Apologeten waren ehemalige Marxisten oder Kommunisten, die eines Tages aufgewacht sind, so gegen Ende er 1970er und feststellten dass was sie jahrelang verteidigt hatten, wir reden hier über die UdSSR, auf Terror, Gulags, Massenerschießungen, etc, also eigentlich nichts was mit der Grundidee des Kommunismus was gemein hat, aufgebaut wurde. Nicht wenige von ihnen, allesamt aus Frankreich, kamen aus sogenannten Gruppen der Ultra-Gauche, wie Socialisme o Barbarie, wie Lyotard und Castoriadis, wobei letzter einen anderen ZigZag-Kurs einschlug. Die Überwindung des Kapitalismus würde also eine noch viel grausamere Gesellschaft hervorbringen, jene die sich aber auf die philosophischen Schulen der Vernunft, der Aufklärung, die sogenannten Meta-Erzählungen usw. stützte, die die Welt des Metaphysischen, von Gott und durch Gott, hinter sich lassen würde, die Industrialisierung würde dies sogar noch richtig schnell beschleunigen.
Da der Kapitalismus nicht mehr zu zerstören galt, wendete man sich anderen Fragen die der Herrschaft des Kapitals nicht nur in die Hände spielten, sondern dieser eine neue Legitimation gab. Der Mensch hatte nun endlich, vorausgesetzt man lebt in den entwickeltesten kapitalistischen Staaten auf dieser Welt, alle Möglichkeiten, dank der Technologien, sich komplett neu zu definieren, denn da die Probleme des Menschen, oder Subjektes, nicht mehr die objektive Realität ist, also die Schilderung, sondern nur die Bildes dieser, oder das Subjekt, musste dieser sich wie Haufen von Legosteinen zerlegen – dekonstruieren – und das werden was er wollte, wenn man auch meistens vergisst, dass der Kapitalismus die entfremdeten Voraussetzung dieser neuen Zusammensetzung definiert.
Wenn wir daher an die Ideologie, die in sich durch mehrere Ideologien manifestiert, denn sie vereinnahmt ja viele, der Postmoderne denken, stellen wir uns ein Werkzeug vor, welches keins ist, welches nicht dazu dient, wozu es gedacht worden ist, wie ein Dreikantschlüssel der von sich selbst behauptet, er sei keiner, er liest sich selbst anders, aber der dazu gut ist um Pflanzen mit verdampften Wasser zu begießen, um ihr Dasein als eine Farbe im umgedrehten Regenbogen der Sinne erleuchten wird, der aber in Wirklichkeit für Spielen gedacht war. Alles wird nur noch auf die verinnerlichten Vorstellungen reduziert, da es keine objektiven Wahrheiten mehr gibt, kann jeder für sich seine eigene erschaffen, es gibt kein richtig oder falsch (Kategorien die wir im moralischen Sinne wie sie meistens verwendet werden ablehnen) mehr, sondern nur noch eine unendliche Anzahl an Schilderungen/Erzählungen die alle denselben Wert haben. Also eine Welt der falschen Konfrontation, der falschen Kritiker und Kritikerinnen und des ewigen sozialen Friedens des Kapitals, welches auf Bergen toter Menschen und der Vernichtung des Lebens auf diesem Planeten aufgebaut ist. Wir verwenden hier absichtlich den Begriff des Falschen, weil in diesem Fall wollen wir den Schleier einer Konfrontation, die keine ist, enthüllen. Wenn wir sagen, dass wir gegen Staat, Kapital und Patriarchat sind, machen wir dies nicht weil wir der Meinung sind, sie wären falsch, im Sinne es handelt sich hier um was böses, was in diesem Sinne eine moralische Haltung wäre, sondern wir sind gegen alle drei aufgrund ihrer historischen Entwicklung und der Imperative die sie inne halten müssen.
„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt drauf an, sie zu verändern.“ Marx, Thesen über Feuerbach
Dies sagte Marx sehr treffend in seinen „Thesen über Feuerbach“, die Postmoderne tut gar nichts davon, ihre Interpretation der Welt ist genauso falsch wie ihr angeblicher Versuch sie zu ändern. Sie hat die Aufgabe das Undefinierbare, denn für sie gibt es keine allgemeine Realität mehr, in tausend Puzzleteile auseinanderzunehmen um daraus nichts zu machen. Alles ist nicht mehr, was es scheint und was nicht mehr ist, scheint was zu sein. Wir stehen vor einer Achterbahn die gleichzeitig eine Mischung von geistiger Akrobatik und Jonglieren ist, die aber nicht die Absicht hat irgendwas sein zu wollen bzw. was zu ändern. Die Postmoderne will die Welt nicht verändern und ihre Interpretation, also die der unendlichen vielen Realitäten, ist nur ein Labyrinth aus dem kein Entrinnen ist. Wörter meinen nicht, was sie bedeuten, nichts ist mehr, weil mehr ist nichts, die Waffen der Kritik sind nutzlos und waren es noch nie so sehr. Im Allgemeinen kann mit aller Sicherheit gesagt werden, dass es sich hier um eine Ideologie der Konterrevolution handelt, da sie ihren Ursprung in der Niederlage hat, fast all ihre Apologeten haben der Idee einer klassenlosen Gesellschaft und einer sozialen Revolution den Rücken zu gewandt, die Postmoderne hat für sich erkannt, dass es kein Entrinnen aus dem jetzt gibt, dass jeder Versuch die Welt des Kapitals zu zerstören nur eine noch schlimmere Welt hervorbringen wird. Wo klar ist, dass die Welt des Kapitals nur Tod und Zerstörung hervorbringt. Und doch empfinden viele die Postmoderne als ein Instrument der Befreiung, zumindest der individuellen im Sinne der Bourgeoisie. Als das einzige Instrument/Werkzeug um diese zeitgenössische Epoche zu verstehen. Desto komplexer, undurchsichtiger, atomisierter, als desto mehr sich aus dem Kapitalismus heraus die sozialen Imperative entwickeln, die dieser verschärft, desto freier wird der Mensch sein, so die Postmoderne, erst wenn wir ein Teil der flüssigen Gesellschaft (Zygmunt Baumann) sind, desto freier werden wir sein. Erst der Blick vor dem Abgrund lässt einen weiten Blick ins Nichts zu. Im Sinne der Postmoderne kann die Freiheit nur noch als die Perversion der Freiheit im Sinne der Bourgeoisie im Kapitalismus sein, wir sind nur noch frei, um ausgebeutet zu werden. Aber all dies spielt keine Rolle mehr, weil wir dank des Postmodernismus sein können, wer wir wollen. Mit diesem Text fangen wir mit einer Reihe an Texten an, die sich in Form der Kritik mit dem Postmodernismus auseinandersetzen und logischerweise angreifen. Wir leben in einer Gesellschaft, die in Klassen aufgeteilt ist, sowie die herrschende Klasse alles tun wird um dies zu verewigen, lässt sich leicht erkennen, dass das Verhältnis zwischen diesen nur unversöhnlich ist, die Zerstörung des Kapitals wird von praktischer Natur sein.
„Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme – ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit, i.e. die Wirklichkeit und Macht, Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit des Denkens – das von der Praxis isoliert ist – ist eine rein scholastische Frage.“ Karl Marx, Thesen über Feuerbach
Soligruppe für Gefangene
PS: danke an alle die nur mit so guten Ratschlägen und Tipps für diese Einleitung geholfen haben.
John Zerzan, Die Katastrophe des Postmodernismus
Madonna, „Are We Having Fun Yet?“, Boulevardzeitungen, Milli Vanilli, virtuelle Realität, „shop ‚till you drop“, PeeWee’s Big Adventure, New Age/Computer-“Empowerment“, Mega-Malls, Talking Heads, Comic-Filme, „grüner“ Konsum. Eine Anhäufung des entschieden Oberflächlichen und Zynischen. Toyota-Werbung: „Neue Werte: Sparen, Fürsorge – all das Zeug“; Details-Magazin: „Style Matters“; „Warum warum fragen? Probier’s mal mit Bud Dry“; endloses Fernsehen, das sich darüber lustig macht. Inkohärenz, Fragmentierung, Relativismus – bis hin zur Demontage (A.d.Ü., zerlegen) des Begriffs der Bedeutung selbst (weil die Rationalität so schlecht war?); Umarmung des Marginalen, während man ignoriert, wie leicht Marginales in Mode kommt. „Der Tod des Subjekts“ und „die Krise der Repräsentation“.
Die Postmoderne. Ursprünglich ein Thema innerhalb der Ästhetik, hat sie laut Ernesto Laclau „immer weitere Bereiche“ kolonisiert, „bis sie zum neuen Horizont unserer kulturellen, philosophischen und politischen Erfahrung geworden ist.“ „Die wachsende Überzeugung“, so Richard Kearney, „dass die menschliche Kultur, wie wir sie kannten… nun ihr Ende erreicht“. Sie ist, vor allem in den USA, der Schnittpunkt zwischen poststrukturalistischer Philosophie und einer weitaus umfassenderen gesellschaftlichen Situation: sowohl ein spezialisiertes Ethos als auch, was noch viel wichtiger ist, die Ankunft dessen, was die moderne Industriegesellschaft angekündigt hat. Postmoderne ist Zeitgenossenschaft, ein Morast aufgeschobener Lösungen auf allen Ebenen, mit Mehrdeutigkeit, der Weigerung, über Ursprung oder Ende nachzudenken, sowie der Verweigerung oppositioneller Ansätze, der „neue Realismus“. Da sie nichts bedeutet und nirgendwohin führt, ist pm [die Postmoderne] ein umgekehrter Millenarismus, eine zusammenlaufende Frucht des technologischen „Lebens“-Systems des universellen Kapitals. Es ist kein Zufall, dass die Carnegie-Mellon-Universität, die in den 80er Jahren als erste vorschrieb, dass alle Studenten mit Computern ausgestattet sein müssen, „den ersten poststrukturalistischen Studienplan der Nation“ einführt.
Konsumnarzissmus und ein kosmisches „Wo ist der Unterschied?“ markieren das Ende der Philosophie als solcher und das Entstehen einer Landschaft, so Kroker und Cook, „des Zerfalls und Verfalls vor dem Hintergrund von Parodie, Kitsch und Burnout“. Henry Kariel kommt zu dem Schluss, dass „es für die Postmodernen einfach zu spät ist, sich der Dynamik der Industriegesellschaft zu widersetzen.“ Oberfläche, Neuheit, Kontingenz – es gibt keine Gründe für die Kritik an unserer Krise. Wenn der repräsentative Postmodernist sich gegen zusammenfassbare Schlussfolgerungen wehrt, zugunsten eines angeblichen Pluralismus und einer Offenheit der Perspektive, dann ist es auch vernünftig (wenn man dieses Wort verwenden darf), vorauszusagen, dass wir nicht mehr wissen, wie wir es sagen sollen, wenn wir in einer völlig neuen Kultur leben.
Das Primat der Sprache & das Ende des Subjekts
Was das systematische Denken betrifft, so ist die zunehmende Beschäftigung mit der Sprache ein Schlüsselfaktor, der das pm-Klima der Verengung und des Rückzugs erklärt. Der so genannte „Abstieg in die Sprache“ oder die „linguistische Wende“ hat die postmoderne und poststrukturalistische Annahme hervorgebracht, dass die Sprache die menschliche Welt konstituiert und die menschliche Welt die ganze Welt konstituiert. Während des größten Teils dieses Jahrhunderts rückte die Sprache in der Philosophie in den Mittelpunkt, und zwar bei so unterschiedlichen Persönlichkeiten wie Wittgenstein, Quine, Heidegger und Gadamer, während die wachsende Aufmerksamkeit für die Kommunikationstheorie, die Linguistik, die Kybernetik und die Computersprachen einen ähnlichen Schwerpunkt über mehrere Jahrzehnte hinweg in Wissenschaft und Technik erkennen lässt. Diese sehr ausgeprägte Hinwendung zur Sprache selbst wurde von Foucault als „entscheidender Sprung zu einer völlig neuen Form des Denkens“ gewürdigt. Weniger positiv lässt sie sich zumindest teilweise mit dem Pessimismus nach dem Abklingen des oppositionellen Moments der 60er Jahre erklären. Die 70er Jahre waren Zeuge eines beunruhigenden Rückzugs in das, was Edward Said das „Labyrinth der Textualität“ nannte, im Gegensatz zu den bisweilen aufrührerischen intellektuellen Aktivitäten der vorangegangenen Periode.
Vielleicht ist es nicht paradox, dass „der Fetisch des Textuellen“, wie Ben Agger urteilte, „in einem Zeitalter lockt, in dem die Intellektuellen ihrer Worte beraubt sind“. Die Sprache wird mehr und mehr entwertet, sie verliert an Bedeutung, vor allem im öffentlichen Gebrauch. Man kann sich nicht einmal mehr auf Worte verlassen, und das ist Teil einer größeren Anti-Theorie-Strömung, hinter der eine viel größere Niederlage steht als in den 60er Jahren: die des gesamten Zuges der aufklärerischen Rationalität. Wir haben uns auf die Sprache als vermeintlich solide und transparente Dienerin der Vernunft verlassen, und wo hat sie uns hingebracht? Auschwitz, Hiroshima, massenhaftes psychisches Elend, drohende Zerstörung des Planeten, um nur einige zu nennen. Das ist die Postmoderne mit ihren scheinbar bizarren und fragmentarischen Wendungen und Verdrehungen. Edith Wyschograds Saints and Postmodernism (1990) bezeugt nicht nur die Allgegenwärtigkeit des pm-“Ansatzes“ – es gibt offenbar keine Bereiche, die sich ihm entziehen -, sondern kommentiert auch die neue Richtung treffend: „Die Postmoderne als ‚philosophischer‘ und ‚literarischer‘ Diskursstil kann sich nicht einfach auf die Techniken der Vernunft berufen, die ihrerseits Instrumente der Theorie sind, sondern muss neue und notwendigerweise geheimnisvolle Mittel erfinden, um die Vernunftheorien zu untergraben.“
Der unmittelbare Vorläufer des Postmodernismus/Poststrukturalismus, der in den 50er Jahren und in weiten Teilen der 60er Jahre herrschte, war um die zentrale Bedeutung herum organisiert, die er dem sprachlichen Modell beimaß. Der Strukturalismus ging von der Prämisse aus, dass die Sprache unser einziges Mittel ist, um Zugang zur Welt der Objekte und Erfahrungen zu erhalten, und dass sich die Bedeutung ausschließlich aus dem Spiel der Unterschiede innerhalb der kulturellen Zeichensysteme ergibt. Levi-Strauss beispielsweise vertrat die Ansicht, dass der Schlüssel zur Anthropologie in der Aufdeckung unbewusster sozialer Gesetze (z. B. derjenigen, die Ehebeziehungen und Verwandtschaft regeln) liegt, die wie die Sprache strukturiert sind. Es war der Schweizer Linguist Saussure, der in einem für die Postmoderne sehr einflussreichen Ansatz betonte, dass die Bedeutung nicht in der Beziehung zwischen einer Äußerung und dem, worauf sie sich bezieht, liegt, sondern in der Beziehung der Zeichen zueinander. Dieser Saussur’sche Glaube an die geschlossene, selbstreferentielle Natur der Sprache impliziert, dass alles in der Sprache determiniert ist, was dazu führt, dass so kuriose Begriffe wie Entfremdung, Ideologie, Unterdrückung usw. über Bord geworfen werden und dass Sprache und Bewusstsein praktisch dasselbe sind.
Auf diesem Weg, der die Sichtweise der Sprache als äußeres Mittel des Bewusstseins ablehnt, erscheint der ebenfalls sehr einflussreiche Neo-Freudianer Jacques Lacan. Für Lacan ist nicht nur das Bewusstsein durch und durch von der Sprache durchdrungen und ohne eigene Existenz außerhalb der Sprache, auch das „Unbewusste ist wie eine Sprache strukturiert“.
Schon frühere Denker, vor allem Nietzsche und Heidegger, hatten angedeutet, dass eine andere Sprache oder ein verändertes Verhältnis zur Sprache neue und wichtige Einsichten bringen könnte. Mit der linguistischen Wende der neueren Zeit gerät sogar das Konzept eines denkenden Individuums als Grundlage der Erkenntnis ins Wanken. Saussure entdeckte, dass „die Sprache nicht eine Funktion des sprechenden Subjekts ist“, wobei das Primat der Sprache denjenigen verdrängt, der ihr eine Stimme verleiht. Roland Barthes, dessen Laufbahn die strukturalistische und die poststrukturalistische Periode verbindet, entschied: „Es ist die Sprache, die spricht, nicht der Autor“, was mit Althussers Feststellung einhergeht, dass die Geschichte „ein Prozess ohne Subjekt“ ist.
Wenn das Subjekt als eine wesentliche Funktion der Sprache betrachtet wird, rückt ihre erstickende Vermittlung und die der symbolischen Ordnung im Allgemeinen ganz oben auf die Tagesordnung. So versucht die Postmoderne, das, was jenseits der Sprache liegt, zu kommunizieren, „das Undarstellbare darzustellen“. Angesichts des radikalen Zweifels an der Verfügbarkeit eines Referenzpunktes in der Welt außerhalb der Sprache verschwindet das Reale aus der Betrachtung. Jacques Derrida, die Schlüsselfigur des postmodernen Ethos, geht davon aus, dass die Verbindung zwischen Worten und der Welt willkürlich ist. Die Objektwelt spielt für ihn keine Rolle. Die Erschöpfung der Moderne und der Aufstieg der Postmoderne bevor ich mich Derrida zuwende, noch ein paar Bemerkungen zu den Vorläufern und dem allgemeinen Kulturwandel. Die Postmoderne wirft Fragen zu Kommunikation und Bedeutung auf, so dass beispielsweise die Kategorie des Ästhetischen problematisch wird. In der Moderne mit ihrem sonnigeren Glauben an die Repräsentation versprachen Kunst und Literatur zumindest eine Vision der Erfüllung oder des Verstehens. Bis zum Ende der Moderne galt die „Hochkultur“ als Hort moralischer und geistiger Weisheit. Jetzt scheint es keinen solchen Glauben mehr zu geben, und die Allgegenwart der Frage nach der Sprache verrät vielleicht die Leere, die durch das Versagen anderer Kandidaten für vielversprechende Ausgangspunkte der menschlichen Vorstellungskraft entstanden ist. In den 60er Jahren scheint die Moderne das Ende ihrer Entwicklung erreicht zu haben, der strenge Kanon ihrer Malerei (z.B. Rothko, Reinhardt) weicht der unkritischen Übernahme der kommerziellen Sprache der Konsumkultur durch die Pop Art. Die Postmoderne, nicht nur in der Kunst, ist die Moderne ohne die Hoffnungen und Träume, die die Moderne erträglich machten.
In der bildenden Kunst ist eine weit verbreitete „Fast Food“-Tendenz zu beobachten, die in Richtung leicht konsumierbarer Unterhaltung geht. Howard Fox stellt fest, dass „Theatralität vielleicht die einzige durchdringende Eigenschaft der postmodernen Kunst ist“. Eine Dekadenz oder Erschöpfung der Entwicklung ist auch in den dunklen Gemälden eines Eric Fischl zu erkennen, in denen oft eine Art von Horror unter der Oberfläche zu lauern scheint. Diese Eigenschaft verbindet Fischl, den amerikanischen pm-Maler schlechthin, mit dem ebenso düsteren Twin Peaks und der pm-Fernsehfigur schlechthin, David Lynch. Seit Warhol ist das Bild selbstbewusst eine mechanisch reproduzierbare Ware, und das ist der eigentliche Grund für die Tiefenlosigkeit und den gemeinsamen Ton der Unheimlichkeit und Vorahnung.
Der oft zitierte Eklektizismus der postmodernen Kunst ist eine willkürliche Wiederverwertung von Fragmenten aus allen Bereichen, insbesondere aus der Vergangenheit, die oft die Form von Parodie und Kitsch annimmt. Demoralisiert, derealisiert, dehistorisiert: Kunst, die sich selbst nicht mehr ernst nehmen kann. Das Bild verweist nicht mehr in erster Linie auf ein „Original“, das irgendwo in der „realen“ Welt angesiedelt ist; es verweist zunehmend nur noch auf andere Bilder. Auf diese Weise spiegelt es wider, wie verloren wir in der immer stärker vermittelten Welt des technologischen Kapitalismus sind, wie weit wir uns von der Natur entfernt haben.
Der Begriff Postmoderne wurde erstmals in den 70er Jahren auf die Architektur angewandt. Christopher Jencks schrieb von einem planungsfeindlichen, pluralistischen Ansatz, von der Aufgabe des Traums der Moderne von der reinen Form zugunsten des Hörens auf „die vielfältigen Sprachen der Menschen“. Ehrlicher sind Robert Venturis Lobgesang auf Las Vegas und Piers Goughs Eingeständnis, dass die pm-Architektur sich nicht mehr um die Menschen kümmert als die modernistische Architektur. Die Bögen und Säulen, die über die modernistischen Kästen gelegt werden, sind eine dünne Fassade der Verspieltheit und Individualität, die die anonymen Konzentrationen von Reichtum und Macht darunter kaum verändert.
Die Autoren der Postmoderne stellen die Grundlagen der Literatur in Frage, anstatt weiterhin die Illusion einer äußeren Welt zu schaffen. Der Roman lenkt seine Aufmerksamkeit auf sich selbst; Donald Barthelme zum Beispiel schreibt Geschichten, die den Leser immer wieder daran zu erinnern scheinen, dass sie Kunstwerke sind. Indem sie gegen die Aussage, den Blickwinkel und andere Darstellungsmuster protestiert, zeigt die pm-Literatur ihr Unbehagen gegenüber den Formen, die kulturelle Produkte zähmen und domestizieren. In dem Maße, in dem die Welt künstlicher wird und die Bedeutung immer weniger unserer Kontrolle unterliegt, möchte der neue Ansatz lieber die Illusion aufdecken, selbst um den Preis, nichts mehr zu sagen. Hier wie anderswo kämpft die Kunst gegen sich selbst, ihr früherer Anspruch, uns zu helfen, die Welt zu verstehen, verflüchtigt sich, während sogar das Konzept der Vorstellungskraft an Kraft verliert.
Für manche ist der Verlust der Erzählstimme oder des Blickwinkels gleichbedeutend mit dem Verlust unserer Fähigkeit, uns historisch zu verorten. Für Postmodernisten ist dieser Verlust eine Art Befreiung. Raymond Federman zum Beispiel schwärmt von der kommenden Fiktion, die „scheinbar bedeutungslos sein wird … absichtlich unlogisch, irrational, unrealistisch, unzusammenhängend und inkohärent“.
Die Phantastik, die seit Jahrzehnten auf dem Vormarsch ist, ist eine gängige Form der Postmoderne und erinnert daran, dass das Phantastische die Zivilisation mit genau den Kräften konfrontiert, die sie für ihr Überleben unterdrücken muss. Aber es ist eine Phantastik, die – parallel zur Dekonstruktion und zum hohen Grad an Zynismus und Resignation in der Gesellschaft – nicht so sehr an sich selbst glaubt, dass sie etwas versteht oder mitteilt. Pm-Autoren scheinen in den Falten der Sprache zu ersticken und vermitteln kaum mehr als ihre ironische Haltung gegenüber den Wahrheits- und Sinnansprüchen der traditionellen Literatur. Typisch ist vielleicht Laurie Moores Roman Like Life von 1990, dessen Titel und Inhalt einen Rückzug aus dem Leben und eine Umkehrung des amerikanischen Traums offenbaren, in dem es nur noch schlimmer werden kann.
Die Feier der Ohnmacht
Die Postmoderne untergräbt zwei der wichtigsten Grundsätze des Humanismus der Aufklärung: die Macht der Sprache, die Welt zu formen, und die Macht des Bewusstseins, ein Selbst zu formen. So entsteht die postmoderne Leere, die allgemeine Vorstellung, dass die Sehnsucht nach Emanzipation und Freiheit, die die humanistischen Prinzipien der Subjektivität versprechen, nicht befriedigt werden kann. Die Postmoderne betrachtet das Selbst als eine sprachliche Konvention; wie William Burroughs es ausdrückte: „Dein ‚Ich‘ ist ein völlig illusorisches Konzept.“
Es ist offensichtlich, dass das gefeierte Ideal der Individualität seit langem unter Druck steht. Der Kapitalismus hat in der Tat Karriere damit gemacht, das Individuum zu feiern und es gleichzeitig zu zerstören. Und die Werke von Marx und Freud haben viel dazu beigetragen, den weitgehend fehlgeleiteten und naiven Glauben an ein souveränes, rationales kantianisches Selbst, das für die Realität zuständig ist, zu entlarven, wobei ihre neueren strukturalistischen Interpreten, Althusser und Lacan, dazu beigetragen und diese Bemühungen aktualisiert haben. Doch diesmal ist der Druck so groß, dass der Begriff „Individuum“ obsolet geworden ist und durch den Begriff „Subjekt“ ersetzt wurde, der immer auch den Aspekt des Unterworfenseins einschließt (wie z. B. in der älteren Formulierung „ein Untertan des Königs“). Selbst einige radikale Libertäre, wie die Gruppe Interrogations in Frankreich, stimmen in den Chor der Postmodernen ein und lehnen das Individuum als Wertkriterium ab, da diese Kategorie durch Ideologie und Geschichte entwertet wurde.
So zeigt die pm, dass die Autonomie weitgehend ein Mythos ist und die hochgehaltenen Ideale der Herrschaft und des Willens ebenfalls fehlgeleitet sind. Doch wenn uns hiermit ein neuer und ernsthafter Versuch der Entmystifizierung von Autorität versprochen wird, der sich hinter dem Deckmantel einer bourgeoisen humanistischen „Freiheit“ verbirgt, erhalten wir in Wirklichkeit eine Auflösung des Subjekts, die so radikal ist, dass es ohnmächtig, ja sogar inexistent wird, als irgendeine Art von Akteur überhaupt. Wer oder was bleibt übrig, um eine Befreiung zu erreichen, oder ist das nur ein weiterer Wunschtraum? Die postmoderne Haltung will beides: den denkenden Menschen „ausradieren“, während die Existenz ihrer eigenen Kritik von diskreditierten Ideen wie der Subjektivität abhängt. Fred Dallmayr, der die weit verbreitete Anziehungskraft des zeitgenössischen Antihumanismus anerkennt, warnt davor, dass die ersten Opfer die Reflexion und der Sinn für Werte sind. Die Behauptung, wir seien in erster Linie Instanzen der Sprache, beraubt uns offensichtlich unserer Fähigkeit, das Ganze zu erfassen, und das in einer Zeit, in der wir genau das dringend brauchen. Kein Wunder, dass die pm für einige in der Praxis lediglich auf einen Liberalismus ohne Subjekt hinausläuft, während Feministinnen, die versuchen, eine authentische und autonome weibliche Identität zu definieren oder zurückzufordern, wahrscheinlich ebenfalls nicht überzeugt wären.
Das postmoderne Subjekt, das, was vermutlich von der Subjekthaftigkeit übrig geblieben ist, scheint vor allem die vom und für das technologische Kapital konstruierte Persönlichkeit zu sein, die der marxistische Literaturtheoretiker Terry Eagleton als „verstreutes, dezentriertes Netzwerk libidinöser Bindungen, entleert von ethischer Substanz und psychischer Innerlichkeit, die ephemere Funktion dieses oder jenes Konsumakts, Medienerlebnisses, sexueller Beziehung, Trends oder Mode“ beschreibt. Wenn Eagletons Definition des heutigen Nicht-Subjekts, wie sie von der pm verkündet wird, ihrem Standpunkt untreu ist, ist es schwer zu erkennen, wo er Gründe für eine Distanzierung von seiner vernichtenden Zusammenfassung findet. Mit der Postmoderne löst sich sogar die Entfremdung auf, denn es gibt kein Subjekt mehr, das entfremdet werden könnte! Die zeitgenössische Zersplitterung und Ohnmacht könnte kaum vollständiger verkündet, die vorhandene Wut und Unzufriedenheit nicht gründlicher ignoriert werden.
Derrida, Dekonstruktion und Différance
Genug des Hintergrunds und der allgemeinen Charakterzüge für den Moment. Der einflussreichste spezifische postmoderne Ansatz ist der von Jacques Derrida, der seit den 60er Jahren als Dekonstruktion bekannt ist. Mit Postmoderne in der Philosophie sind vor allem die Schriften von Derrida gemeint, und diese früheste und extremste Sichtweise hat weit über die Philosophie hinaus Resonanz in der Populärkultur und ihren Gepflogenheiten gefunden.
Sicherlich hat die „linguistische Wende“ mit der Entstehung von Derrida zu tun, was David Wood dazu veranlasste, die Dekonstruktion als „eine absolut unvermeidliche Bewegung in der heutigen Philosophie“ zu bezeichnen, da das Denken sein unausweichliches Dilemma als geschriebene Sprache verhandelt. Dass Sprache nicht unschuldig oder neutral ist, sondern eine beträchtliche Anzahl von Voraussetzungen mit sich bringt, hat er in seiner Laufbahn herausgearbeitet und dabei die seiner Meinung nach grundlegend widersprüchliche Natur des menschlichen Diskurses offengelegt. Der „Unvollständigkeitssatz“ des Mathematikers Kurt Gödel besagt, dass jedes formale System entweder konsistent oder vollständig sein kann, aber nicht beides. In ähnlicher Weise behauptet Derrida, dass sich die Sprache ständig gegen sich selbst wendet, so dass wir bei genauer Analyse weder sagen können, was wir meinen, noch meinen, was wir sagen. Aber wie die Semiologen vor ihm schlägt Derrida gleichzeitig vor, dass eine dekonstruktive Methode den ideologischen Inhalt aller Texte entmystifizieren und alle menschlichen Aktivitäten als wesentliche Texte interpretieren könnte. Die grundlegende Widersprüchlichkeit und Verschleierungsstrategie, die der Metaphysik der Sprache im weitesten Sinne innewohnt, könnte aufgedeckt werden und eine intimere Art von Wissen hervorbringen.
Was diesem letztgenannten Anspruch mit seinem von Derrida immer wieder angedeuteten politischen Versprechen entgegenwirkt, ist genau der Inhalt der Dekonstruktion: Sie sieht die Sprache als eine sich ständig bewegende, unabhängige Kraft, die eine Stabilisierung des Sinns oder eine eindeutige Kommunikation, wie oben erwähnt, nicht zulässt. Diesen intern erzeugten Fluss nannte er „différance“, und das ist es, was die Idee der Bedeutung selbst zum Einsturz bringt, zusammen mit der selbstreferentiellen Natur der Sprache, die, wie bereits erwähnt, besagt, dass es keinen Raum außerhalb der Sprache gibt, kein „da draußen“, in dem Bedeutung überhaupt existieren könnte. Intention und Subjekt werden überwältigt, und was sich offenbart, sind keine „inneren Wahrheiten“, sondern eine endlose Vermehrung möglicher Bedeutungen, die durch die différance, das Prinzip, das die Sprache charakterisiert, erzeugt werden. Die Bedeutung innerhalb der Sprache wird auch durch Derridas Beharren darauf, dass Sprache metaphorisch ist und daher keine direkte Wahrheit vermitteln kann, schwer fassbar gemacht – ein von Nietzsche übernommener Begriff, der die Unterscheidung zwischen Philosophie und Literatur aufhebt. All diese Einsichten tragen vermutlich zum kühnen und subversiven Charakter der Dekonstruktion bei, aber sie provozieren sicherlich auch einige grundlegende Fragen. Wenn der Sinn unbestimmt ist, warum sind dann Derridas Argumente und Begriffe nicht auch unbestimmt, nicht festlegbar? Er hat seinen Kritikern zum Beispiel geantwortet, dass sie sich über seine Bedeutung im Unklaren sind, während seine „Bedeutung“ darin besteht, dass es keine klare, definierbare Bedeutung geben kann. Und obwohl sein gesamtes Projekt in einem wichtigen Sinne darauf abzielt, die Ansprüche aller Systeme auf irgendeine Art von transzendenter Wahrheit zu untergraben, erhebt er die différance in den transzendenten Status eines jeden philosophischen ersten Prinzips.
Für Derrida war es die Aufwertung der Sprache gegenüber der Schrift, die das gesamte westliche Denken dazu gebracht hat, den Niedergang zu übersehen, den die Sprache selbst der Philosophie bereitet. Durch die Privilegierung des gesprochenen Wortes wird ein falscher Sinn für Unmittelbarkeit erzeugt, die ungültige Vorstellung, dass beim Sprechen die Sache selbst präsent ist und die Repräsentation überwunden wird. Aber das gesprochene Wort ist nicht „authentischer“ als das geschriebene Wort, und es ist keineswegs immun gegen das eingebaute Versagen der Sprache, die (repräsentativen) Güter genau oder definitiv zu liefern. Es ist der unangebrachte Wunsch nach Präsenz, der die westliche Metaphysik charakterisiert, ein unreflektierter Wunsch nach dem Erfolg der Repräsentation. Es ist wichtig festzuhalten, dass Derrida, weil er die Möglichkeit einer unvermittelten Existenz ablehnt, zwar die Wirksamkeit der Repräsentation angreift, nicht aber die Kategorie selbst. Er macht sich über das Spiel lustig, spielt es aber trotzdem. Die différance (später einfach „Differenz“) geht aufgrund der Unverfügbarkeit von Wahrheit oder Bedeutung in Gleichgültigkeit über und schließt sich dem Zynismus im Allgemeinen an.
Schon früh diskutierte Derrida die Fehltritte der Philosophie im Bereich der Präsenz, indem er sich auf Husserls gequälte Suche nach ihr bezog. Als nächstes entwickelte er seine Theorie der „Grammatologie“, in der er der Schrift den ihr gebührenden Vorrang gegenüber der phonozentrischen oder sprachbetonten Ausrichtung des Westens zurückgab. Dies geschah vor allem durch die Kritik an wichtigen Persönlichkeiten, die die Sünde des Phonozentrismus begangen hatten, darunter Rousseau, Heidegger, Saussure und Levi-Strauss, wobei nicht zu übersehen ist, dass er den drei Letztgenannten viel zu verdanken hat.
Als ob er sich an die offensichtlichen Implikationen seines dekonstruktiven Ansatzes erinnern würde, weichen Derridas Schriften in den 70er Jahren von den früheren, recht geradlinigen philosophischen Diskussionen ab. Glas (1974) ist ein Mischmasch aus Hegel und Gent, in dem das Argument durch freie Assoziation und schlechte Wortspiele ersetzt wird. Auch wenn Glas selbst seine größten Bewunderer verblüfft, so entspricht es doch dem Grundsatz der unvermeidlichen Mehrdeutigkeit der Sprache und dem Willen, die Anmaßungen eines geordneten Diskurses zu unterlaufen. Spurs (1978) ist eine buchfüllende Studie über Nietzsche, die ihren Schwerpunkt letztlich nicht in Nietzsches Veröffentlichungen, sondern in einer handschriftlichen Notiz am Rande eines seiner Notizbücher findet: „Ich habe meinen Regenschirm vergessen.“ Es gibt unendliche, unentscheidbare Möglichkeiten, was diese gekritzelte Bemerkung bedeutet oder bedeutet – wenn überhaupt. Damit will Derrida natürlich andeuten, dass das Gleiche für alles gilt, was Nietzsche geschrieben hat. Der Platz für das Denken liegt nach der Dekonstruktion eindeutig (äh, sagen wir unklar) beim Relativen, beim Fragmentarischen, beim Marginalen.
Der Sinn ist gewiss nicht etwas, das man festhalten kann, wenn es ihn überhaupt gibt. In seinem Kommentar zu Platons Phaedrus geht der Meister der De-Komposition so weit zu behaupten, dass „wie jeder Text [es] nicht anders sein konnte, als mit allen Wörtern, die das System der griechischen Sprache ausmachten, verbunden zu sein, zumindest auf eine virtuelle, dynamische, laterale Weise“.
Damit verbunden ist Derridas Ablehnung von binären Gegensätzen wie wörtlich/metaphorisch, ernst/spielerisch, tief/oberflächlich, Natur/Kultur, ad infinitum. Er betrachtet diese als grundlegende begriffliche Hierarchien, die hauptsächlich durch die Sprache selbst eingeschmuggelt werden und die die Illusion einer Definition oder Orientierung vermitteln. Er behauptet weiter, dass die dekonstruktive Arbeit der Umkehrung dieser Paarungen, die eine der beiden gegenüber der anderen aufwerten, zu einer politischen und sozialen Umkehrung der tatsächlichen, nicht-begrifflichen Hierarchien führt. Die automatische Ablehnung aller binären Oppositionen ist jedoch selbst eine metaphysische Behauptung; sie umgeht in der Tat Politik und Geschichte, weil sie in den Gegensätzen, wie ungenau sie auch sein mögen, nichts anderes als eine sprachliche Realität sehen will. Indem sie jeden Binarismus auflöst, zielt die Dekonstruktion darauf ab, „die Differenz ohne Opposition zu denken“. Was in geringerer Dosierung als heilsamer Ansatz erscheint, als Skepsis gegenüber sauberen Entweder-Oder-Charakterisierungen, geht über in das sehr fragwürdige Rezept der Ablehnung jeglicher Eindeutigkeit. Zu sagen, dass es keine Ja- oder Nein-Position geben kann, ist gleichbedeutend mit einer Lähmung des Relativismus, in der die „Ohnmacht“ zum aufgewerteten Partner der „Opposition“ wird.
Vielleicht ist der Fall von Paul De Man, der Derridas bahnbrechende dekonstruktive Positionen erweitert und vertieft hat (und ihn nach Meinung vieler sogar übertrifft), aufschlussreich. Kurz nach dem Tod von De Man im Jahr 1985 wurde entdeckt, dass er als junger Mann im besetzten Belgien mehrere antisemitische, pro-nationalsozialistische Zeitungsartikel geschrieben hatte. Der Status dieses brillanten Dekonstrukteurs aus Yale, und für einige sogar der moralische und philosophische Wert der Dekonstruktion selbst, wurden durch diese sensationelle Enthüllung in Frage gestellt. De Man hatte wie Derrida „die Doppelzüngigkeit, die Verwirrung, die Unwahrheit, die wir im Gebrauch der Sprache für selbstverständlich halten“ betont. Passend dazu, wenn auch meiner Meinung nach zu seinem Nachteil, war Derridas gequälter Kommentar zu De Mans kollaborativer Zeit: „Wie können wir urteilen, wer das Recht hat zu sagen?“ Ein schäbiges Zeugnis für die Dekonstruktion, die in irgendeiner Weise als ein Moment des Antiautoritären betrachtet wird.
Derrida verkündete, dass die Dekonstruktion „die Subversion jedes Reiches anstiftet“. In der Tat ist sie im sicheren akademischen Bereich geblieben, indem sie immer raffiniertere textliche Komplikationen erfand, um sich selbst im Geschäft zu halten und eine Reflexion über ihre eigene politische Situation zu vermeiden. Einer von Derridas zentralsten Begriffen, die Verbreitung, beschreibt die Sprache unter dem Prinzip der Differenz nicht so sehr als eine reiche Ernte von Bedeutungen, sondern als eine Art endlosen Verlust und Verschütten, wobei die Bedeutung überall auftaucht und praktisch gleichzeitig verdunstet. Dieser unaufhörliche und unbefriedigende Fluss der Sprache ist eine treffende Parallele zum Herzen des Konsumkapitals und seiner endlosen Zirkulation von Nicht-Bedeutung. Derrida verewigt und universalisiert so unbewusst das beherrschte Leben, indem er die menschliche Kommunikation zu seinem Abbild macht. Das „jedes Reich“, das er durch die Dekonstruktion unterminiert sehen würde, wird stattdessen erweitert und für absolut gehalten.
Derrida repräsentiert sowohl die weitgereiste französische Tradition der explication de texte als auch eine Reaktion auf die gallische Verehrung der kartesianisch-klassizistischen Sprache mit ihren Idealen der Klarheit und Ausgewogenheit. Die Dekonstruktion entstand auch gewissermaßen als Teil des ursprünglichen Elements der Beinahe-Revolution von 1968, nämlich der Studentenrevolte gegen das erstarrte französische Hochschulwesen. Einige ihrer Schlüsselbegriffe (z.B. die Verbreitung) sind Blanchots Heidegger-Lektüre entlehnt, was eine bedeutende Originalität des Derride’schen Denkens nicht leugnen soll. Präsenz und Repräsentation stellen sich ständig gegenseitig in Frage und offenbaren das zugrunde liegende System als unendlich zerklüftet, und das ist an sich schon ein wichtiger Beitrag.
Unglücklicherweise scheint die Umwandlung der Metaphysik in eine Frage der Schrift, in der sich die Bedeutungen praktisch selbst wählen und somit ein Diskurs (und somit eine Handlungsweise) nicht als besser als eine andere bewiesen werden kann, nicht sehr radikal. Die Dekonstruktion wird heute von den Leitern englischer Fakultäten, von Berufsverbänden und anderen angesehenen Gremien begrüßt, weil sie die Frage der Repräsentation selbst so wenig aufwirft. Derridas Dekonstruktion der Philosophie räumt ein, dass sie genau das Konzept intakt lassen muss, dessen fehlende Grundlage sie entlarvt. Während er die Vorstellung einer sprachunabhängigen Realität für unhaltbar hält, verspricht die Dekonstruktion auch keine Befreiung aus dem berühmten „Gefängnis der Sprache“. Das Wesen der Sprache, das Primat des Symbolischen, wird nicht wirklich angegangen, sondern als ebenso unausweichlich wie unzureichend zur Erfüllung gezeigt. Kein Ausweg; wie Derrida erklärte: „Es geht nicht darum, sich in eine repressionsfreie neue Ordnung zu entlassen (es gibt keine).“
Die Krise der Repräsentation
Wenn der Beitrag der Dekonstruktion vor allem darin besteht, unsere Gewissheit über die Realität zu untergraben, dann vergisst sie, dass die Realität – Werbung und Massenkultur, um nur zwei oberflächliche Beispiele zu nennen – dies bereits erreicht hat. Diese durch und durch postmoderne Sichtweise ist Ausdruck der Bewegung des Denkens von der Dekadenz zu seiner elegischen oder post-gedanklichen Phase oder, wie John Fekete es zusammenfasste, „eine tiefgreifende Krise des westlichen Geistes, ein tiefgreifender Verlust der Nerven“.
Die heutige Überfrachtung mit Repräsentation dient dazu, die radikale Verarmung des Lebens in der technologischen Klassengesellschaft zu unterstreichen – Technologie ist Entbehrung. Die klassische Theorie der Repräsentation ging davon aus, dass Bedeutung oder Wahrheit den Repräsentationen, die sie vermitteln, vorausgehen und diese vorschreiben. Aber wir leben heute in einer postmodernen Kultur, in der das Bild weniger der Ausdruck eines individuellen Subjekts als vielmehr die Ware einer anonymen Konsumtechnologie geworden ist. Das Leben im Informationszeitalter wird immer mehr durch die Manipulation von Zeichen, Symbolen, Marketing- und Testdaten usw. kontrolliert. Unsere Zeit, sagt Derrida, ist „eine Zeit ohne Natur“.
Alle Formulierungen der Postmoderne stimmen darin überein, eine Krise der Repräsentation zu erkennen. Wie bereits erwähnt, begann Derrida mit einer Infragestellung des Wesens des philosophischen Projekts selbst, das auf Repräsentation beruht, und warf einige unbeantwortbare Fragen über die Beziehung zwischen Repräsentation und Denken auf. Die Dekonstruktion untergräbt die erkenntnistheoretischen Ansprüche der Repräsentation, indem sie zeigt, dass beispielsweise die Sprache für die Aufgabe der Repräsentation unzureichend ist. Aber diese Untergrabung vermeidet es, sich mit der repressiven Natur ihres Gegenstandes auseinanderzusetzen, indem sie wiederum darauf besteht, dass reine Präsenz, ein Raum jenseits der Repräsentation, nur ein utopischer Traum sein kann. Es kann keinen unvermittelten Kontakt oder keine Kommunikation geben, sondern nur Zeichen und Repräsentationen; die Dekonstruktion ist eine Suche nach Präsenz und Erfüllung, die unendlich und notwendigerweise aufgeschoben wird.
Jacques Lacan, der die gleiche Resignation wie Derrida teilt, enthüllt zumindest mehr über das bösartige Wesen der Repräsentation. In Erweiterung von Freud stellte er fest, dass das Subjekt durch den Eintritt in die symbolische Ordnung, nämlich in die Sprache, sowohl konstituiert als auch entfremdet wird. Während er die Möglichkeit einer Rückkehr zu einem vorsprachlichen Zustand, in dem das gebrochene Versprechen der Präsenz eingelöst werden könnte, verneinte, konnte er zumindest den zentralen, lähmenden Schlag erkennen, der in der Unterwerfung des freien Begehrens unter die symbolische Welt besteht, in der Auslieferung der Einzigartigkeit an die Sprache. Lacan bezeichnete die jouissance als unaussprechlich, weil sie sich nur außerhalb der Sprache ereignen kann: jenes Glück, das der Wunsch nach einer Welt ohne den Bruch des Geldes oder der Schrift, einer Gesellschaft ohne Repräsentation ist.
Die Unfähigkeit, symbolischen Sinn zu generieren, ist, etwas ironisch, ein Grundproblem der Postmoderne. Sie spielt ihre Position an der Grenze zwischen dem, was repräsentiert werden kann, und dem, was nicht repräsentiert werden kann, aus, eine (bestenfalls) halbherzige Lösung, die sich weigert, die Repräsentation zu verweigern. (Anstatt die Argumente für die Sichtweise des Symbolischen als repressiv und entfremdend zu liefern, wird der Leser auf die ersten fünf Aufsätze meines Buches Elements of Refusal [Left Bank Books, 1988] verwiesen, die sich mit Zeit, Sprache, Zahl, Kunst und Landwirtschaft als kulturellen Entfremdungen aufgrund von Symbolisierung befassen.) Inzwischen verliert ein entfremdetes und erschöpftes Publikum das Interesse am vermeintlichen Trost der Kultur, und mit der Vertiefung und Verdichtung der Vermittlung kommt die Entdeckung, dass dies vielleicht schon immer der Sinn der Kultur war. Es ist jedoch nicht ungewöhnlich, dass die Postmoderne die Reflexion über die Ursprünge der Repräsentation nicht anerkennt, da sie auf der Unmöglichkeit einer unvermittelten Existenz beharrt.
Als Antwort auf die Sehnsucht nach der verlorenen Ganzheit der Prä-Zivilisation sagt die Postmoderne, dass die Kultur so grundlegend für die menschliche Existenz geworden ist, dass es keine Möglichkeit gibt, unter sie hinabzusteigen. Das erinnert natürlich an Freud, der das Wesen der Zivilisation als Unterdrückung von Freiheit und Ganzheit erkannte, der aber entschied, dass Arbeit und Kultur wichtiger seien. Freud war zumindest ehrlich genug, den Widerspruch oder die Unversöhnlichkeit zuzugeben, die mit der Entscheidung für die lähmende Natur der Zivilisation einhergeht, während die Postmodernisten dies nicht tun.
Floyd Merrell stellte fest, dass „ein Schlüssel, vielleicht der Hauptschlüssel zum Derrida’schen Denken“ Derridas Entscheidung war, die Frage nach den Ursprüngen nicht zu stellen. Während Derrida also in seinem gesamten Werk auf eine Komplizenschaft zwischen den Grundannahmen des westlichen Denkens und den Gewalttaten und Unterdrückungen hinweist, die die westliche Zivilisation geprägt haben, hat er zentral und sehr einflussreich alle Vorstellungen von Ursprüngen abgelehnt. Schließlich ist das kausale Denken eines der Objekte der Verachtung der Postmodernen. „Natur“ ist eine Illusion, was könnte also „unnatürlich“ bedeuten? Anstelle des wunderbaren „Unter dem Pflaster ist der Strand“ der Situationisten haben wir Foucaults berühmte Zurückweisung des gesamten Begriffs der „repressiven Hypothese“ in Die Ordnung der Dinge. Freud gab uns ein Verständnis von Kultur als verkümmernd und Neurosen erzeugend; die pm sagt uns, dass Kultur alles ist, was wir jemals haben können, und dass ihre Grundlagen, wenn es sie gibt, für unser Verständnis nicht zugänglich sind. Die Postmoderne ist offenbar das, was uns bleibt, wenn der Modernisierungsprozess abgeschlossen und die Natur für immer verschwunden ist.
Nicht nur, dass die pm an Becketts Bemerkung in Endgame anknüpft: „Es gibt keine Natur mehr“, sondern sie leugnet auch, dass es jemals einen erkennbaren Raum außerhalb von Sprache und Kultur gegeben hat. Die „Natur“, so Derrida im Gespräch mit Rousseau, „hat nie existiert“. Auch hier wird die Entfremdung ausgeschlossen; dieser Begriff impliziert notwendigerweise eine Idee von Authentizität, die die Postmoderne für unverständlich hält. In diesem Sinne zitiert Derrida „den Verlust dessen, was nie stattgefunden hat, einer Selbstpräsenz, die nie gegeben war, sondern nur erträumt wurde…“. Trotz der Grenzen des Strukturalismus zeugt Levi-Strauss‘ Zugehörigkeitsgefühl zu Rousseau andererseits von seiner Suche nach Ursprüngen. Indem er sich weigerte, die Befreiung auszuschließen, sei es in Bezug auf die Anfänge oder die Ziele, hörte Levi-Strauss nie auf, sich nach einer „intakten“ Gesellschaft zu sehnen, einer nicht zerbrochenen Welt, in der die Unmittelbarkeit noch nicht gebrochen war. Dafür stellt Derrida, freilich pejorativ, Rousseau als Utopisten und Levi-Strauss als Anarchisten dar und warnt vor einem „weiteren Schritt zu einer Art ursprünglicher Anarchie“, der nur eine gefährliche Illusion wäre.
Die wirkliche Gefahr besteht darin, die Entfremdung und Beherrschung, die die Natur vollständig zu überwinden drohen, nicht auf der grundlegendsten Ebene in Frage zu stellen – das, was vom Natürlichen in der Welt und in uns selbst übrig geblieben ist. Marcuse erkannte, dass „die Erinnerung an die Befriedigung am Ursprung allen Denkens steht, und der Impuls, die vergangene Befriedigung zurückzuerobern, ist die verborgene Antriebskraft des Denkprozesses“. Mit der Frage nach den Ursprüngen ist auch die Frage nach der Entstehung der Abstraktion, ja der philosophischen Begrifflichkeit überhaupt verbunden, und Marcuse kam bei seiner Suche nach dem, was einen Seinszustand ohne Unterdrückung ausmachen würde, nahe an eine Auseinandersetzung mit der Kultur selbst. Er konnte sich des Eindrucks nie ganz erwehren, „dass die Menschheit etwas Wesentliches vergessen hat“. Ähnlich ist der kurze Ausspruch von Novalis: „Philosophie ist Heimweh“. Im Vergleich dazu haben Kroker und Cook unbestreitbar recht, wenn sie schlussfolgern, dass „die postmoderne Kultur ein Vergessen ist, ein Vergessen der Ursprünge und Ziele“.
Barthes, Foucault und Lyotard
Wenn wir uns anderen poststrukturalistischen/postmodernen Persönlichkeiten zuwenden, verdient Roland Barthes, der zu Beginn seiner Karriere ein wichtiger strukturalistischer Denker war, Erwähnung. Sein Werk Writing Degree Zero drückte die Hoffnung aus, dass Sprache auf utopische Weise verwendet werden kann und dass es in der Kultur kontrollierende Codes gibt, die gebrochen werden können. Anfang der 70er Jahre schloss er sich jedoch Derrida an, der die Sprache als einen metaphorischen Sumpf ansah, dessen Metaphorizität nicht erkannt wird. Die Philosophie wird von ihrer eigenen Sprache verwirrt, und die Sprache im Allgemeinen kann nicht beanspruchen, das zu beherrschen, was sie bespricht. Mit Das Reich der Zeichen (1970) hatte Barthes bereits auf jede kritische, analytische Absicht verzichtet. Dieses Buch, das angeblich von Japan handelt, wird vorgelegt, „ohne den Anspruch zu erheben, irgendeine Realität abzubilden oder zu analysieren“. Verschiedene Fragmente befassen sich mit so unterschiedlichen kulturellen Formen wie Haiku und Spielautomaten, als Teile einer Art anti-utopischen Landschaft, in der die Formen keine Bedeutung haben und alles nur Oberfläche ist. Das Reich der Zeichen kann als das erste vollständig postmoderne Werk bezeichnet werden, und Mitte der 70er Jahre trug die Vorstellung des Autors vom Vergnügen am Text die gleiche Derride’sche Geringschätzung für den Glauben an die Gültigkeit des öffentlichen Diskurses weiter. Das Schreiben war zum Selbstzweck geworden, eine rein persönliche Ästhetik zur obersten Maxime. Vor seinem Tod im Jahr 1980 hatte Barthes ausdrücklich „jede intellektuelle Art des Schreibens“ angeprangert, insbesondere alles, was den Beigeschmack des Politischen hatte. In seinem letzten Werk, Barthes by Barthes, betrachtete der Hedonismus der Worte, der einem realen Dandytum entsprach, Konzepte nicht nach ihrer Gültigkeit oder Ungültigkeit, sondern nur nach ihrer Wirksamkeit als Taktik des Schreibens.
1985 forderte AIDS den bekanntesten Einfluss auf die Postmoderne, Michel Foucault. Seine weitreichenden historischen Studien (z. B. über Wahnsinn, Strafvollzug und Sexualität) machten ihn sehr bekannt und lassen bereits Unterschiede zwischen Foucault und dem relativ abstrakten und ahistorischen Derrida erkennen. Der Strukturalismus hatte, wie bereits erwähnt, das Individuum aus weitgehend linguistischen Gründen stark abgewertet, während Foucault „den Menschen (als) eine erst kürzlich gemachte Erfindung, eine noch keine zwei Jahrhunderte alte Figur, eine einfache Falte in unserem Wissen, die bald verschwinden wird“, charakterisierte. Sein Schwerpunkt liegt darin, den „Menschen“ als das zu entlarven, was als Objekt dargestellt und hervorgebracht wird, nämlich als eine virtuelle Erfindung der modernen Humanwissenschaften. Trotz seines eigenwilligen Stils waren Foucaults Werke weitaus populärer als die von Horkheimer und Adorno (z. B. Die Dialektik der Aufklärung) und Erving Goffman, die ebenfalls die versteckte Agenda der bourgeoisen Rationalität aufdeckten. Er wies auf die „individualisierende“ Taktik hin, die in den Schlüsselinstitutionen des frühen 19. Jahrhunderts am Werk war (Familie, Arbeit, Medizin, Psychiatrie, Bildung), und machte deren normalisierende, disziplinierende Rolle innerhalb der entstehenden kapitalistischen Moderne deutlich, da das „Individuum“ von und für die herrschende Ordnung geschaffen wird.
Foucault, typisch pm, lehnt das ursprüngliche Denken und die Vorstellung ab, dass es eine „Realität“ hinter oder unter dem vorherrschenden Diskurs einer Epoche gibt. Ebenso ist das Subjekt eine Täuschung, die im Wesentlichen durch den Diskurs geschaffen wird, ein „Ich“, das aus den herrschenden Sprachgebräuchen hervorgeht. Und so werden seine detaillierten historischen Erzählungen, die als „Archäologien“ des Wissens bezeichnet werden, anstelle von theoretischen Übersichten angeboten, als ob sie keine ideologischen oder philosophischen Annahmen enthielten. Für Foucault gibt es keine Grundlagen des Sozialen, die außerhalb der Kontexte verschiedener Epochen, oder Episteme, wie er sie nannte, zu begreifen wären; die Grundlagen ändern sich von einer Episteme zur anderen. Der vorherrschende Diskurs, der seine Subjekte konstituiert, bildet sich scheinbar von selbst. Dies ist ein wenig hilfreicher Ansatz für die Geschichte, der vor allem daraus resultiert, dass Foucault sich nicht auf soziale Gruppen bezieht, sondern sich ganz auf Gedankensysteme konzentriert. Ein weiteres Problem ergibt sich aus seiner Auffassung, dass die Episteme eines Zeitalters nicht von denen erkannt werden kann, die in ihr arbeiten. Wenn das Bewusstsein genau das ist, was sich nach Foucaults eigener Darstellung seines Relativismus nicht bewusst ist oder nicht weiß, wie es in früheren Epistemen ausgesehen hätte, dann ist Foucaults eigenes erhöhtes, umfassendes Bewusstsein unmöglich. Diese Schwierigkeit wird am Ende von Die Archäologie des Wissens (1972) eingeräumt, bleibt aber unbeantwortet, ein ziemlich krasses und offensichtliches Problem.
Das Dilemma der Postmoderne ist folgendes: Wie kann der Status und die Gültigkeit ihrer theoretischen Ansätze festgestellt werden, wenn weder Wahrheit noch Grundlagen des Wissens zugelassen werden? Wenn wir die Möglichkeit rationaler Grundlagen oder Standards ausschließen, auf welcher Grundlage können wir dann operieren? Wie können wir verstehen, was die Gesellschaft ist, die wir bekämpfen, geschweige denn, dass wir ein solches Verständnis teilen? Foucaults Beharren auf einem nietzscheanischen Perspektivismus übersetzt sich in den irreduziblen Pluralismus der Interpretation. Er relativierte Wissen und Wahrheit jedoch nur insoweit, als diese Begriffe an andere Denksysteme als sein eigenes gebunden sind. Auf diesen Punkt angesprochen, gab Foucault zu, dass er nicht in der Lage sei, seine eigenen Meinungen rational zu begründen. So behauptet der liberale Habermas, dass postmoderne Denker wie Foucault, Deleuze und Lyotard „neokonservativ“ seien, weil sie keine konsistente Argumentation für die eine oder andere gesellschaftliche Richtung bieten. Das Bekenntnis zum Relativismus (oder „Pluralismus“) bedeutet auch, dass es nichts gibt, was die Perspektive einer gesellschaftlichen Tendenz daran hindert, das Recht zu beanspruchen, eine andere zu dominieren, da es keine Möglichkeit gibt, Standards festzulegen.
Das Thema Macht war in der Tat ein zentrales Thema für Foucault, und die Art und Weise, wie er es behandelte, ist aufschlussreich. Er schrieb, dass die bedeutenden Institutionen der modernen Gesellschaft durch eine Kontrollintentionalität vereint sind, ein „karzerales Kontinuum“, das das logische Finale des Kapitalismus zum Ausdruck bringt, aus dem es kein Entrinnen gibt. Aber die Macht selbst, so stellte er fest, ist ein Netz oder Feld von Beziehungen, in dem die Subjekte sowohl als Produkte als auch als Akteure der Macht konstituiert sind. Alles ist also Teil der Macht, und deshalb ist es sinnlos, eine „grundlegende“, unterdrückerische Macht zu suchen, die man bekämpfen kann. Die moderne Macht ist heimtückisch und „kommt von überall her“. Wie Gott ist sie überall und nirgends zugleich.
Foucault findet keinen Strand unter den Pflastersteinen, überhaupt keine „natürliche“ Ordnung. Es gibt nur die Gewissheit aufeinanderfolgender Machtregime, denen man irgendwie widerstehen muss. Aber Foucaults charakteristische Abneigung gegen den gesamten Begriff des menschlichen Subjekts macht es ziemlich schwierig zu erkennen, woher ein solcher Widerstand kommen könnte, ungeachtet seiner Ansicht, dass es keinen Widerstand gegen die Macht gibt, der nicht eine Variante der Macht selbst ist. Was den letztgenannten Punkt betrifft, so geriet Foucault bei der Betrachtung des Verhältnisses von Macht und Wissen in eine weitere Sackgasse. Er kam zu dem Schluss, dass sie untrennbar und allgegenwärtig miteinander verbunden sind und sich direkt gegenseitig bedingen. Die Schwierigkeiten, angesichts dieses Zusammenhangs weiterhin etwas Substantielles zu sagen, veranlassten Foucault schließlich, eine Theorie der Macht aufzugeben. Der damit verbundene Determinismus führte zum einen dazu, dass sein politisches Engagement immer geringer wurde. Es ist nicht schwer zu verstehen, warum der Foucaultismus von den Medien stark gefördert wurde, während z.B. die Situationisten verdrängt wurden.
Castoriadis bezeichnete Foucaults Ideen zur Macht und zum Widerstand gegen sie einmal mit den Worten: „Leiste Widerstand, wenn es dir Spaß macht – aber ohne Strategie, denn dann wärst du nicht mehr proletarisch, sondern Macht“. Foucaults eigener Aktivismus hatte versucht, den empirizistischen Traum eines theorie- und ideologiefreien Ansatzes zu verkörpern, den des „spezifischen Intellektuellen“, der an bestimmten, lokalen Kämpfen teilnimmt. Diese Taktik sieht vor, dass die Theorie nur konkret eingesetzt wird, als Ad-hoc-„Werkzeugkasten“-Methoden für spezifische Kampagnen. Trotz der guten Absichten verweigert die Beschränkung der Theorie auf diskrete, verderbliche instrumentelle „Werkzeuge“ nicht nur einen expliziten Überblick über die Gesellschaft, sondern akzeptiert auch die allgemeine Arbeitsteilung, die den Kern von Entfremdung und Herrschaft bildet. Der Wunsch, Unterschiede, lokales Wissen und dergleichen zu respektieren, verweigert eine reduktive, totalitär anmutende Überbewertung der Theorie, sondern akzeptiert nur die Atomisierung des Spätkapitalismus mit seiner Aufsplitterung des Lebens in enge Spezialgebiete, die die Provinz so vieler Experten sind. Wenn „wir zwischen der Arroganz, das Ganze zu überblicken, und der Scheu, die Teile zu inspizieren, gefangen sind“, wie Rebecca Comay es treffend formulierte, wie kann dann die zweite Alternative (die von Foucault) einen Fortschritt gegenüber dem liberalen Reformismus im Allgemeinen darstellen? Diese Frage erscheint besonders relevant, wenn man sich daran erinnert, wie sehr Foucaults ganzes Unternehmen darauf abzielte, uns von den Illusionen der humanistischen Reformer in der Geschichte zu befreien. Der „spezifische Intellektuelle“ entpuppt sich in der Tat als ein weiterer Experte, ein weiterer Liberaler, der eher die Spezifika als die Wurzeln der Probleme angreift. Und wenn man sich den Inhalt seines Aktivismus anschaut, der sich hauptsächlich auf den Bereich der Strafrechtsreform bezog, ist die Ausrichtung fast zu lau, um überhaupt als liberal bezeichnet werden zu können. In den 80er Jahren „versuchte er, unter der Ägide seines Lehrstuhls am College de France Historiker, Juristen, Richter, Psychiater und Ärzte zu versammeln, die sich mit Recht und Strafe befassen“, so Keith Gandal. Alle Polizisten. „Meine Arbeit über die historische Relativität der Gefängnisform“, so Foucault, „war eine Anregung, über andere Formen der Bestrafung nachzudenken“. Offensichtlich akzeptierte er die Legitimität dieser Gesellschaft und der Bestrafung; nicht weniger überraschend war seine daraus resultierende Ablehnung der Anarchisten als infantil in ihren Hoffnungen für die Zukunft und ihrem Glauben an das menschliche Potenzial.
Die Werke von Jean-Francois Lyotard sind in hohem Maße widersprüchlich – was an sich schon ein Merkmal von der pm ist -, bringen aber auch ein zentrales postmodernes Thema zum Ausdruck: dass die Gesellschaft nicht als Ganzes verstanden werden kann und soll. Lyotard ist ein Paradebeispiel für antitotalisierendes Denken, und zwar so sehr, dass er die Postmoderne als „Ungläubigkeit gegenüber Metanarrativen“ oder Übersichten zusammenfasst. Die Idee, dass es sowohl ungesund als auch unmöglich ist, das Ganze zu begreifen, ist Teil einer enormen Reaktion in Frankreich seit den 60er Jahren gegen marxistische und kommunistische Einflüsse. Während Lyotard vor allem die marxistische Tradition ins Visier nimmt, die im politischen und intellektuellen Leben Frankreichs einst so stark war, geht er noch weiter und lehnt die Gesellschaftstheorie in ihrer Gesamtheit ab. So ist er zum Beispiel zu der Überzeugung gelangt, dass jedes Konzept der Entfremdung – die Vorstellung, dass eine ursprüngliche Einheit, Ganzheit oder Unschuld durch die Fragmentierung und Gleichgültigkeit des Kapitalismus zerbrochen wird – letztlich ein totalitärer Versuch ist, die Gesellschaft zwangsweise zu vereinheitlichen. Bezeichnenderweise denunziert seine Libidinöse Ökonomie Mitte der 70er Jahre die Theorie als Terror.
Man könnte sagen, dass diese extreme Reaktion außerhalb einer von der marxistischen Linken dominierten Kultur unwahrscheinlich wäre, aber ein anderer Blick sagt uns, dass sie perfekt zur allgemeinen, desillusionierten postmodernen Situation passt. Lyotards pauschale Ablehnung der postkantianischen Aufklärungswerte verkörpert schließlich die Erkenntnis, dass die rationale Kritik, zumindest in Form der selbstbewussten Werte und Überzeugungen der kantischen, hegelianischen und marxistischen Metanarrative, durch die düstere historische Realität entlarvt wurde. Lyotard zufolge bedeutet die pm-Ära, dass alle tröstlichen Mythen von intellektueller Meisterschaft und Wahrheit am Ende sind und durch eine Pluralität von „Sprachspielen“ ersetzt werden, dem Wittgensteinschen Begriff der „Wahrheit“, die vorläufig geteilt wird und ohne jegliche erkenntnistheoretische Berechtigung oder philosophische Grundlage zirkuliert. Sprachspiele sind eine pragmatische, lokalisierte, vorläufige Grundlage für Wissen; im Gegensatz zu den umfassenden Ansichten der Theorie oder der historischen Interpretation hängt ihr Gebrauchswert von der Zustimmung der Teilnehmer ab. Lyotards Ideal ist also eine Vielzahl von „kleinen Erzählungen/Narrationen“ anstelle des „inhärenten Dogmatismus“ von Metanarrativen oder großen Ideen. Leider muss sich ein solcher pragmatischer Ansatz mit den Dingen, wie sie sind, arrangieren und ist praktisch per definitionem vom vorherrschenden Konsens abhängig. Daher ist Lyotards Ansatz nur von begrenztem Wert, wenn es darum geht, einen Bruch mit den alltäglichen Normen herbeizuführen. Obwohl sein gesunder, antiautoritärer Skeptizismus die Totalisierung als unterdrückend oder zwanghaft ansieht, übersieht er, dass der Foucaultsche Relativismus der Sprachspiele mit ihren frei vereinbarten Bedeutungen dazu neigt, alles für gleich gültig zu halten. Wie Gerard Raulet feststellte, gehorcht die daraus resultierende Verweigerung des Überblicks eher der bestehenden Logik der Homogenität, als dass sie einen Hort der Heterogenität darstellt.
Den Fortschritt verdächtig zu finden, ist natürlich die Voraussetzung für jeden kritischen Ansatz, aber die Suche nach Heterogenität muss das Bewusstsein für ihr Verschwinden und die Suche nach den Gründen für ihr Verschwinden einschließen. Das postmoderne Denken verhält sich im Allgemeinen so, als wüsste es nicht, dass Arbeitsteilung und Kommodifizierung die Grundlage für kulturelle oder soziale Heterogenität beseitigen. Die Postmoderne versucht zu bewahren, was es praktisch nicht gibt, und lehnt ein breiteres Denken ab, das notwendig ist, um mit der verarmten Realität umzugehen. In diesem Bereich ist es von Interesse, das Verhältnis zwischen pm und Technologie zu betrachten, das für Lyotard von entscheidender Bedeutung ist.
Adorno fand den Weg des zeitgenössischen Totalitarismus durch das aufklärerische Ideal des Triumphs über die Natur, auch bekannt als instrumentelle Vernunft, vorbereitet. Lyotard sieht die Fragmentierung des Wissens als wesentlich für den Kampf gegen die Herrschaft an, was den notwendigen Überblick verwehrt, um zu sehen, dass die Isolation, die das fragmentierte Wissen darstellt, im Gegenteil die soziale Bestimmung und den Zweck dieser Isolation vergisst. Die gefeierte „Heterogenität“ ist nicht viel mehr als die zersplitternde Wirkung einer übermächtigen Totalität, die er lieber ignorieren würde. Nirgendwo wird die Kritik mehr verworfen als in Lyotards postmodernem Positivismus, der auf der Akzeptanz einer technischen Rationalität beruht, die auf Kritik verzichtet. Es überrascht nicht, dass Lyotard im Zeitalter der Zersetzung von Bedeutung und des Verzichts auf den Blick auf das, was das Ensemble der bloßen „Fakten“ wirklich ausmacht, die Computerisierung der Gesellschaft begrüßt. Ähnlich wie der Nietzscheaner Foucault glaubt Lyotard, dass die Macht mehr und mehr zum Kriterium der Wahrheit wird. Er findet seinen Gefährten in dem postmodernen Pragmatiker Richard Rorty, der ebenfalls die moderne Technologie begrüßt und den hegemonialen Werten der heutigen Industriegesellschaft tief verbunden ist.
1985 organisierte Lyotard eine spektakuläre Hightech-Ausstellung im Pariser Centre Pompidou, in der die künstlichen Realitäten und Mikrocomputerarbeiten von Künstlern wie Myron Krueger gezeigt wurden. Bei der Eröffnung erklärten die Verantwortlichen: „Wir wollten darauf hinweisen, dass sich die Welt nicht in Richtung größerer Klarheit und Einfachheit entwickelt, sondern in Richtung eines neuen Grades an Komplexität, in dem sich der Einzelne zwar sehr verloren fühlen mag, in dem er aber tatsächlich freier werden kann.“ Offensichtlich sind Übersichten erlaubt, wenn sie mit den Plänen unserer Meister für uns und für die Natur übereinstimmen. Aber der spezifischere Punkt liegt in der „Immaterialität“, dem Titel der Ausstellung und einem Begriff von Lyotard, den er mit der Erosion der Identität, dem Zerfall der stabilen Barrieren zwischen dem Selbst und einer Welt, die durch unsere Einbindung in labyrinthische technologische und soziale Systeme entsteht, in Verbindung bringt. Es versteht sich von selbst, dass er diesen Zustand gutheißt und beispielsweise das „pluralisierende“ Potenzial der neuen Kommunikationstechnologien feiert – einer Technologie, die das Leben ent-sinnlicht, die Erfahrung verflacht und die natürliche Welt auslöscht. Lyotard schreibt: „Alle Menschen haben ein Recht auf Wissenschaft“, als hätte er auch nur die geringste Ahnung, was Wissenschaft bedeutet. Er schreibt den „freien Zugang der Öffentlichkeit zu den Speichern und Datenbanken“ vor. Eine entsetzliche Sicht der Befreiung, die ein wenig eingefangen wird durch: „Datenbanken sind die Enzyklopädie von morgen; sie sind die ‚Natur‘ für postmoderne Männer und Frauen.“
Frank Lentricchia bezeichnete Derridas dekonstruktivistisches Projekt als „eine elegante, gebieterische Übersicht, die in der Philosophiegeschichte nur von Hegel übertroffen wird.“ Es ist eine offensichtliche Ironie, dass die Postmodernisten eine allgemeine Theorie benötigen, um ihre Behauptung zu untermauern, warum es keine allgemeinen Theorien oder Metanarrative geben kann und soll. Sartre, die Gestalttheoretiker und der gesunde Menschenverstand sagen uns, dass das, was pm als „totalisierende Vernunft“ abtut, in Wirklichkeit der Wahrnehmung selbst inhärent ist: Man sieht in der Regel ein Ganzes und keine diskreten Fragmente. Eine weitere Ironie liegt in Charles Altieris Beobachtung über Lyotard, „dass dieser Denker, der sich der Gefahren von Meistererzählungen so sehr bewusst ist, dennoch der Autorität der verallgemeinerten Abstraktion völlig verpflichtet bleibt.“ Pm verkündet eine anti-generalistische Tendenz, aber seine Vertreter, Lyotard vielleicht ganz besonders, behalten ein sehr hohes Abstraktionsniveau bei, wenn sie über Kultur, Modernität und andere derartige Themen diskutieren, die natürlich bereits große Verallgemeinerungen sind.
„Eine befreite Menschheit“, schrieb Adorno, „wäre keineswegs eine Totalität“. Nichtsdestotrotz haben wir es gegenwärtig mit einer sozialen Welt zu tun, die eine ist und die sich mit aller Rache totalisiert. Die Postmoderne mit ihrer gefeierten Fragmentierung und Heterogenität mag sich dafür entscheiden, die Totalität zu vergessen, aber die Totalität wird uns nicht vergessen.
Deleuze, Guattari und Baudrillard
Die „Schizo-Politik“ von Gilles Deleuze ergibt sich zumindest teilweise aus der vorherrschenden Verweigerung eines Überblicks, eines Ausgangspunkts. Die auch als „Nomadologie“ bezeichnete Methode von Deleuze, die sich des „rhizomatischen Schreibens“ bedient, setzt sich für die Deterritorialisierung und Entschlüsselung von Herrschaftsstrukturen ein, durch die sich der Kapitalismus durch seine eigene Dynamik selbst ablöst. Mit seinem zeitweiligen Partner Felix Guattari, mit dem er eine Spezialisierung auf die Psychoanalyse teilt, hofft er, die schizophrene Tendenz des Systems bis zur Erschütterung verschärft zu sehen. Deleuze scheint die absurdistische Überzeugung von Yoshimoto Takai, dass der Konsum eine neue Form des Widerstands darstellt, zu teilen oder ihr zumindest sehr nahe zu kommen.
Diese Art der Verleugnung der Totalität durch die radikale Strategie, sie dazu zu bringen, sich ihrer selbst zu entledigen, erinnert auch an den ohnmächtigen pm-Stil der gegensätzlichen Repräsentation: Bedeutungen dringen nicht zu einem Zentrum vor, sie repräsentieren nicht etwas, das außerhalb ihrer Reichweite liegt. „Denken ohne zu repräsentieren“, so beschreibt Charles Scott den Ansatz von Deleuze. Die Schizo-Politik zelebriert Oberflächen und Diskontinuitäten; die Nomadologie ist das Gegenteil von Geschichte.
Deleuze verkörpert auch das postmoderne Thema des „Todes des Subjekts“, in seinem und Guattaris bekanntestem Werk, Anti-Ödipus, und in der Folge. Die „Wunschmaschinen“, die durch die Kopplung menschlicher und nicht-menschlicher Teile ohne Unterscheidung zwischen ihnen entstehen, versuchen, den Menschen als Mittelpunkt seiner Gesellschaftstheorie zu ersetzen. Der Illusion eines individuellen Subjekts in der Gesellschaft stellt Deleuze ein Subjekt entgegen, das nicht einmal mehr als anthropozentrisch erkennbar ist. Man kann sich trotz seiner vermeintlich radikalen Intention des Eindrucks nicht erwehren, dass er sich der Entfremdung hingibt, ja sich in Entfremdung und Dekadenz suhlt.
In den frühen 70er Jahren legte Jean Baudrillard in seinem Le miroir de la production (Spiegel der Produktion) (1972) die bourgeoisen Grundlagen des Marxismus offen, insbesondere seine Verehrung von Produktion und Arbeit. Dieser Beitrag beschleunigte den Niedergang des Marxismus und der Kommunistischen Partei in Frankreich, die nach der reaktionären Rolle, die die Linke bei den Umwälzungen des Mai ’68 gespielt hatte, bereits in Schieflage geraten war. Seitdem ist Baudrillard jedoch zu einem Vertreter der dunkelsten Tendenzen der Postmoderne geworden und hat sich vor allem in Amerika zu einem Popstar für die Ultraverdrossenen entwickelt, der für seine völlig desillusionierten Ansichten über die heutige Welt berühmt ist. Abgesehen von der unglücklichen Resonanz zwischen der fast halluzinatorischen Morbidität Baudrillards und einer in Auflösung begriffenen Kultur ist es auch wahr, dass er (zusammen mit Lyotard) durch den Raum, den er nach dem Ableben relativ tiefgründiger Denker wie Barthes und Foucault in den 80er Jahren ausfüllen sollte, vergrößert worden ist.
Derridas dekonstruktive Beschreibung der Unmöglichkeit eines Referenten außerhalb der Repräsentation wird für Baudrillard zu einer negativen Metaphysik, in der die Realität durch den Kapitalismus in Simulationen verwandelt wird, die keinen Rückhalt haben. Die Kultur des Kapitals wird als über ihre Risse und Widersprüche hinausgehend betrachtet, bis hin zu einem Ort der Selbstgenügsamkeit, der sich wie eine eher science-fictionhafte Darstellung von Adornos total administrierter Gesellschaft liest. Und es kann keinen Widerstand, kein „Zurück“ geben, zum Teil deshalb, weil die Alternative jene Nostalgie nach dem Natürlichen, nach den Ursprüngen wäre, die von der Postmoderne so vehement ausgeschlossen wird.
„Das Reale ist das, wovon man eine gleichwertige Reproduktion geben kann. Die Natur ist so weit hinter sich gelassen worden, dass die Kultur die Materialität bestimmt, genauer gesagt, die mediale Simulation die Realität prägt.“ „Das Simulakrum (A.d.Ü., Scheinbild) ist niemals das, was die Wahrheit verbirgt – es ist die Wahrheit, die verbirgt, dass es keine gibt. Das Simulakrum ist wahr.“ Debords „Gesellschaft des Spektakels“ – aber in einem Stadium der Implosion des Selbst, des Handelns und der Geschichte in die Leere der Simulationen, so dass das Spektakel nur noch sich selbst dient.
Es liegt auf der Hand, dass in unserem „Informationszeitalter“ die elektronischen Medientechnologien immer dominanter geworden sind, aber die Übertreibung von Baudrillards dunkler Vision ist ebenso offensichtlich. Die Betonung der Macht der Bilder darf nicht die zugrundeliegenden materiellen Determinanten und Ziele, nämlich Profit und Expansion, verschleiern. Die Behauptung, dass die Macht der Medien heute bedeutet, dass das Reale nicht mehr existiert, ist mit seiner Behauptung verwandt, dass die Macht „nirgendwo mehr zu finden ist“; und beide Behauptungen sind falsch. Die berauschende Rhetorik kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die wesentlichen Informationen des Informationszeitalters mit den harten Realitäten von Effizienz, Buchhaltung, Produktivität und dergleichen befassen. Die Produktion ist nicht durch die Simulation ersetzt worden, es sei denn, man kann sagen, dass der Planet durch bloße Bilder verwüstet wird, was nicht heißen soll, dass eine fortschreitende Akzeptanz des Künstlichen die Erosion dessen, was vom Natürlichen übrig geblieben ist, nicht erheblich unterstützt.
Baudrillard behauptet, dass der Unterschied zwischen Realität und Repräsentation zusammengebrochen ist und uns in einer „Hyperrealität“ zurücklässt, die immer und nur ein Simulakrum ist. Seltsamerweise scheint er die Unvermeidbarkeit dieser Entwicklung nicht nur anzuerkennen, sondern sie sogar zu feiern. Das Kulturelle im weitesten Sinne hat ein qualitativ neues Stadium erreicht, in dem der eigentliche Bereich der Bedeutung und der Signifikation verschwunden ist. Wir leben im „Zeitalter der folgenlosen Ereignisse“, in dem das „Reale“ nur noch als formale Kategorie überlebt, und das, so meint er, wird begrüßt. „Warum sollten wir denken, dass die Menschen ihr tägliches Leben verleugnen wollen, um nach einer Alternative zu suchen? Im Gegenteil, sie wollen daraus ein Schicksal machen … die Monotonie durch eine noch größere Monotonie ratifizieren.“ Wenn es einen „Widerstand“ geben sollte, dann ist sein Rezept dafür ähnlich wie das von Deleuze, der die Gesellschaft zu mehr Schizophrenie anregen würde. Das heißt, er besteht ganz und gar in dem, was das System gewährt: „Ihr wollt, dass wir konsumieren – o.k., lasst uns immer mehr konsumieren, und zwar alles Mögliche; zu jedem sinnlosen und absurden Zweck.“ Das ist die radikale Strategie, die er „Hyperkonformität“ nennt.
An vielen Stellen lässt sich nur erahnen, auf welche Phänomene sich Baudrillards Übertreibung bezieht, wenn überhaupt. Die Bewegung der Konsumgesellschaft in Richtung Uniformität und Zerstreuung wird vielleicht an einer Stelle angedeutet… aber warum sollte man sich die Mühe machen, wenn die Behauptungen nur allzu oft kosmisch überhöht und lächerlich erscheinen. Dieser extremste Theoretiker der Postmoderne, der inzwischen selbst zu einem der meistverkauften Kulturgüter geworden ist, hat von der „unheilvollen Leere des gesamten Diskurses“ gesprochen, anscheinend ohne zu wissen, dass er damit auf seine eigene Leere verweist.
Japan mag nicht als „Hyperrealität“ gelten, aber es ist erwähnenswert, dass seine Kultur noch entfremdeter und postmoderner zu sein scheint als die der USA. Nach dem Urteil von Masao Miyoshi „sind die Auflösung und der Untergang der modernen Subjektivität, von denen Barthes, Foucault und viele andere sprechen, in Japan schon seit langem zu beobachten, wo die Intellektuellen chronisch über die Abwesenheit des Selbst beklagen“. Eine Flut von weitgehend spezialisierten Informationen, die von Experten aller Art bereitgestellt werden, unterstreicht das japanische High-Tech-Konsumethos, in dem die Unbestimmtheit der Bedeutung und eine hohe Wertschätzung der ständigen Neuheit Hand in Hand gehen. Yoshimoto Takai ist vielleicht der produktivste Kulturkritiker des Landes; irgendwie erscheint es vielen nicht seltsam, dass er auch ein männliches Fotomodell ist, das die Tugenden und Werte des Einkaufens preist.
Yasuo Tanakas äußerst populäres Somehow, Crystal (1980) war wohl das japanische Kulturphänomen der 80er Jahre, denn dieser leere, unverschämt konsumorientierte Roman, der von Markennamen nur so strotzt (ähnlich wie Bret Easton Ellis‘ American Psycho von 1991), dominierte das Jahrzehnt. Doch mehr noch als die Oberflächlichkeit ist es der Zynismus, der den vollen Anbruch der Postmoderne in Japan zu kennzeichnen scheint: Wie sonst ist es zu erklären, dass die prägnantesten Analysen von der pm – Now is the Meta-Mass Age, zum Beispiel – von der Parco Corporation, dem trendigsten Marketing- und Einzelhandelsunternehmen des Landes, veröffentlicht werden. Shigesatu Itoi ist ein Top-Medienstar mit einer eigenen Fernsehsendung, zahlreichen Veröffentlichungen und ständigen Auftritten in Zeitschriften. Die Grundlage für den Ruhm dieses Idols? Ganz einfach, weil er eine Reihe von hochmodernen (auffälligen, fragmentierten usw.) Werbespots für Seibu, Japans größte und innovativste Kaufhauskette, geschrieben hat. Wo der Kapitalismus in seiner fortschrittlichsten, postmodernen Form existiert, wird Wissen genauso konsumiert, wie man Kleidung kauft. „Bedeutung“ ist passé, irrelevant; Stil und Aussehen sind alles.
Wir sind schnell an einem traurigen und leeren Ort angelangt, den der Geist der Postmoderne nur zu gut verkörpert. „Niemals zuvor in einer Zivilisation schienen die großen metaphysischen Fragen, die grundlegenden Fragen nach dem Sein und dem Sinn des Lebens, so weit entfernt und sinnlos“, urteilt Frederic Jameson. Peter Sloterdijk stellt fest, dass „die Unzufriedenheit in der Kultur eine neue Qualität angenommen hat: Sie erscheint als universeller, diffuser Zynismus“. Die Erosion des Sinns, vorangetrieben durch verstärkte Verdinglichung und Fragmentierung, lässt den Zyniker überall auftauchen. Psychologisch „ein Borderline-Melancholiker“, ist er nun „eine Massenfigur“.
Die postmoderne Kapitulation vor Perspektivismus und Dekadenz neigt dazu, die Gegenwart nicht als entfremdet zu betrachten – sicherlich ein altmodisches Konzept -, sondern eher als normal und sogar angenehm. Robert Rauschenberg: „Leute, die Dinge wie Seifenschalen, Spiegel oder Colaflaschen hässlich finden, tun mir wirklich leid, denn sie sind den ganzen Tag von solchen Dingen umgeben, und das muss sie unglücklich machen.“ Nicht nur, dass „alles Kultur ist“, die Kultur der Ware, ist beleidigend; es ist auch die Bestätigung dessen, was ist, durch die Weigerung, qualitative Unterscheidungen und Urteile zu treffen. Wenn die Postmoderne uns zumindest den Gefallen tut, unbewusst die Zersetzung und sogar die Verderbtheit einer kulturellen Welt zu registrieren, die die gegenwärtige erschreckende Verarmung des Lebens begleitet und unterstützt, dann ist das vielleicht ihr einziger „Beitrag“.
Wir sind uns alle der Möglichkeit bewusst, dass wir bis zu ihrer und unserer Selbstzerstörung eine Welt ertragen müssen, die auf fatale Weise unscharf ist. „Offensichtlich löst sich die Kultur nicht auf, nur weil die Menschen entfremdet sind“, schrieb John Murphy und fügte hinzu: „Es muss jedoch eine seltsame Art von Gesellschaft erfunden werden, damit die Entfremdung als normativ angesehen wird.“
Wo bleiben unterdessen Vitalität, Verweigerung, die Möglichkeit, eine nicht verstümmelte Welt zu schaffen? Barthes proklamierte einen nietzscheanischen „Hedonismus des Diskurses“; Lyotard riet: „Lasst uns Heiden sein.“ Welch wilde Barbaren! Natürlich ist ihr wirkliches Material leer und entmutigt, eine durch und durch relativierte akademische Sterilität. Die Postmoderne lässt uns hoffnungslos in einem unendlichen Einkaufszentrum zurück, ohne lebendige Kritik, nirgendwo.