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Der Anarchist Alfredo Cospito hat seinen seit dem 20. Oktober andauernden Hungerstreik beendet.

Per Mail erhalten, aus la nemesi.
Der Anarchist Alfredo Cospito hat seinen seit dem 20. Oktober andauernden Hungerstreik beendet. Am Mittwoch, den 19. April 2023, beendete der Anarchist Alfredo Cospito seinen Hungerstreik, den er 181 Tage zuvor, am 20. Oktober 2022, im Gefängnis von Bancali auf Sardinien begonnen hatte. Der Gefährte, der derzeit in der Abteilung für Gefängnismedizin des Krankenhauses San Paolo in Mailand inhaftiert ist, hatte seinen Hungerstreik sechs Monate lang bis zum bitteren Ende durchgehalten. Er richtete sich gegen die Haftbedingungen, gegen den Artikel 41bis der Strafvollzugsordnung (am 5. Mai 2022 wurde er in das Isolationshaftregime verlegt) und gegen die lebenslange Freiheitsstrafe ohne Bewährung, die am Ende des Prozesses Scripta Manent das endgültige Urteil für den Gefährten zu sein drohte. Die Unterbrechung des Hungerstreiks erfolgte nach der Anhörung vor dem Verfassungsgericht am 18. April in Rom, bei der mildernde Umstände für Wiederholungstäter bei allen Verurteilungen zu lebenslangen Freiheitsstrafen anerkannt wurden. Dies ist bei Alfredo der Fall, da mit der Neueinstufung (durch das Kassationsgericht am Ende des Verfahrens Scripta Manent) der Anklage wegen des doppelten Sprengstoffanschlags auf die Kadettenkaserne der Carabinieri in Fossano am 2. Juni 2006 von einem „gewöhnlichen Massenmord“ (Art.422 des italienischen Gesetzbuch ) in einen „politisch motivierten Massenmord“ (d.h. „Massenmord mit dem Ziel, die Sicherheit des Staates anzugreifen“, Art.285 des italienischen Strafgesetzbuches) umzuwandeln, drohten Alfredo Cospito und Anna Beniamino auf Antrag der Turiner Staatsanwaltschaft lebenslange bzw. 27 Jahre Haft. Was in den letzten Tagen geschehen ist, ist sicherlich kein „Sieg“ für den Rechtsstaat oder eine „Rückkehr“ zu den Prinzipien der Verfassung, sondern vielmehr das Ergebnis des Hungerstreiks und der internationalen Solidaritätsbewegung, die sich in den letzten 11 Monaten entwickelt hat. Der Staat wollte Alfredo Cospito mit der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe und dem 41bis lebenslang im Gefängnis begraben. Heute, obwohl der Gefährte weiterhin im 41bis einsitzt, haben der Staat und seine Repressionsapparate dieses Ziel nicht erreicht. In den letzten Monaten hat der Gefährte sein Leben riskiert und riskiert es immer noch in dieser neuen und heiklen Phase, in der seine Fähigkeit, sich selbst zu ernähren, langsam wiederzuerlangen beginnt. Der Gefährte hat bereits wahrscheinlich bleibende neurologische Schäden erlitten, insbesondere im peripheren Nervensystem (wo er die volle Sensibilität in einem Fuß verloren, der andere Fuß hat eine verminderte Sensibilität und eine Hand hat begonnen, ähnliche Symptome zu zeigen). Die Fortsetzung des Hungerstreiks in der Art und Weise, wie er seit vielen Monaten durchgeführt wurde, brachte ihn objektiv nicht in die unmittelbare Gefahr eines plötzlichen Todes, der wahrscheinlich durch die Überwachung im Krankenhaus hätte vermieden werden können. Er brachte sich jedoch in die Gefahr eines fortschreitenden und dauerhaften körperlichen Verfalls mit mehr oder weniger schwerwiegenden Folgen, die vor allem in einer weiteren Beeinträchtigung des Nervensystems bestehen. Während dieses Hungerstreiks hat Alfredo immer wieder betont, dass er nicht nur für sich kämpft, sondern für alle Gefangenen im 41bis und darüber hinaus, um Solidarität mit den inhaftierten Anarchisten, Kommunisten und Revolutionären auf der ganzen Welt zu entwickeln. Und in diesen sechs Monaten des Streiks wurde die Solidarität mit Alfredo in Gefängnissen auf der ganzen Welt zum Ausdruck gebracht, vor allem von anarchistischen und revolutionären Mitgefangenen, die sich in Italien, Frankreich, Chile, Griechenland, Großbritannien, Spanien und Deutschland solidarisierten und kämpften, indem sie ihrerseits in den Hungerstreik traten, Solidaritätsinitiativen, Erklärungen und Analysen veröffentlichten. Eine Solidarität, die insbesondere in Italien auch von anderen Gefangenen – nicht nur von inhaftierten Anarchisten und Revolutionären – in vielfältiger Form zum Ausdruck gebracht wurde. Die autoritäre Wende, Ausdruck des Kapitalismus in seiner neoliberalen Ausprägung, der sich derzeit in der Krise befindet, hat zu einer starken Repression gegen Anarchisten geführt und wird dies auch weiterhin tun; eine Repression, die – wie wir in den letzten Jahren beobachten konnten – auf die ausgebeuteten sozialen Schichten übergegriffen hat, die am meisten unter der sozialen und ökologischen Krise leiden. Aber die Warnung, die der italienische Staat der anarchistischen Bewegung geben wollte, wurde mit Entschlossenheit und Konsequenz an den Absender zurückgeschickt. Der sechsmonatige Hungerstreik hat verhindert, dass Alfredo und alle inhaftierten Gefährten isoliert bleiben. In diesen langen Monaten ist eine internationale revolutionäre Solidaritätsbewegung entstanden, die – vor dem 20. Oktober und, da sind wir sicher, auch nach diesem 19. April – in der Lage war und sein wird, den Sinn und die Perspektive unserer Ideen und unserer Praxis zu bekräftigen. Eine Bewegung, die vom Beginn des Hungerstreiks bis zum bitteren Ende konsequent gewachsen ist und alle Kompromisshypothesen zurückgewiesen hat, wird das Bewusstsein der Solidarität weiter entwickeln. DIE GEFANGENEN DES SOZIALEN KRIEGES ZU VERGESSEN BEDEUTET, DEN KRIEG SELBST ZU VERGESSEN: REVOLUTIONÄRE SOLIDARITÄT MIT ALFREDO COSPITO UND ALLEN INHAFTIERTEN ANARCHISTEN UND REVOLUTIONÄREN. 20. April 2023

Broschüre von: Gegen alle Kriege … außer den „gerechten“ Kriegen?

Wir veröffentlichten am 01.03.2023 die Übersetzung des Textes Gegen alle Kriege … außer den „gerechten“ Kriegen?“, nun hat die Gruppe Klassenkrieg/Tridni Valka diesen im Form von einer Broschüre layoutiert/gestaltet und allen zur Verfügung gestellt die es drucken und verbreiten wollen. Hier den Link zum PDF Format der Broschüre. KRIEG DEM KRIEG! GEGEN DIE KRIEGE DES KAPITALISMUS, LAUTET UNSERE ANTWORT SOZIALER KRIEG UND KLASSENKRIEG! FÜR DIE ANARCHIE

Vom Ernten toter Elefanten – Die falsche Opposition der Animal Liberation

Dieser Text erschien im März 2007 in der anarchistischen Publikation ‚A Murder of Crows #2 for social war and the subversion of daily life‘. Der Text wurde vor vielen Jahren übersetzt und kursierte auch als Broschüre. Wir haben ein paar Korrekturen vorgenommen, nur dass was uns als Rechtschreibfehler aufgefallen sind. Ansonsten handelt es sich hier um eine Kritik an die Ideologie und die Moral. Spezifisch an jene die mit Tierbefreiung und Veganismus zu tun hat. Es handelt sich also nicht um eine Kritik ‚gegen‘ Tierbefreiung und Veganismus, sondern die, von manchen, daraus resultierende Ideologie und Moral, die es als Grundpfeiler ihrer falschen Haltung und Argumentation zu kritisieren gilt.
Vom Ernten toter Elefanten – Die falsche Opposition der Animal Liberation von Aden Marcon Ich hab noch nie jemanden getroffen, der als Kind sagte ‘Wenn ich groß bin, will ich Kritiker werden.’ – Richard Prior Wir glauben, dass es einige gibt, die unter dem sehr breiten Banner der Animal Liberation Aktionen machen, denen es ebenso wie wie uns darum geht, diese auf Ausbeutung und Elend basierende Gesellschaft komplett umzuwälzen. Nichts desto trotz sehen wir, dass viele in radikalen und anarchistischen Kreisen die Philosophie der Animal Liberation und des Veganismus auf unkritische Art begrüßen. Diese Ideen werden mit Beharrlichkeit und Ausdauer beibehalten und wurden unglücklicherweise selten in Frage gestellt, zumindest nicht in Nordamerika. Wir hoffen mit dieser Kritik einige Ansatzpunkte für kritischeres Denken und theoretische Reflexion bereitzustellen, Werkzeuge, die wir für effektive Aktionen gegen Herrschaft und Unterdrückung brauchen werden. Animal Liberation: Ein kurzer Überblick Animal Liberation entwickelte und radikalisierte sich als Bewegung in den 1970er Jahren in Großbritannien und in geringerem Maße in den USA. Ihre Philosophie entwickelte sich aus der Tierrechtsidee, mit der es häufig Überschneidungen gibt. Animal Rights geht davon aus, dass alle Tiere das Recht auf ihr eigenes Leben haben, sie moralische Rechte besitzen sollten, und dass einige der Rechte für Tiere gesetzlich festgeschrieben werden sollten, wie beispielsweise das Recht nicht eingesperrt, verletzt oder getötet zu werden. Peter Singer ist einer der ideologischen Gründer Animal Liberation. Sein Zugang zum moralischen Status der Tiere basiert nicht auf dem Konzept von Rechten, sondern auf dem utilitaristischen1 Prinzip der Abwägung von Interessen. In seinem Buch Animal Liberation argumentiert er 1975, dass Menschen ihre moralische Überlegungen anderen Tieren gegenüber nicht abhängig machen sollten von Intelligenz, der Fähigkeit zu moralisieren, oder anderen menschlichen Attributen, sondern vielmehr von der Fähigkeit Leid zu erfahren. Die Ideologie der Animal Liberation besteht darauf, dass Menschen im Unterschied zu Tieren moralische Entscheidungen treffen können, dass die Wahl der Menschen daher in der Vermeidung bestehen muss Leid zu verursachen. Seit den philosophischen Anfängen von Animal Rights und Animal Liberation sind weltweit viele Animal Liberation Gruppen entstanden, jede mit ihrem eigenen Zugang, und doch arbeiten alle grundsätzlich für das gleiche Ziel. Entsprechend wurde Veganismus – der Lebensstil, der darin besteht keine tierischen Produkte zu konsumieren oder zu nutzen, ebenso wenig Produkte, die an Tieren getestet wurden – immer populärer. Meine Absicht ist es an dieser Stelle nicht, das Thema erschöpfend darzustellen. Wer mehr über die Animal Liberation Bewegung lernen möchte, sei auf die Fülle [englischsprachiger] Bücher und Webseiten zum Thema verwiesen2. Manipulationen, Repräsentationen und Abstraktionen Animal Liberation ist…ein Krieg. Ein langer, harter, blutiger Krieg, in dem es all die zahllosen Millionen Opfer immer nur auf einer Seite gab, die unschuldig und ohne Verteidung waren, deren einzige Tragödie es war, nicht als Mensch geboren zu sein. – Robin Webb, Britischer ALF Pressesprecher …der abstrakteste der Sinne, und der am leichtesten zu täuschende… – Guy Debord, Gesellschaft des Spektakels Um irgendetwas kritisieren zu können, müssen wir verstehen, wie es von seinen FürsprecherInnen repräsentiert wird. Die Animal Liberation Bewegung bezieht sich zuerst und vor allem auf verschiedene unkritisch angenommene Klischees, die es – wie in der Gesellschaft auch – bei AktivistInnen der Bewegungen im Überfluss gibt. Die Sprache der Animal Liberation spielt mit Konzepten von Niedlichkeit, Mitleid und Philanthropie, die in uns hinein sozialisiert wurden, die als zivil, verantwortlich und gut gelten. Animal Liberation stellt sich selbst als moralische und zivile Weiterentwicklung der menschlichen Gesellschaft dar, als Prozess, in dem wir „unseren Kreis des Mitgefühls ausweiten“3. Uns wird gesagt, dass Menschen Schmerz und Leid für Tiere vermeiden können und sollen, dass die Menschheit durch dieses Handeln auf den richtigen Weg zu einer freundlicheren und friedlicheren Welt kommen wird. Diese Konzentration auf das Leid und die angenommene Notwendigkeit seiner Beseitigung ist höchst problematisch. Unter dem Kapitalismus werden Tiere als Waren benutzt – als Objekte, deren einziger Zweck es ist, gekauft und verkauft zu werden – und als Objekte, die gezählt, kommerzialisiert und ausgepreist werden. TierbefreierInnen reduzieren indes all diese Dinge auf eine breite Kategorisierung: Leid. Diese Reduzierung beseitigt alle Kniffligkeiten und Spezifika dessen, wie Tiere im gegenwärtigen sozialen Kontext benutzt werden, sie verflacht die Natur ihrer Ausbeutung. Für TierbefreierInnen ausschlaggebend ist das Ausmaß des Schmerzes, der Tieren zugefügt wird und die Anzahl der getöteten Tiere. Dies führt allgemeinen zu lächerlichen Übervereinfachungen von allen, die Tiere töten. JägerInnen sind schlecht, weil sie Tiere töten, genau wie die industrielle Landwirtschaft, genau wie HaustierbesitzerInnen, die ihre Tiere misshandeln; für TierbefreierInnen ist das nur eine graduelle Frage. Ihr Fokus ist es einfach Leid zu beenden – eine komplette Absurdität in sich. Wir sollten hier keinen Fehler machen: Tiere fühlen Schmerz und alle, die das Gegenteil behaupten sind dumm. Zugleich ist die Behauptung, dass Schmerz und Leid beendet werden können nicht weniger dumm. Schmerz ist ein unabtrennbarer Teil des Lebens. Tiere können in der Wildnis verhungern, sich die Knochen brechen oder von einem anderen Tier in Stücke gerissen werden. Schmerz ist dann ein biologischer Indikator von Gefahr, Verwundung und Krankheit. Er stößt Tieren dann ohne jede menschliche Einflussnahme zu. Dennoch präsentiert Animal Liberation den Schmerz und Tod von Tieren als Konsequenz einer den Menschen unterstellten moralischen Rückständigkeit, wo Tiere immer benutzt und beherrscht werden, weil wir sie nicht gleichermaßen berücksichtigen; wir uns nicht weiterentwickelt haben. TierbefreierInnen gehen auf diese Art von der widersprüchlichen und gefährlichen Behauptung aus, dass Leid und Schmerz zumindest für Tiere beendet werden können, entweder in Gänze oder sofern es von menschlichem Handeln verursacht wurde. Dabei ist die Idee das Leid zu beenden so albern wie zu versuchen die Traurigkeit abzuschaffen und überall herumzulaufen und zu versuchen die Leute zum Lachen zu bringen. Es wäre eine sinnlose Übung. Wir sind auf intime Weise in einem Kreislauf aus Leben und Tod verbunden, der Schmerz und Leid ebenso notwendig beinhaltet wie Traurigkeit und Freude. Dann erzählen sie uns, dass wir von ihrer Sache überzeugt wären, wenn wir nur nicht länger wegsehen würden. Entsetzliche Bilder voller Blut und Tod in der Massentierhaltung und der Verrohung der Versuchslabors kommen reichlich vor in der Propaganda der Animal Liberation. Diese Bilder werden genutzt, um das Elend zu repräsentieren und auszubeuten – sie sind nicht anders als jene, mit denen wir von den Nachrichtenmedien schockiert werden. Während uns die Medien mit Bildern der globalen Misere schockieren und uns so zugleich daran als Normalität gewöhnen, stellt die Animal Liberation Bewegung das Elend dar, um zu manipulieren und mit Schuldgefühlen zur restlosen Einnahme ihrer Perspektive zu bewegen. Es ist nicht ungewöhnlich, dass TierbefreierInnen die Ausbeutung der Tiere mit dem Holocaust vergleichen, während sie zugleich implizieren, dass was Tiere durchmachen müssen tatsächlich weit schlimmer ist als alles, was Menschen erleben können. Diese Analogie spielt mit unserem Mitgefühl, während sie das Leid der Tiere quantifiziert und uns mit dem schieren Gewicht der Zahlen überzeugen will. Schmerz und Tod werden abstrahiert und bemessen, repräsentiert in einer Weise, die der ideologischen Werbung dient. Wenn uns die Millionen Tiere, die jedes Jahr sterben nicht kümmern, dann sind wir grausam und gefühllos. Wenn wir uns nicht kümmern, dann sind wir verantwortlich. Animal Liberation liefert uns keinerlei kritische Einschätzung sozialer Herrschaft. Sie verspricht Befreiung, während sie tatsächlich fast alles auf die quantifizierende Logik einengt, die überall in der Gesellschaft zu finden ist. Die abstrahierende Sprache und manipulativen Bilder der Animal Liberation Bewegung liefern den Nachweis für ihre weitreichendere Logik, und definitiv für eine ihrer größten Schwächen. Das Elend in Schlachthaus und Versuchslabor zu messen ist ein Aufruf, der auf eine bestimmte Anzahl kapitalistischen Horrors aufbaut. Der Horror, der Tieren angetan wird, wird dadurch über alle anderen erhoben, dass immer wieder auf Leichenzählungen und Maßeinheiten des Leids verwiesen wird. Elend und Ausbeutung können jedoch nicht gemessen werden; sie wird nicht dadurch schlimmer, dass sie häufiger oder von mehr Lebewesen erfahren wird. Wir haben genau deshalb einen Bezug dazu, weil wir es jeden Tag erleben und sehen, dass es überall auf der Welt erlebt wird. Wenige von uns würden gleichgültig auf das Gemetzel des Schlachthauses reagieren. Unsere Gesellschaft behandelt Tiere genauso, wie sie Menschen oder Bäume oder Gene behandelt. Alle werden als Einheiten ökonomischen Werts behandelt, so effizient wie möglich verarbeitet und dann in vermarktbare Waren verwandelt. Aber unsere Abscheu kommt nicht aus irgendeiner Fantasie über das Ende des Leids. Wir wollen die revolutionäre Zerstörung dieser Gesellschaft der Ausbeutung. Wir hassen die Erniedrigung und das Elend von allem, was in Objekte zum Verkauf verwandelt wird, bewertet entlang des kapitalistischen Diktats der modernen Welt. Wir wollen über unser Leben und unsere Beziehungen selbst entscheiden, außerhalb des Marktes. Es ist diese Perspektive, aus der wir Ausbeutung und Versklavung als eine Bedingung sozialer Herrschaft analysieren – eine Bedingung die umgewandelt werden kann. Aus dieser Perspektive kritisieren wir auch Animal Liberation und ihre dubiosen Versprechungen. Dies, Das und das Gleiche: Die Widersprüche des grausamkeits-freien Konsums Willkommen, EinkäuferInnen! Wir danken Ihnen, dass sie ein mitfühlender Konsument sind! Indem Sie nur grausamkeits-freie Produkte kaufen, können Sie helfen Kaninchen, Mäuse, Meerschweinchen, Ratten und andere Tiere zu retten. – von PETAs Caring Consumer Webseite Animal Liberation versucht die gegenwärtigen sozialen Verhältnisse zum Teil dadurch zu reformieren, dass sie „grausamkeits-freien“ und „mitfühlenden“ Konsum bewirbt. Indem sie sich für diese Art ökonomischen Konsums einsetzen, beanspruchen sie, das Leiden der Tiere zu reduzieren. Die Logik lautet, kein Tier werde verletzt oder getötet, wenn keine Produkte von Tieren benutzt oder konsumiert werden. Die Idee der KonsumentInnen-Reform basiert auf dem Glauben, dass das System fehlerhaft und unnötig grausam ist und lediglich einer Reparatur bedarf. Diese Bewegung steht offenkundig nicht in Opposition zum Kapitalismus an sich, ganz gleich was einige von ihnen behaupten. Wie dem auch sei, die Realität ist, dass das Elend eine unvermeidbare Konsequenz von kapitalistischer Konsumtion Willkommen, EinkäuferInnen! Wir danken Ihnen, dass sie ein mitfühlender Konsument sind! Indem Sie nur grausamkeits-freie Produkte kaufen, können Sie helfen Kaninchen, Mäuse, Meerschweinchen, Ratten und andere Tiere zu retten.und Produktion ist. Alles was wir kaufen ist Objekt und Ware – quantifiziert, reduziert, einzig nach seiner Rolle in der Ökonomie bewertet. Elend ist einfach ein weiteres Nebenprodukt, wie Umweltverschmutzung, das keinen ökonomischen Wert hat und deshalb frei verbreitet wird. Der Kult des Veganismus ist insofern effektiv, als er die falschen Argumente der KonsumentInnen-Reform in aller Kürze zusammenfasst. Die Widersprüche der veganen Ethik werden schmerzhaft offensichtlich, wenn wir die Herkunft aller Produkte und Waren in unserer Gesellschaft betrachten. Das Pfund Tofu oder die Flasche grausamkeits-freies Shampoo verbergen die Künstlichkeit des Anspruchs hinter dem Etikett. Die Behauptung, dass vegane Produkte nicht direkt zum Töten von Tieren beigetragen haben ist eine der vielen vermarkteten Illusionen, beworben von Konzernen, die von diesem Nischenmarkt profitieren. Die kapitalistische Produktion, angetrieben vom massenhaften Konsum, bedarf enormer Mengen von Ressourcen. Diese Ressourcen werden mit billigsten und zerstörerischsten Methoden aus der Erde herausgeholt, was massiv zur Zerstörung von Lebensräumen von Tieren und zum Tod von Tieren beiträgt. Die brutale Realität der Produktion liegt unter dem Glitter des Marktplatzes begraben. Ihr braucht nur darüber nachzudenken, wie die Produktion funktioniert. Die Herstellung von Plastik basiert auf Öl, somit bringt die Verpackung veganer Produkte die üblichen Umweltverschmutzungen und „Unfälle“ der Ölindustrie mit sich. Im Jahr werden etwa im Durchschnitt etwa 455 Millionen Liter Industrieöl ins Meer gekippt4. Davon stammen nur etwa 5% aus großen Tankerdhavarien wie dem Exxon Valdez Desaster5. Der Rest stammt aus Lecks und Routineverklappungen des normalen Betriebs der Ölförderung und des Öltransports. Dieses Öl schädigt die Nistplätze von Vögeln, erstickt Strandhabitate in Schlamm, vergiftet und tötet direkt Fische, Vögel und andere Meerestiere. Der Bau von Pipelines zerstört Lebensräume von Tieren. Ölraffinerien verschmutzen die Wasserwege, vergiften Tiere und zerstören ihre Brutstätten. Nicht mit eingerechnet die Kriege um diese Ressource Öl, die hunderttausende das Leben gekostet haben und das nach wie vor tun – in Afghanistan, im Irak und in Afrika – die auch die ökologische Integrität dieser Regionen zerstören. Tatsache ist, dass Bio-Sojabohnen für die Tofuproduktion, Tempeh und Fleischersatzprodukte das gleiche industrielle Distributions-System nutzen wie jedes andere Produkt im Laden, das enorme Mengen an Öl und anderen Ressourcen für Verpackung, Lagerung, Transport und Verteilung von food und non-food Waren über die ganze Welt verbraucht6. Dies übersetzt sich in zerstörte Berghänge und Flüsse durch den Bergbau fossiler Brennstoffe, den Kahlschlag von Wäldern zur Herstellung von Verpackungsmaterial, chemische Verschmutzung bei der Herstellung von Farbe, Kleber und Schmiermitteln, und so weiter, und so fort. All diese industriellen Prozesse vergiften Tiere und zerstören ihre Lebensräume. Die kapitalistische Ökonomie wird nichts tun, diese massive Zerstörung zu vermeiden, denn solche Vorkehrungen würden die Kosten der Produktion in die Höhe treiben und die Profite verringern. Was nichts anderes heißt, als dass der kapitalistische Konsum von der uneingeschränkten Ausweitung des Konsums von Ressourcen und der Zerstörung der Umwelt abhängig ist, was sein Wachstum betrifft. Der Kapitalismus muss sich ausweiten oder sterben. Durch seine Ausweitung muss die Welt sterben. Der Veganismus präsentiert eine falsche Alternative zum kapitalistischen Elend. Weder für uns noch für die Tiere hat er und wird er je die Dinge ändern. Der Kapitalismus definiert die Bedingungen unseres Leidens und diktiert, wie wir leben werden, und wie wir ultimativ nicht werden leben können. Die Produktionsprozesse, die in vegane Produkte eingehen sind die gleichen wie für jedes andere Produkt auf dem Markt. Die Massenproduktion ist Teil einer globalen Arbeitsteilung, die weltweit Millionen Menschen ausbeutet. Ressourcen verwandeln sich nicht von selbst in Waren. Menschen produzieren sie. Sie werden ausgebeutet, um die Ökonomie in Schwung zu bringen, sie in Gang zu halten und funktionieren zu lassen. So nimmt es nicht wunder, dass KapitalistInnen Tiere wie Menschen als entbehrliche Objekte behandelt. Animal Liberation würde zwar für die Zerstörung oder Abschaffung von industrieller Tierhaltung und Metzgereien sprechen, dafür aber tierfreie Arbeitshäuser an ihre Stelle setzen. Dies ignoriert das Leid, das die Lohnarbeit mit ihrer Zerstörung der Körper und Abstumpfung der Köpfe verursacht. Wir Menschen werden vielleicht nicht für die Produktion von Nahrungsmitteln aufgezogen und getötet, für die Produktion als solche werden wir allemal genauso aufgezogen und getötet. Das morgendliche Pendeln zur Arbeit, Schulden und Miete, die Erschöpfung, die Langeweile und das Ausbleiben von Befriedigung – all das wird weiterexistieren in einer Welt, in der ausschließlich vegane Produkte verkauft werden. Es gibt keinen grausamkeits-freien Kapitalismus, nur Kapital für KapitalistInnen. Die Ökonomie sagt, wie es läuft, sie nimmt, was sie braucht und zerstört den Rest. Um dem kapitalistischen Elend etwas entgegenzusetzen, müssen wir uns gegen das Ganze wenden, die Illusion mundgerechter Halb-Maßnahmen und KonsumentInnen-Reform-Kampagnen zurückweisen. Dringender noch bedarf die kohärente Analyse sozialer Herrschaft einer unbeirrbaren Kritik der moralischen und ideologischen Kräfte, die genau diese Analyse zu verhindern suchen. Verdammt, wenn Du es tust – Moral als Falle des Geistes Seine Heiligkeit ist erfreut dazu berufen zu sein…barbarische und grausame Tendenzen aus den Herzen der Menschen zu löschen – Papst Pius X Moral ist der Herdeninstinkt des Individuums – Friedrich Nietzsche Moral ist ein System von Regeln, ein auf „objektiv“ Richtigem und Falschem aufgebautes Set rigider Codes, die ihrerseits auf Konzepten von Gut und Böse beruhen. Diese Codes können angeblich an allen Orten und zu allen Zeiten angewendet werden. Was unter einem moralischen Code als „richtig“ oder „falsch“ erachtet wird, bezeichnet nicht einfach das korrekte oder nicht korrekte Verhalten einer Person an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit, in einer bestimmten Kultur, sondern vielmehr das korrekte oder nicht korrekte Verhalten aller Personen an allen Orten zu allen Zeiten. MoralistInnen beanspruchen, dass ihre Verengung universeller Standard sei, nach denen ihr Handeln und das anderer zu beurteilen ist. Diese Moral selbst ist autoritär, da wir uns ungeachtet unseres eigenen Willens konform zu ihr verhalten müssen. Moral kommt von einer Autorität über uns. Diese Autorität kann Gott sein, der Staat, die Familie, oder verschiedene für wahr gehaltene Ideen und Einheiten, die der angenommenen Objektivität einer bestimmten Moral Geltung verschaffen. Moralische Codes definieren eine zu treffende Auswahl und richten sie aus. Sie dürfen nicht verletzt werden, da sie absolut und unbewegbar sind. Auf diese Art werden Entscheidungen nicht auf Grundlage dessen getroffen, was ein Mensch für seine Situation und Wünsche als angemessen empfindet, vielmehr werden diese Entscheidungen durch ein moralisches System vorbestimmt. Zwar brechen viele MoralistInnen gelegentlich aus ihrer Schublade aus, doch ist dies begleitet von Gefühlen der Scham und der Schuld, da sie Regeln gebrochen haben, von denen sie glauben, dass sie gerecht und gut sind. Damit ist Moral für all jene Antithese, die versuchen auf eine Art und Weise in der Welt zu denken und zueinander zu handeln, in der sich ihr Begehren wiederfindet. Entsprechend sind moralische Argumente nicht auf kritisches theoretisches Denken gegründet. Moralische Argumente oder Ansprüche können nur durch dagegen stehende moralische Ansprüche widerlegt werden. Fleisch essen mag für eine VegetarierIn falsch sein, für eine FleischesserIn ist es das nicht. Die Behauptung von richtig und falsch kann immer weiter gehen, bis der Mund müde und die Zunge trocken ist. Wie dem auch sei, die Moral ist entsprechend der Kultur der sie entspringt 7. Auffassungen von richtig und falsch werden von der Gesellschaft gesetzt, insbesondere von denjenigen, die die Gesellschaft kontrollieren. Wer sagt, das die in Stammesgesellschaften lebenden Jäger und Sammlerinnen MörderInnen sind, weil sie Fleisch essen ist mehr als alles andere in den eigenen arroganten moralischen Urteilen befangen. Es ist genau dieser Mangel an kritischem Denken, der vor dem Erkennen gemeinsamer Interessen der Menschen Barrieren errichtet. Manche TierbefreierInnen erzählen jenen, die Fleisch essen, voll gerechter Entrüstung wie böse ihre Nahrung ist. Diese indifferenten oder apathischen FleischesserInnen müssen darauf hingewiesen werden, dass sie zum Mord an unschuldigen Wesen beitragen. Wenn sie nicht zuhören, machen sie sich schuldig. Wenn sie zuhören aber nicht handeln, machen sie sich noch schuldiger. Die schwarzen und weißen Schatten der Moral fallen wie der Hammer des Richters. Kampagnen zur „Bildung“ der Menschen über Grausamkeit an Tieren oder Veganismus werden wie Missionsprojekte durchgeführt. Fromme Verurteilungen des Versagens anderer Leute, sich dem „Beenden des Leids“ zu verschreiben ähneln allzu sehr dem Priester auf seiner Kanzel, der diejenigen tadelt, die sich noch von ihren Sünden zu befreien haben. Diese Schuld führt einfach nur dazu, dass sich die Leute scheiße fühlen für ihre ohnehin machtlose Position in der Gesellschaft, eingeschränkt auf die Auswahl, die der Kapitalismus uns aufnötigt. Sie befördert keine kritische Bewertung der sozialen Bedingungen, die zur Ausbeutung der Tiere beiträgt, sondern ermuntert zu blindem Gehorsam im vorbestimmten Richtig und Falsch. Verschiedene soziale Institutionen – Religion, Schule, Arbeit, Familie – vermitteln moralischen Gehorsam, um unser Denken und Handeln intern zu regulieren und verschiedene Institutionen sozialer Herrschaft durchzusetzen. Die Moral ist der Bulle in unseren Köpfen, eine Fessel individueller und kollektiver Verwirklichung, und ein Hindernis für alle, die den Wunsch haben ihr Leben frei zu bestimmen. Wenn wir beginnen, für uns selbst zu entscheiden, was wir wollen und wie wir leben wollen, und es anderen erlauben dies auch zu tun, werden wir Riesenschritte dahingehend machen, uns von den unsichtbaren Gefängnissen zu befreien. Ideologie, verlässliche Fessel Da die Ideologie immer die Form ist, welche die Entfremdung in der Sphäre des Denkens annimmt, verstehen wir umso weniger unsere reale Situation, je mehr die Entfremdung zunimmt… Und je weniger wir unsere eigene autonome Existenz beanspruchen, umso greifbarer wird unsere Existenz mit dem Kapitalismus, mit den gefrorenen Bildern unserer Rollen in all den verschiedenen sozialen Hierarchien und Transaktionen des Warentauschs. – Lev Chernyi, „Eine Einführung der Kritischen Theorie“ Die Ideologie arbeitet auf ähnliche Art wie die Moral. Anstatt die Regeln objektiver Wahrheiten über richtig und falsch zu befolgen, werden rigide Programme und Perspektiven angenommen, die in einer Idee oder einem Konzept enthalten oder verbunden sind. Es gibt keinen Raum für irgendeine Beweglichkeit. Die Ideologie umschließt einen Aspekt des Lebens gänzlich und regiert unser Verhältnis dazu. Solcherart findet das ideologische Denken anstelle des kritischen Denkens statt. Die Welt, oder Aspekte der Welt, werden durch den Filter der Ideologie verstanden. So unterhält zum Beispiel die demokratische Ideologie die Idee, sozialen Wandel durch Wahlen, politischer Repräsentation und Gesetzgebung zu erreichen. Sie propagiert den Glauben in formale Politik in gleichem Maße, wie sie autonome direkte Aktionen verhindert. Die Kraft dieser Ideologie, wie aller Ideologie, liegt darin, das Denken in begrenzte Möglichkeiten und Perspektiven zu leiten und daran anzupassen. Die Ideologie steht einer kritischen theoretischen Analyse entgegen, die uns Situationen und Ideen auf der Grundlage ihrer tatsächlichen Brauchbarkeit für unsere Praxis zugänglich zu machen8. Animal Liberation fällt nicht aus diesem Rahmen; sie ist von Grund auf ideologisch. Sie ordnet alles der Sache der Tiere unter. Die Ausbeutung der Menschen und die Zerstörung der Umwelt mögen der TierbefreierIn noch immer wichtig sein, aber sie werden als getrennte Themen gesehen. Die Ideologie macht Menschen unfähig, außerhalb von ihr stehende Dinge im Zusammenhang zu sehen oder zu verstehen. Alles wird unter der Maßgabe eingeordnet, wie es sich zur Sache der Tiere verhält. Ein Versuchslabor ist in der Hauptsache ein Ort der Folter an Tieren, die Verletzungen, die pharmazeutische Tests Menschen zufügen, die Millionengewinne, und das unhinterfragte Fortschreiten der Technologie werden vernachlässigt. Ein Fleischhauer schneidet jeden Tag Tiere in Stücke. Wir hassen, was mit den Tieren gemacht wird, wenn sie reihenweise nebeneinander verbluten, übereinander, an Haken. Aber die Ideologie der Animal Liberation erlaubt es nicht, die gleichen Überlegungen über die menschlichen ArbeiterInnen anzustellen, die Gefahren und Verletzungen, denen sie in dieser Tofu-Fabrik oder jener Sojamilch-Anlage ausgesetzt sind. Ihre Degradierung zu ersetzbaren Rädchen im Produktionssystem wird nicht als gleichermaßen bedenkenswert erachtet, denn Tier und Mensch werden als getrennte Kategorien gesehen, von denen die erste über die zweite gesetzt wird. Der Veganismus demonstriert deutlich die alles umschließende Kraft der Ideologie. Einige VeganerInnen kümmert es wenig, wie gut sie essen, solange sie keine Tierprodukte konsumieren. Scheiße zu essen (z.B. stark behandelte, mit Chemie beladenen veganen Junk-Food) und den eigenen Körper zu zerstören ist akzeptabel, solange es vegan ist. Es ist in Ordnung die eigene Gesundheit zu zerstören, denn das zerstört nicht die Gesundheit eines Tieres – eine Illusion in sich. So wird alles zur einer Sache im Interesse von Tieren, werden andere Faktoren ausgeklammert. Die Absolutheit der Führung eines veganen Lebensstils erlangt Priorität über alle anderen Belange und nährt die Illusion, dass veganer Konsum nicht zum Leiden der Tiere beitragen würde. Sie macht die Leute blind für die Realität dessen, was sie konsumieren, erlaubt es, die Voraussetzungen dessen auf behagliche Art anzuerkennen ohne sie kritisch zu bewerten. Wir müssen Animal Liberation und Veganismus in einen sozialen Kontext stellen, um sie in Ausmaß und Bedeutung verstehen zu können. Die Ideologie der Animal Liberation und der daraus entspringende vegane Lifestyle sind fragmentierte Oppositionen, die den Weg, auf dem das kapitalistische System Wandel konzeptualisiert völlig übernehmen. Sie geben der Idee Kraft, dass die Auswahl, die ein Mensch als KonsumentIn trifft zentrale Bedeutung hat – dass sie nicht nur die Identität eines Menschen bestimmt, sondern auch der Weg ist Wandel herbeizuführen. Die Versprechungen des „grausamkeits-freien“ Veganismus propagieren eine abstrahierte Sichtweise sozialen Wandels, bei dem das „Retten“ zahlreicher Tiere durch Konsum im Mittelpunkt steht. Diese falsche Opposition wendet sich gegen einen Aspekt von Unterdrückung, während er nichts dazu beiträgt, dessen systemische Ursachen zu zerstören, in diesem Fall die Herrschaft des Kapitalismus. Einige VeganerInnen argumentieren, dass ihre Lifestyle-Entscheidungen besser sind als nichts, ganz so wie einige sagen, dass die Demokraten immer noch besser sind als die Republikaner. Daraus spricht das fragmentierte Verständnis des Veganismus von sozialer Ordnung, der einzig auf das „Reduzieren des Leids der Tiere“ gerichtete Tunnelblick. Währenddessen werden Tiere weiter zu Fleischmaschinen gemacht, verarbeitet von Leuten, die gezwungen sind als Arbeitsmaschinen zu funktionieren – beide unter monetären Erwägungen hin und her gehandelt, ausgebeutet, zu kapitalistischen Zwecken genutzt. Der Kapitalismus definiert die gesellschaftlichen Rollen von Mensch und Tier, während der Veganismus diese Beziehung vor allem verschleiert, indem er einen illusionären „mitfühlenden“ Konsum anpreist. Eine verwandte Ideologie, verbreitet unter radikalen TierbefreierInnen, grünen AnarchistInnen und UmweltaktivistInnen ist es, die Schuld am Schaden, der Tieren und Umwelt zugefügt wird, allen Menschen zuzuschreiben, speziell der menschlichen Natur. Dies ist nur leicht verkleideter Menschenhass. Animal Liberation erhöht das Dasein der Tiere, weil sie als wehrlos, friedlich und unschuldig gesehen werden, während Menschen nicht über diese Qualitäten verfügen. Ein Menschenfeind würde sagen, dass einige oder alle Menschen im Innersten schlecht und grausam sind, sich nicht kümmern, oder sogar, dass einige Menschen es lieben zu töten, zu foltern und zu verletzen9. Sie würden sagen, das dies die Natur des Menschen sei. Aber diese Handlungen sind nicht das Produkt unserer Natur; wir werden weder von unseren Instinkten regiert noch von einer abstrakten Idee einer menschlichen Natur. Noch gibt die menschliche Geschichte Anlass zu vermuten, dass Menschen im Innersten grausam und zerstörerisch sind. Dieses Debakel von aufgezwungenem Elend und Herrschaft sind ein Produkt der menschlichen Gesellschaft, nicht einer menschlichen Natur, die unterdrückt oder moralisiert werden müsste. Die verschiedenen Institutionen, aus denen sich die Gesellschaft zusammensetzt, regieren unser Handeln in ihrem Innern. Wir sind nicht einfach Individuen, die tun was immer sie wollen. Wir haben sehr wenig Wahlmöglichkeiten in der Frage wie wir überleben, die alle regiert sind davon, Produkte der Ausbeutung zu kaufen und selbst ausgebeutet zu werden, um sie herzustellen. Uns wird ununterbrochen gelehrt dieses Leben zu akzeptieren, nicht viel anders als Gefangene daran gewöhnt werden ihre Zellen zu akzeptieren. Menschenhass kann hierarchische und ausbeuterische soziale Beziehungen weder erklären noch erhellen. Er ist nichts als eine faule ideologische Entschuldigung dafür, über die gegebenen Probleme nicht kritisch nachzudenken. Wenn wir das kapitalistische System und seine Folgen angreifen wollen, müssen wir es als systematisches Ganzes verstehen und als solches dagegen handeln. Sonst nimmt die Opposition die übliche Form an, spielt der Ideologie von Reform und Radikalismus in die Hände, ohne eine kritische Theorie darüber im Gepäck zu haben, wie wir was angreifen müssen. Ideologie macht Schafe aus den Menschen. Dass uns gesagt wird, oder dass wir uns sagen, dass wir frei sind heißt nicht, dass wir es tatsächlich sind. Wir werden aller Theorie, Ideologie und Praxis gegenüber kritisch sein müssen, wenn wir bestimmen wollen, wie brauchbar sie dafür sind diese Gesellschaft der Ausbeutung zu transformieren, oder besser noch, sie zu zerstören. Mach es einfach: Die AktivistIn Ich glaube fest daran, dass wir alles daran setzen müssen, das Leiden und Sterben so schnell und so effeizient wie möglich zu beenden. Wenn wir alle soviel tun wie wir können, WIRD das 21. Jahrhundert die Befreiung der Tiere bringen. – Anonym10 Die angeblich revolutionäre Aktivität der AktivistIn ist stumpfe und sterile Routine – die kostante Wiederholung einiger weniger Handlungen ohne jedes Potential zur Veränderung. – Andrew X. „Give up Activism“ AktivistInnen spielen eine besondere Rolle in unserer Gesellschaft. Ebenso wie KünstlerInnen die SpezialistInnen für Kultur sind, sind sie die SpezialistInnen für sozialen Wandel. Diese Spezialisierung separiert eine Gruppe von Leuten vom Rest der Gesellschaft. Dieser Zustand ist nicht zufällig, denn es liegt in der Natur der Spezialisierung exklusiv zu sein. Die AktivistIn verwaltet und repräsentiert soziale Kämpfe, verengt sie auf Teilbereiche und rekrutiert Mitglieder für ihr Anliegen. Aus revolutionärer Perspektive, in der es darum geht die gegenwärtigen sozialen Verhältnisse umzuwälzen statt sie zu reproduzieren ist das problematisch. Animal Liberation reproduziert die Rolle der AktivistIn, indem sie sich über und außerhalb des Bereiches der Kämpfe stellt, die für die Ausgebeuteten Relevanz haben und sie mit einbeziehen. Der Animal Liberation Aktivismus verschreibt sich besonderen Anliegen und schließt diejenigen aus, die sich nicht an seine moralischen Codes und den entsprechenden Lifestyle halten11. Gleichermaßen glorifiziert er die Selbstaufopferung, eine Idee, die jeglicher Befreiung diametral gegenüber steht12. AktivistInnen sehen in Opfer und Leiden eine Art Fähigkeit, die den meisten Leuten abgeht. Die AktivistIn muss die Gesellschaft für andere verändern, für den angenommenen Vorteil anderer. Die Massen müssen erzogen, die Wichtigkeit einer Sache oder eines Themas muss ihnen aufgezeigt werden. Animal Liberation würde jeden Menschen zu einer VeganerIn machen, dessen ungeachtet ob dies tatsächlich irgendwem dabei hilft, die Bedingungen seines oder ihres Lebens selbst zu bestimmen. Die ArbeiterInnen, die versuchen ihre Familien zu unterstützen werden eine vegetarischen Diät nur in geringem Maße für anregend halten, solange diese nichts an der ökonomischen Schlinge ändert, die ihr Leben einschnürt. Keine vegane Diät macht die Unzufriedenheit genießbarer. Dies ist nicht der einzige Grund, warum viele Leute Animal Liberation nicht besonders ernst nehmen. Die Subkultur der Animal Liberation AktivistInnen begrenzt den Austausch und die Beziehungen mit Nicht-AktivistInnen und verstellt ein Verständnis der Kämpfe anderer. Subkulturen, seien sie aktivistisch oder nicht, schaffen Trennungen und Hindernisse zwischen den Ausgebeuteten. Sie verlangen von anderen das Befolgen ihrer Codes des Denkens, des Verhaltens, der Mode, und entfremden sich letztlich selbst von der Möglichkeit sich auf andere einzulassen, Affinity13 und Solidarität zu anderen aufzubauen. Wer möchte ständig gesagt bekommen was zu tun ist, wie zu denken, was anzuziehen? Eine AktivistInnen Gruppe kann sich von dieser Welt isolieren, aber sie sollten nicht erwarten, dass irgendwer sonst ihre selbst auferlegte Isolation teilen möchte. Einige AktivistInnen mögen diese Isolation als weiteres selbstloses Opfer im Dienste des guten Sache sehen. Opfer müssen gebracht werden für jemand anderes, irgendein Tier, irgendeine Abstraktion, irgendein Thema oder irgendeine Sache. Dabei handelt man nicht in eigenem Interesse sondern im Interesse von jemand oder etwas anderem. Für die Befreiung von Tieren kannst Du ganz schön auf die Fresse kriegen oder in den Knast gehen. Die AktivistIn wird sagen, dass dies notwendige Opfer für eine gerechte Sache sind und dass Dein persönliches Leid dazu führen wird, dass andere weniger leiden müssen. Hier repräsentiert sich der Mythos der MärtyrerIn in Aktion. Leid wird nicht dadurch gemildert, dass ich mehr Leid für mich selbst verursache. Das moderne Leben wird schon jetzt durch Opfer aufrecht erhalten – auf Arbeit, in der Schule, unter dem Kapitalismus. Das soll nicht heißen, dass wir Risiken vermeiden und passiv werden sollen, wenn wir etwas sehen das uns krank macht. Wir sollten vielmehr zur Tat schreiten und aktiv werden weil wir es wollen und nicht weil wir das Gefühl haben, dass wir es müssen. Dann ist das Risiko, das wir eingehen das Risiko das es mit sich bringt unser Leben zu leben, nicht sich für eine Idee zu opfern14. Schließlich ist Jesus ja schon für unsere Sünden gestorben. Wir sollten nicht in den Fußstapfen dieses Toren wandeln und ebenfalls dafür sterben. Was die tatsächliche Praxis betrifft, suchen die Animal Liberation AktivistInnen eher danach erfolgreiche Reformkampagnen zu starten als einen weitreichenden Angriff auf das System als Ganzes. Sie sind begeistert davon, ihre selbst verkündeten Erfolge zu feiern. Eine Pelzfarm schließt. Ein Versuchslabor ist aus dem Geschäft. Aber später kehrt die Pelzfarm zurück, an einem anderen Ort mit einem neuen Besitzer, sobald die Modeindustrie Pelze wieder erfolgreich vermarkten kann15. Die Produktion beginnt wieder wie immer. Und die Kosmetikindustrie muss weiter Chemikalien in die Augen von Kaninchen reiben und Ratten Pharmazeutika spritzen, um potenzielle Klagen zu verhindern. Also eröffnet ein neues Versuchslabor irgendwo im Ausland oder ein bestehendes weitet seinen Betrieb aus, was schließlich dazu führt, dass mehr Tiere brutal behandelt und getötet werden. Die „Straße zum Erfolg“, die von vielen Animal Liberation AktivistInnen gefeiert wird, besteht in einer Reihe unbedeutender Zugeständnisse, vom System sparsam verteilt16. Der Kapitalismus ist flexibel genug sich zu reformieren, solange er in seiner Gesamtfunktion nicht beeinträchtigt wird. Solange werden Tiere immer weiter zur Ware gemacht und ausgebeutet. Lasst uns nun einen genaueren Blick auf die Dynamik und Praxis von Animal Liberation werfen. Verloren im Nebel des Krieges: Ein Blick auf Animal Liberation „Radikale“ TierbefreierInnen Es gibt viele Kampagnen von AktivistInnen, die sich damit brüsten radikal und basisdemokratisch (grassroots) zu sein. Radikalismus selbst ist ein Begriff, der dazu dient einige Methoden von anderen unterscheiden. Er ist ambivalent und positioniert den oder die Radikale keinesfalls in einer klaren Perspektive, die mehr besagen würde, als dass er oder sie extreme Taktiken anwendet. Es gibt viele, die von der Faszination des Radikalismus angezogen werden, weil er sich selbst als Alternative zu den reformistischen Tendenzen anderer Gruppen darstellt. Diese Darstellung ist ein Irrtum. Animal Liberation steht ganz auf Seiten der Reform, auch wenn manche sie aufgrund ihrer verwendeten Taktiken als radikal darstellen. PETA und SHAC sind sich in den meisten Punkten einig. Sie verwenden nur unterschiedliche Taktiken und Strategien, um die gleichen Ziele zu erreichen17. Aber „radikale“ Taktiken sollten nicht mit radikalen Zielen verwechselt werden. Sozialer Wandel wird nicht bloß mit eingeworfenen Scheiben und Demos vor der Haustür erreicht. Um radikal aus dem Existierenden aufzubrechen bedarf es der Dekonstruktion des „Radikalismus“ und nicht die Verwechslung von Taktik mit Philosophie. Animal Kommandos Die Animal Liberation Front (ALF) hat über die Jahre für ihre Kommandoaktionen der Tierbefreiung, der Sabotage und der Brandanschläge viel Unterstützung erhalten. Diese ALF Zellen setzen sich aus kleinen, dezentralen Gruppen vegetarischer oder veganer Leute zusammen, die entlang gewisser Richtlinien Aktionen durchführen. So kann eine Aktion beispielsweise als der ALF zugehörig bezeichnet werden, wenn damit entweder Tiere befreit oder Eigentum der tierverwertenden Industrie zerstört wird, ohne dass irgendein Leben in Mitleidenschaft gezogen wird. Ihr kurzfristiges Ziel ist es, so viele Tiere wie möglich zu retten, ihr langfristiges Ziel ist „das Leid der Tiere zu beenden“, indem die tierverwertende Industrie aus dem Markt gedrängt wird18. Damit steht die ALF ganz klar für das gleiche ideologische und quantifizierende Denken wie der Rest der Animal Liberation. Die Faszination für die ALF ist zum Teil ihrem Kommando-Image geschuldet, im Schutz der Nacht Gesetze zu brechen. Die gängigen Bilder verleihen der ALF eine engelsgleiche Qualität. Sie retten die Unschuld vor dem Bösen, ganz so wie in den langweiligen Märchen, mit denen wir als Kinder zwangsernährt wurden. Aus dem Blickwinkel der Animal Liberation ist die Direkte Aktion zwar praktisch zum Befreien von Tieren, bleibt aber rein taktisch, wird nicht als Ethik der Interaktion mit der Welt jenseits von Repräsentation und Vermittlung verstanden. Das Brechen des Gesetzes wird dabei auf ähnliche Weise rationalisiert wie Gandhi es rationalisierte und für legitim erklärte das Gesetz zu brechen. Diese Perspektive hält moralisch an der Gewaltfreiheit fest und wird einzig in der Absicht durchgeführt, Gesetze anzufechten, die einen Aspekt der sozialen Herrschaft schützen, während sie die restlichen unberührt lassen. Für gewöhnlich vergleicht die ALF und ihre AnhängerInnen die ALF mit der Underground Railroad, dem Netzwerk von Leuten, die SklavInnen bei ihrer Flucht aus dem Süden der USA halfen, bevor die Sklaverei dort offiziell abgeschafft wurde. Dieser Vergleich dient vor allem sich selbst und verstärkt den HeldInnenkult – führt zu mehr größenwahnsinnigen Illusionen. Das Justice Department (JD) und die Animal Rights Militia (ARM) stehen für eine militantere, gewaltbereitere Haltung. Auch wenn diese Gruppen weit weniger in Erscheinung treten als die ALF, lohnt es sich doch ihre Entwicklung innerhalb der Animal Liberation zur Kenntnis zu nehmen. ARM ist bekannt dafür Jäger in England zusammenzuschlagen, das JD ist dafür bekannt Rasierklingen and Pelzfarmer zu verschicken und Versuchslabore zu bedrohen19. Anstatt wie die ALF die Gewaltfreiheit zu verherrlichen, glorifizieren diese Gruppen die entgegengesetzte taktische Form: die Gewalt. Hier entwickelt sich eine taktische Ideologie, die noch immer in ihrem eigenen Tunnelblick gefangen bleibt. Sie positionieren sich gegenüber der Gewaltfreiheit, die als gescheiterte Methode gesehen wird, die nicht schnell genug „Erfolge bringt“, womit sie den sozialen Wandel selbst quantifizieren. Sie sehen sich selbst as diejenigen, die die Sache „einen Schritt weiter“ bringen. Dies ist die gleiche Argumentation, wie die von Black Liberation Army und dem Wheather Underground, die in einigen spektakulären Akten kulminierte und nichts dazu beitrug, die Ausbeutung von irgendwem zu verringern und stattdessen politische Gewalt glorifizierte. Ihr Herangehen demonstriert die Frustration und Ohnmacht „radikaler“ Aktion, die von alltäglicher revolutionärer Praxis getrennt ist. Statt einen qualitativen Bruch mit einer Gesellschaft zu vollziehen, die auf Rollen und ExpertInnen basiert, stützen diese Gruppen das instrumentelle Verhältnis von Individuen, die sich einer Sache geweiht haben, und nicht die tatsächliche Umwälzung des Lebens für alle Beteiligten. Engel der Gnade: Verliebt in HeldInnen, Märtyrer und Militante Denen, die ihr Leben im Kampf gegen den Missbrauch der Tiere verloren haben und denen, die sich selbst das Leben genommen haben, wenn der Horror nicht länger zu ertragen war; denen, die ihre Freiheit gaben… Danke. – Robin Webb, Britischer ALF Pressesprecher Viele TierbefreierInnen lieben das Märtyrertum der ALF. Sie werden als selbstlos und mutig verehrt, werden Opfer, weil sie sich zu sehr kümmern und leiden unter ihrem Mitgefühl nahezu wie Mutter Teresa und Jesus. Eine Verkörperung dessen stellt Ingrid Newkirks Buch Free the Animals dar, das die Geschichte einer Gruppe von Leuten erzählt, die das Gesetz brechen und Gefängnis riskieren, um Tiere aus Versuchslaboren zu retten. Dieses Buch ist seit den 80er Jahren bei Animal Liberation AktivistInnen weit verbreitet. Seine Attraktivität liegt im Porträt von Leuten, die irgendwie besser sind als der Rest von uns – edler, mutiger, mitleidender. Wie Figuren aus einem einfachen Märchenbuch, so riskieren ALF KriegerInnen alles, um Tiere vor dem Bösen zu retten. Animal Liberation genießt ihre HeldInnen auf die gleiche Weise wie die Medien es tun, festigt damit soziale Beziehungen nach dem Schema AnführerIn-und-Gefolgsleute. Dennoch vermeiden viele die illegale direkte Aktion aufgrund der Konsequenzen des Gesetzesbruchs. Das Risiko der persönlichen Auswirkungen verstärkt dann den Mythos des Opfers, das der oder die KriegerIn bringt. Das Gesetz zu brechen wird zur Aufgabe für Übermenschen, nicht für den Rest von uns. ALF Mitglieder scheinen mit besonderen Fähigkeiten auf die Welt gekommen zu sein, einer Furchtlosigkeit, die wir nicht besitzen. Wie anzubetende Götzen sitzen sie auf einem Sockel. Sie sind die HeldInnen der Animal Liberation. Unterhalb stehen die Leute, die nur applaudieren können wie es Leute tun, die ein Kunstobjekt betrachten, das nur jemand produzieren konnte, von dem angenommen wird, dass er außerordentlich talentiert sei. Die soziale Umwälzung braucht keine MärtyrerInnen, HeldInnen oder Militante. Revolutionäre Aktion muss eine bewusste Anstrengung beinhalten, die Rollen zu zerrütten, die unseren Ausschluss und unsere Ohnmacht definieren. Je schneller wir Heldenverehrung und Märtyrertum ins Feuer werfen, umso früher können wir für unsere eigene Freiheit kämpfen. Die Revolution beginnt mit jedem und jeder von uns. Wir sind die VollstreckerInnen des Schicksals. Wir müssen über unsere eigene Zukunft entscheiden, damit niemand sonst es tun kann. Du kannst über die Freiheit keine Gesetze erlassen Du müsstest verrückt sein vom Staat Schutz zu erwarten… Und ich bin keine Idiotin. – Andrea Dorea, N´drea Animal Liberation glaubt, dass Tieren gesetzlicher Schutz und Rechte gegeben werden sollten. Das Verbot von Hahnenkämpfen, einer wirklich unbedeutenden Institution im großen Programm des Missbrauchs von Tieren, wird begrüßt, weil es als Hilfe für die Tiere gesehen wird, und weil es die Anzahl der angeblichen Erfolge erhöht. Andererseits kritisieren sie Gesetze, die tierverwertende Konzerne schützen. Sie stützen damit zuallererst die Logik des Staates, die Gründe für die Existenz der Gesetze in Allgemeinen, und ignorieren, dass das Rechtssystem die Gesellschaft reguliert, sie effizient und ordentlich macht, sie kontrolliert. Gesetze bestätigen die soziale Kontrolle, ächten die Unregierbaren und beschützen die Mächtigen. Gesetze und ihre HüterInnen hoffen uns davon abzuhalten die industrielle Landwirtschaft mit unseren eigenen Händen in Stücke zu reißen. Der Staat schützt die tierverwertende Industrie und andere kapitalistische Unternehmen; er ist das Rückgrat und die brutale Kraft des kapitalistischen Systems. Das Gesetz kriminalisiert all jene, die sich gegen das ruhige Funktionieren des Kapitalismus stellen. Gesetzbücher bewahren die sozialen Beziehungen im Kapitalismus; das Konzept vom Eigentum wird durch sie geheiligt. Jeder Ruf nach zusätzlichen Gesetzen stärkt die Macht des Rechtssystems und seiner Mythologie von Gerechtigkeit und Fairness. Der Glaube ans Gesetz ist der Glaube an die kapitalistische Ausbeutung, wie sie von Bullen, BürokratInnen, RichterInnen und GesetzgeberInnen gewaltsam durchgesetzt wird. Sie haben kein Interesse daran, die soziale Ordnung zu verändern, deren Vorteile sie einheimsen. Ein Gesetz zu erlassen gegen Grausamkeit an Tieren hier, gegen Tiere im Zirkus dort, ändert daran sehr wenig – außer, dass es als Erfolg bilanziert werden kann. Die Fabriken fahren damit fort, tagtäglich mehr Tiere in der Produktion zu vernutzen. Das Elend geht weiter und der rechtliche Apparat des Staates gewährleistet, dass es so bleibt. Wenn wir die Tiere aus dem entwürdigenden Produktionssystem befreien wollen, müssen wir alle angeblichen Mittel der Abhilfe zurückweisen, die von den staatlichen Mechanismen der Wahl und Gesetzgebung zur Verfügung gestellt werden. Das Rechtssystem hilft nur, wenn die Mächtigen Probleme haben. Das Gesetz wendet sich gegen alle, die sich gegen die soziale Ordnung wenden. Wenigstens soviel ist der ALF klar. Wir tun besser daran, das gesamte System entfremdeter politischer Macht zu zerstören, als nach weiteren altbackenen Krümeln und leeren Zugeständnissen zu fragen. Wenn wir gegen den Kapitalismus opponieren, für das, was er den Tieren antut, so sollten wir ebenfalls gänzlich gegen die Staaten opponieren, die sicherstellen, dass dieses System damit weitermacht, die Welt unter ihrer Logik zu versklaven. Direkte Aktion, nicht Ideologie Animal Liberation hat ihr größtes Potential als direkter Akt, nicht als Ideologie. Die Befreiung von Tieren verletzt deren Status als Eigentum. Sabotage und Zerstörung von Anlagen der tierverwertenden Industrien kann sich gegen die Kommodifizierung von Tieren richten. Wie auch immer, solange diese Aktionen mit dem ultimativen Ziel der Animal Liberation gemacht werden, bleiben sie auf eine Perspektive beschränkt, die sich nur für Tiere interessiert. Zum Beispiel konzentrieren sich viele Bekennerschreiben zu Überfällen auf Tierversuchslabore einzig auf die Schinderei von Tieren, üblicherweise in moralischen und ideologischen Begriffen, während sie all die anderen ausbeuterischen und ekelhaften Aspekte eines Forschungslabors in einer Universität oder einem Pharmakonzerns ignorieren. Statt Grenzen des Verständnisses sozialer Herrschaft niederzureißen, werden sie von solchen Aktionen errichtet. Sie fördern eingeschränkte Perspektiven, welche die Gründe, die dazu führen, Tiere in Waren zu verwandeln nicht berücksichtigen. So wird das Potential dieser Aktionen durch die Beschränkung auf ein einzelnes Thema verkrüppelt, statt ein Akt der Solidarität mit anderen sozialen Kämpfen zu sein. Es gibt nichts desto trotz bemerkenswerte Ausnahmen von Leuten, die Tiere befreien und tierverwertende Unternehmen sabotieren, ohne ihre Aktionen in den Zusammenhang der Animal Liberation zu stellen. Sie sollten nicht unerwähnt bleiben, da sie deshalb positiv sind, weil sie ihre Aktionen nicht selbst dahingehend abgrenzen, nur in einem Herrschaftsaspekt relevant zu sein, sondern sie als Angriffe auf eine Form unter vielen verstehen. Wenn wir überall Herrschaft und Unterdrückung erkennen, dürfen wir uns nicht selbst begrenzen; wir müssen sie überall angreifen, wo wir sie finden. Gegen Aktivismus, hin zum aktiven Aufstand Was wir sind und was wir wollen beginnt mit einem nein. Aus ihm kommt der einzige Grund am morgen aufzustehen. Aus ihm kommt der einzige Grund bewaffnet zum Angriff auf eine Ordnung überzugehen, die uns erstickt. – Anonym, „At Daggers Drawn“ Das Gefängnis, das diese Gesellschaft ist, muss zerstört werden, wollen wir über Freiheit sprechen. Die industielle Landwirtschaft ist nur ein Ort, an dem sich ihr Elend zeigt. Dieses System der Ausbeutung profitiert von Schweiß und Blut der Tiere und Menschen. Es ist unser gemeinsamer Feind. Wir werden nichts ändern, wenn wir die Regierenden fragen, ob sie das Elend erträglicher macht oder uns freundlicher ausbeutet, wir werden nichts bekommen, außer bessere Löhne und größere Käfige. Wir müssen über unser Leben und unsere Beziehungen in der Welt zu unseren eigenen Bedingungen entscheiden. Um das zu tun, haben wir eine schwierige Aufgabe vor uns. Lassen wir uns nicht mit falschen Versprechungen, moralischen Codes und ideologischen Verblendungen abspeisen. Lasst uns stark werden durch scharf geschliffene Ideen und selbstbestimmte Aktionen. Einige würden sagen, dass etwas getan werden muss. Die Welt wird schlimmer und wir müssen handeln. Sie würden uns sagen, dass wir Dinge tun müssen, die uns das Gefühl vermitteln, dass wir etwas verändern können. Warum, dann, nicht für die Befreiung der Tiere arbeiten? Wenn unsere Aktionen Ausdruck unserer Wünsche sind, liegt die Hoffnung nicht in der Anzahl konvertierter VeganerInnen oder befreiter Hennen. Revolution bedeutet zu aller erst und vor allen Dingen eine Veränderung dessen, wie wir in der Welt zueinander in Beziehung treten – qualitative soziale Veränderung, nicht quantifizierte aktivistische Siege. Wir müssen auf die Appelle an die Herrschenden spucken und uns selbst auf direkte Art für das einsetzen, was wir wollen. Revolution muss eine tägliche Praxis sein, wenn wir irgendein tatsächliches Potential haben wollen. Etwas muss getan werden. Aber wir brauchen Feuer im gleichen Maße wie wir Ideen brauchen20. Um tatsächlich in irgend einer Art soziale Veränderung herbeizuführen, müssen die sozialen Beziehungen über das Festhalten an Ideologien mit ihren falschen Oppositionen hinausgehen, über geschichtete Entscheidungsfindungen und fromme Bekanntmachungen hinaus. Wir wollen etwas davon radikal verschiedenes, eine Welt in der wir frei sein können, so zu leben wie wir wollen. Dies ist nur möglich, wenn wir außerhalb der Rolle der AktivistIn oder der KonsumentIn handeln, ohne politische Parteien mit ihren hohlen Verlautbarungen, ohne nicht-kommerzielle Organisationen mit ihren Kampagnen zu Einzelthemen. Wir müssen BerfreierInnen unserer selbst sein, nicht Sklaven einer Sache, getrieben von religiösem Eifer und ideologischer Blindheit. Diese Kritik an der Animal Liberation kann gleichermaßen auf alle falschen Oppositionen und Missionen übertragen werden – und davon gibt es viele. Wir suchen nicht nach KonvertitInnen, die unsere Sichtweise übernehmen. Wir rufen niemanden dazu auf die Ausbeutung der Tiere zu vernachlässigen oder einfach damit zu beginnen, Fleisch zu essen. Vielmehr wollen wir zu mehr kritischem Denken und analytischen Diskussionen anregen was unsere eigene tägliche Praxis angeht ebenso, wie was die Theorie und Praxis sozialer Bewegungen betrifft. Um uns selbst davon zu befreien in der Scheiße zu wühlen und Scheiße zu fressen, müssen wir zu aktiven TeilnehmerInnen in einem Aufstand gegen Ideologie, Moralismus, Kapitalismus, und den Würgegriff des Staates werden. In einem Wort müssen wir alles zerstören was uns beherrscht, denn die Welt wird immer mehr zu einem gigantischen Drecksgefängnis. Das Elend der industriellen Landwirtschaft und der Versuchslabors ist überall. So sind denn auch unsere Ziele überall. Wir werden die Beziehungen zerstören müssen, die diese Gesellschaft reproduzieren und ihr erlauben zu existieren und mit einem Ungehorsam beginnen, der weder zivil noch verblendet ist. Wie ein toter Guerilla es einmal sagte: Mach kaputt was Dich kaputt macht. Die Welt wird sich entwirren, wenn wir unseren Wünschen freien Lauf lassen. Für uns ist die destruktive Rebellion gegen diese beschissene Gesellschaft die einzige Sache, die irgendein Versprechen auf Befreiung beinhaltet. Wir wollen keine größeren Käfige. Wir wollen sie alle komplett zerstören.
Es sind nicht nur die Tiere, die davon abhängig sind, dass wir sie aus dieser Welt befreien. Wir selbst sind es schließlich, die den Wind der Freiheit in unseren Gesichtern spüren müssen. 1Utilitarismus – Im 18. Jahrhundert aufkommende sozialphilosophische Anpassung der Sichtweise von Gesellschaft an kapitalistische Prinzipien von Nützlichkeit. Auf den ersten Blick scheint die von UtilitaristInnen behauptete gesellschaftliche Zielrichtung „Maximierung des gesellschaftlichen Glücks“ außerhalb des Marktes zu liegen – was sie im Gezerre der gesellschaftlichen Verhältnisse umso tauglicher dafür machte, recht unauffällig in umgekehrter Richtung zu wirken und persönliche wie kollektive Vorstellungen von Glück zu ökonomisieren, d.h. auf die Idee erwirtschaftbarer Erträge zu reduzieren. In der Gründungscharta der USA wird der „pursuit of happiness“ vornehmlich als Recht auf Streben nach materiellem Wohlstand verstanden – eine Formulierung nebenbei, die im Englischen einen klar militärischen Sound hat. 2Für Infos über die Animal Liberation Front ALF: www.animalliberationfront.com. Für Infos zur radikalen Animal Liberation Bewegung: www.nocompromise.org. Für Nachrichten über illegale direkte Aktionen für Tiere: www.directaction.info. Wie üblich quillt das Netz über mit Informationen, vermutlich mehr als ihr je zu irgend einem Thema lesen wollt. 3Dieses Zitat stammt von Albert Einstein. Gruppen wie Vegan Outreach und PETA verwenden dieses und andere berühmte Zitate nicht nur, weil wir diesen verehrten Leuten trauen sollen, sondern um zu beweisen, dass auch sie an Animal Rights glauben und wir es daher auch tun sollten. 4Der weltweite Konsum von Öl beträgt pro Tag 12, 42 Milliarden Liter. Jeden Tag werden mehr als 143 Milliarden Liter Öl übers Meer transportiert. Nicht alles Öl, das ins Meer läuft stammt von Tankern. Einiges davon kommt aus Tanklagern, Pipelines, Förderpumpen, der Reinigung der Tanks von Tankern und anderen Schiffen. In diese Rechnung nicht mit einbezogen sind die Millionen Liter Öl die KonsumentInnen in die Umwelt kippen, einer weiteren Konsequenz des Kapitalismus, der die Kosten für die Natur nicht in die Preise einberechnet [www.environmental-research.com/publications/pdf/spill_statistics/paper4.pdf] 51989 lief die Exxon Valdez im Prince William Sound, Alaska auf Grund. Nahezu 50 Millionen Liter Öl liefen ins Meer. Das Unglück war der Größe nach nur Nummer 34, war aber das größte in US-Gewässern. Massive Umweltschäden führten z.B. zum Tod von etwa 35.000 Seevögeln, 2800 Seeottern, 300 Seehunden, 250 Weißkopfseeadlern, 22 Orkas und Milliarden von Lachsen und Heringseiern, was auch die Fischerei stark in Mitleidenschaft zog. 6Das industrielle Prudukt-Distributions-System ist deshalb wie es ist, weil mit einem Produkt umso mehr Gewinne erzielt werden könen, je größer sein Markt ist. Diese Tatsache demonstriert das Wachstum der Profite durch die Ausdehnung der Märkte von KonsumentInnen im Kapitalismus. 7Die Tatsache, dass die Wahrnehmung von Wahrheit und Moral nicht absolut, sondern relativ sind, sich in den sie für wahr haltenden Personen und Gruppen unterscheiden wird von der Theorie des Relativismus beschrieben. Was in einer Kultur falsch ist, muss es in einer anderen nicht sein. Dies wird von vielen Kulturen überall auf der Welt klar demonstriert. Einige Kulturen waren vegetarisch und einige sind es noch immer. Andere, wie die Inuit, ernähren sich ausschließlich von Fleisch. Die meisten dieser Ernährungsgewohnheiten entwickelten sich aus Umweltbedingungen und der Verfügbarkeit von Ressourcen und wurden zu einer Tradition. 8Ihr findet mehr über Kritisches Denken und das Essay von Chernyi unter… 9Dies lassen die MenschenfeindInnen freilich üblicherweise nicht für sich selbst gelten. Meist sehen sie sich selbst als irgendwie besser und fürsorglicher als die allermeisten anderen. Fortschreitende Misanthropie führt zu [repulsive] Formen der Arroganz. 10Von der ALF Webseite, aus dem Artikel „Fortschritt der Tierrechtsbewegung“ 11Es ist in Kreisen von TierbefreierInnen nicht selten zu hören, dass über den „Ausverkauf“ des Veganismus getratscht wird, sobald einzelne irgendwelche Tierprodukte der ein oder anderen Art essen. Diese Art der Unterhaltung spiegelt nur die Banalität so vieler Unterhaltungen heute, in denen uns die Entfremdung nahelegt vorzuziehen, uns nicht mit der Realität unserer Entfremdung zu befassen. 12Dies soll nicht heißen, dass diejenigen, die für die soziale Umwälzung kämpfen nicht von den Mächtigen verwundet oder getötet würden. Vielmehr hat es einfach nichts befreiendes an sich Strafen als Ausdruck sozialer Kämpfe zu verherrlichen. Märtyrertum ist so scheiße langweilig und unkreativ. Wenn du tot bist, bist du tot. Alle Möglichkeiten und Träume deines Lebens verschwinden dann. 13Affinity – Die Bezugsgruppe autonom/anarchistischer Kreise kommt der affinity group ziemlich nahe. Eine direkte Übersetzung ohne die Gruppe gestaltet sich schon schwieriger: Zumindest potentiell ist affinity kollektiver als die Neigung, politischer als die Zuneigung und auf alle Fälle persönlicher und vielschichtiger als der Bezug. Vielleicht kann das Bild der physikalischen Affinität vereint mit den affektiven Qualitäten der Wahlverwandtschaft eine Ahnung davon geben… 14Es ist wert einen Moment darüber nachzudenken, wie viele Leute sich vom Aktivismus verabschiedet haben, nachdem sie sich wie Opferschafe fühlten. Leute, die ihre Mitangeklagten vor Gericht verraten haben, mögen gemerkt haben, dass lange Haftstrafen nicht das Opfer sind, das sie bereit sind zu bringen. Freilich sind Leute die andere reinreißen nichts desto trotz widerliche Arschlöcher. Aber um so was in der Zukunft zu vermeiden kann es nützlich sein zu versuchen zu verstehen, warum sie zu solchen Entscheidungen gekommen sind. 15Dies wird deutlich wenn wir uns die Trends in der jährlichen Pelztierproduktion in den USA und in Übersee anschauen. Fluktuationen auf dem Pelzmarkt sind zeitweise von Animal Liberation Aktivitäten beeinflusst, einen Rückgang der Pelzindustrie als solche haben sie noch nicht bewirkt. Wenn etwas verkauft werden kann, wird es vermarktet und produziert. Selbst wenn die Pelzindustrie zerstört werden würde, würde eine andere miserable Ausbeutung ihren Platz einnehmen. 16Der Begriff „Straße zu Erfolg, Road to Victory“ kommt aus der britischen Animal Liberation Bewegung, aber das dahinterstehende Konzept trifft genauso auf die nordamerikanische Perspektive zu. Die Idee, dass die ein oder andere erfolgreiche Kampagne in einem irgendwie großartigen Erfolg kulminiert ist, traurigerweise, eine Illusion – vermutlich verbreitet, um sich die völlige Desillusionierung vom Leib zu halten. 17Die Stoppt die Grausamkeit der Jagd, Stopp Hunting Animal Crualty (SHAC) Kampagne ist ein perfektes Beispiel dafür. Sie nutzen verschiedene Formen der Einschüchterung und Bedrohung für das Ziel ein einziges Versuchslabor stillzulegen. PETA arbeitet für das gleiche Ziel, wendet aber Taktiken an, die ihre loyalen Mitglieder nicht abschrecken. Es ist nichts radikales daran, ein einzelnes Versuchslabor zu schließen, wenn ein anderes die Nachfrage einfach erfüllen wird und gleichermaßen damit fortfährt Tiere zu töten. 18Quelle: ALF Webseite 19Das „Biteback Magazin“ (www.directaction.info) und andere sich für Tiere einsetzende, direkte Aktionen befürwortende Gruppen berichten häufig über solche Aktionen ohne sie von Aktionen zu unterscheiden, zu der sich die ALF bekannt. Sehr wahrscheinlich sehen sie jede Aktion, die in diesem Feld unternommen wird als Aktion, die auf Tierbefreiung zielt. Wir hingegen sehen direkte Aktionen für Tiere als positiv, wenn sie nicht mit den idiotischen Zielen der TierbefreierInnen einhergehen. 20Jemand anderes hat diesen feinen Punkt mal gemacht. Leider kann ich ihn oder sie nicht mehr dafür würdigen, denn ich hab vergessen wer es war. Doch bleibt es ein wichtiger Punkt. Praxis ist am stärksten, wenn sie von der Dynamik kritischer Ideen beflügelt wird. Gleichermaßen sind Ideen nur so stark wie ihre praktische Anwendung. Sonst wird Theorie nur zu einer weiteren hohlen intellektuellen Freizeitbeschäftigung.

Vegane Verirrungen

[Anm. d. Hrsg.: Dieser Text wurde uns nach einem anarchistischen Treffen zugespielt, bei dem es aufgrund eines Speiseangebots mit Nicht-Veganen Alternativen zu kontroversen Diskussionen um Ernährung und deren politische Korrektheit gekommen war.]

Warum die industrielle Lebensweise niemals ohne den Massenmord an Tieren funktionieren wird

oder

Ein Ausflug in die Welt des Ökofaschismus

Vielleicht gibt es gar nicht mehr besonders viel zum sogenannten Veganismus zu sagen, seit er dank der neuesten und möglicherweise letzten, “grünen” Phase des industriellen Todesmarschs zur staatlich und kapitalistisch verordneten Leitideologie geworden ist. Doch wie das mit subkulturellen und langjährig identitätsstiftenden Ideologemen innerhalb (vermeintlich) radikaler Szenen so ist, ist es nicht ganz so leicht, sich dieser wieder zu entledigen, wenn sie von der Herrschaft schließlich als zur Rekuperation tauglich angenommen werden. Haben sich erst einmal erfolgreich Identitäten rund um eine bestimmte Vorstellung kreiert, also in diesem Fall die des Veganers, müssen diese Vorstellungen mitsamt all ihrer fauligen Wurzeln herausgerissen werden und das ist ein nicht nur anstrengendes, sondern zuweilen auch schmerzhaftes Unterfangen.

Aber der Ökofaschismus ist in Deutschland bereits an der Macht und es gibt keine Zeit zu verlieren. Die Zeiten in denen man über die Politiker*innen einer Partei, die einst für die Abschaltung von Atomkraftwerken stand, sich heute jedoch für Atomenergie und dafür gegen Fleisch auf dem Speiseplan der armen Bevölkerung stark macht, nur herzlich lachen konnte, sind gewissermaßen vorbei. Nicht weil diese ihre Clownsmaske abgelegt hätten, sondern vielmehr weil ihre hässliche Fratze des Ökofaschismus den Ausgebeuteten heute von den Chefsesseln der Industrie und Regierung ins Gesicht grinst und alles darauf hindeutet, dass uns eben diese Fraktion der Herrschaft in den kommenden Jahren verstärkt gegenüberstehen wird. Aber es soll hier nicht der sehr gut vorhersehbare Werdegang jener Pseudo-Nonkonformisten verstanden werden, die einst mit Strickpullovern und Gummistiefeln in die Parlamente strömten, nur um heute Atomenergie, Windräder, Gasterminals, militärisches Gerät und eine Teuerung von Lebensmitteln zu verantworten und die hiesige Gesellschaft in einen Zustand einer beinahe Generalmobilmachung zu versetzen. Denn während bornierte Politiker*innenarschlöcher den Speiseplan in den Kantinen “ihrer” Lohnsklaven säubern, während diese selbstgefälligen Bonzen ihrer Verachtung für die ausgebeuteten Massen Luft machen, indem sie erklären, dass Lebensmittel ihrer Meinung nach zu billig sind und der dumme Michel durch Teuerungen von Fleischprodukten dazu gebracht werden soll, sich endlich verantwortungsbewusst zu ernähren, während all jene, die begeistert im Gleichschritt der Werbetrommeln dieser mittlerweile krawattetragenden Demagogen tanzen, sich wahlweise darin gefallen, ihren Müll zu trennen, im Biosupermarkt einzukaufen oder ein E-Auto zu fahren und eine Photovoltaikanlage auf dem Dach ihres Eigenheims oder gar ihrer Immobilienanlagen zu installieren, sind wir mit drängenderen Problemen konfrontiert. Denn wenn einem wohlgenährte, bio-gefütterte und aus historischen Gründen vielleicht nicht einmal allzu sehr atomar verstrahlte Bonzen das Fleischessen verbieten wollen, dann drängt sich eine simple Lösung dieses Problems förmlich auf: Eine bestimtme Form des sozialen Kanibalismus, nur eben spiegelverkehrt. Und die Chancen stehen gut, dass eine solche Lebensweise sogar gesünder sein könnte, als der Verzehr von Fleisch aus herkömmlicher industrieller Produktion, auch wenn die Auswirkungen gewisser medizinischer Vergiftungen, die sich solche Leute zumuten sicherlich ebenso in Betracht gezogen werden sollten, wie auch die schlechte Bekömmlichkeit und der störende Geschmack des diesem Nutztier eigenen Snobismus. Aber diese Lösung lässt sich schwerlich auf jene ausdehnen, die zwar vielleicht ein paar Ideologeme mit diesen Leuten teilen, jedoch weitestgehend davor zurückschrecken, diese in einen ausgewachsenen Ökofaschismus zu verwandeln. Man soll mir ja schließlich nicht nachsagen, ich würde es mir leicht machen.

Also widmen wir uns doch jenen, die heute noch die metaphorischen Strickpullover und Gummistiefel tragen, wenn sie die Manege des Streits um die politische Ordnung der neuen/befreiten Welt betreten und diese nicht längst gegen braune Hemden und grüne Armbinden eingetauscht haben. Was haben sie uns zu sagen?

Du sollst kein Fleisch und andere tierische Produkte essen.

Dies ist das zentrale Dogma des Veganismus, eine gewisse Variation von Gebot Nr. 5: Du sollst nicht töten. Wobei hier natürlich gleich der Einfluss der industriellen Gesellschaft deutlich wird. Während die archaische jüdische Gesellschaft bei aller Kritik an ihrer patriarchalen Verfasstheit und ihren vielen anderen autoritären Elementen das Individuum offensichtlich noch als jenseits von Konsumentscheidungen handelnd begriffen hat, liegt dem Veganer-Dogma die eigentlich absurde Vorstellung zugrunde, dass der Verzehr oder, präziser gesagt, der Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten irgendwie mit dem Akt des Tötens oder der Versklavung von Tieren identisch wäre. Und noch absurder, dass nämlich umgekehrt, der Verzicht auf den Verzehr, bzw. Konsum von Fleisch bedeuten würde, dass Tiere nicht getötet oder versklavt werden würden. Kein Wunder, dass der Veganismus also vor allem unter jenen grassiert, die als Städter sowieso wenig bis gar keinen Bezug zu dem haben, was sie auf ihren Tellern wiederfinden, die um die Ironie perfekt zu machen, sich selbst in der relativen Eintönigkeit des Supermarkt-Gemüseregals ihres Smartphones bedienen müssen, um eine Artischocke von einer Bohne unterscheiden zu können. Man möge ihnen gemäß ihrer selbst gewählten biblischen Dogmensetzung also vergeben, denn sie wissen nicht, was sie tun? Nein, ich bin ja keine Paternalist*in.

Jaja, eigentlich finde ich es konsequent, dass diejenigen, die noch nie der Tötung eines Tieres beigewohnt haben, die noch nie einen Vogel gerupft haben, die nie erlebt haben, wie ein Fisch nach Betäubung durch einen Schlag auf den Kopf ein letztes Mal zuckt, wie ein Huhn steif wird, bevor man ihm mit einem Beil den Kopf abschlägt und sein Körper, während man ihn zum Ausbluten über einen Eimer hält, sich ein letztes Mal aufbäumt, wie man nach dem Schnitt durch den Hals einer Kuh binnen Sekunden beinahe Knöcheltief in Blut versinkt, wenn man es nicht mit dem Wasserschlauch wegspritzt, auch kein Fleisch essen. Genausogut finde ich es nachvollziehbar, dass jene, die einer solchen Schlachtung – und hier ist, wie der kundigen Leserin sicherlich aufgefallen sein wird, die Rede von Hausschlachtungen, nicht von industriellen Schlachtfabriken – einmal beigewohnt haben, fürs erste einmal kein Fleisch mehr essen wollen. Sowieso ist mir ja egal, was jemand isst, ich bin ja kein Ökofaschist. Ich denke außerdem, dass die Schlachtung genannte institutionalisierte Tötung von gefangen gehaltenen Tieren, nichts ist, das es zu romantisieren oder zu beschönigen gilt, sondern notwendigerweise immer auch die Widerwärtigkeit widerspiegelt, die auch der kleinbäuerlichen und heute, in Zeiten begrifflicher Verblödung als “artgerecht” verklärten Landwirtschaft und insbesondere Tierhaltung inne wohnt. Und doch wäre es absurd, nur weil sich der technologisch dressierte Mensch ein paar wenige Gefühlsregungen hinsichtlich der Abartigkeit der industriellen Todesmaschinerie, die seine Spezies stolz als “Errungenschaft” betrachtet, bewahrt hat, die angesichts des Anblicks einer Schlachtung als bloße Sentimentalitäten zutage treten, den nicht weniger abartigen Teil dessen, wovon die Tierhaltung eben bloß ein Element ist, zu vergessen. Der technologisch dressierte Mensch, er schreit auf, wenn er Blut sieht, je mehr, desto schlimmer, aber er ist gänzlich unempfänglich für die unsägliche Vernichtung von Leben, die im wahrsten Sinne des Wortes unblutig vonstatten geht oder deren Blutigkeit am anderen Ende der Welt, vor seinen Blicken verborgen, stattfindet.

Und aus dieser bestenfalls als halbgar oder auch medium raw zu bezeichnenden Analyse, die jene vor sich hertragen, die sich Veganer*innen nennen, resultiert zugleich eben auch die faktische Unterstützung der weniger offen – z.B. weil weniger blutig – zutagetretenden Vernichtung von Leben als “geringeres Übel”. Ich will hier der Kürze wegen und weil ich denke, dass mein Punkt dabei schon verstanden werden wird, grob schematisieren:

  • Landwirtschaft zur ausschließlichen Erzeugung von pflanzlichen Produkten wird gängigerweise als die Alternative einer Landwirtschaft mit Viehhaltung betrachtet. Dabei wird sich die kundige Leserin freilich unmittelbar fragen, wie das so universell funktionieren soll. Zumindest ohne dabei auf synthetisch hergestellte – und seit wann wären synthetische Produkte unabhängig von der Versklavung von Tieren, sei es zu experimentellen Zwecken oder weil der Herstellungsprozess auf tierisches Gewebe oder andere tierische Erzeugnisse angewiesen ist oder weil die zur Herstellung benötigte Maschinerie ohne die Versklavung von Tieren nicht denkbar wäre – Düngemittel zurückzugreifen, wie sie von der Agroindustrie für die industrielle Landwirtschaft vermarktet werden. Aber selbst wenn man diese Frage einmal beiseitelässt, ignoriert, dass von Demeter-Landwirtschaft bis hin zu selbst den meisten praktizierten Formen von Permakultur, immer auch die Gefangenschaft und Versklavung von Tieren integraler Bestandteil von eigentlich jeder Form nicht-industrieller Landwirtschaft ist, bleibt vor allem ein Makel: Landwirtschaft erfordert immer auch die Bekämpfung von tierischen “Schädlingen”, sprich von Tieren, die das was dort angebaut wird, auch gerne essen und die verhältnismäßige Futterdichte auf Feldern gerne für sich nutzen, sich dabei auch vermehren und schließlich regelrecht zur Plage für die Landwirte werden. Diese Bekämpfung findet heute unter anderem in Form von Insektiziden (die entweder bestimmte oder gar wahllos alle Insekten töten, die mit einer entsprechend behandelten Pflanze in Berührung kommen), dem Abschuss oder auch “der Entnahme” von Wild, das sich einen Bissen von den angebauten Leckereien gönnt, sowie der präventiven Regulierung des Wildbestands durch Jäger, Anwendung. Durch den Anbau von pflanzlichen Nahrungsmitteln werden also sowohl Millionen von Insekten getötet, als auch abertausende Tiere geschossen oder mithilfe von Fallen gejagt und getötet oder vergiftet und bis heute wurden zahlreiche Tierarten wegen ihrer “Schädlichkeit” für die Landwirtschaft ausgerottet oder an den Rand der Ausrottung gebracht bzw. lokal vollständig vernichtet, darunter nicht nur der Wolf und der Bär, die sogenannte “Nutztiere” reißen, sondern auch Fasane und Rebhühner, zahlreiche andere Vögel, regional Wildschweine, Feldhasen, Gämse, und viele mehr, allesamt Fresser von pflanzlichen Agrarprodukten. Auch lange ausgestorbene Arten wie wilde Rinderarten, z.B. Auerochsen, oder das so gut wie ausgestorbene Wiesent zählen zu den Opfern von Landwirtschaft. Neben dem gezielten Abschuss von Wildtieren, die landwirtschaftliche Erzeugnisse fressen trägt auch die Umwandlung von unbewirtschafteten oder weniger intensiv bewirtschafteten Flächen in Agrarland enorm dazu bei, dass ganze Tierarten aussterben, weil ihr Lebensraum vernichtet wird oder auf eine zu geringe Fläche zusammenschrumpft.
  • Technologische Innovationen auf dem Gebiet der Landwirtschaft, aber auch allgemein in der Lebensmittelindustrie sollen Tierhaltung angeblich unnötig machen. Das lässt natürlich – wie könnte es anders sein – außen vor, dass gerade auf dem Gebiet der Lebensmittelindustrie Tiere auch als Versuchsobjekte genutzt werden, um die Verträglichkeit eines Produkts oder eventuelle Langzeitfolgen von dessen Verzehr zu “testen”. Diese technologischen Innovationen sind also alles andere als unabhängig von der Versklavung und auch Ermordung von Tieren. Zudem werden durch technologische Innovationen auf dem Gebiet der Landwirtschaft nicht nur immer größere Teile der unbewirtschafteten Lebensräume von Tieren vernichtet, sei es durch deren Bewirtschaftung oder deren Vergiftung mittels Pestiziden, Düngemitteln, Verklappung von Industriemüll, usw., sondern allzu oft bestehen diese technologischen Innovationen auch darin, neue Methoden zur Vernichtung von Tieren, die als Schädlinge betrachtet werden, zu schaffen. Eine teilweise zur “leidfreien” Produktion von Fleisch auch von sogenannten Veganer*innen beworbene Methode besteht darin, dass das tierische Leben soweit weiter verstümmelt werden soll, dass das Steak in Zukunft gleich formgerecht in der Petrischale heranreifen soll, anstatt dass dafür erst ein Tier aufgezogen werden müsste. Wie man glauben kann, dass die biotechnologische Verstümmelung des Lebens weniger leidvoll sein soll, als selbst die niederträchtigste Versklavung eines gefangenen Tieres, müsste dabei eine*r der Fürsprecher*innen einer solchen Methode selbst beantworten; ich jedenfalls kann mir das nur mit der offensichtlich totalen Verblödung solcher Leute erklären.
  • Immer wieder und ständig wechselnd werden bestimmte Nahrungsmittel als Superfood entdeckt, die alle nicht leugnenbaren Probleme einer veganen Ernährung innerhalb der industriellen Nahrungsproduktion (Mängel, für die bspw. Vitamintabletten geschluckt werden müssen) – und natürlich heißt das nicht, dass eine nicht-vegane industrielle Ernährungsgrundlage nicht ebenfalls ihre Probleme hätte – angeblich aus der Welt schaffen würden oder die auch nur dem unerklärlicherweise vorhandenen1 Bedürfnis von vielen Veganer*innen nach Fleischersatzprodukten abhilfe verschaffen. Dadurch kommt es nicht selten zu regelrechten Umwälzungen der Landwirtschaft, aber selbstverständlich weniger in der westlichen Welt, sondern vor allem in den Kolonien des westlichen Ernährungssystems. Die dort errichteten Plantagen zum Anbau von sowohl exotischen Nahrungsmitteln, als auch von pflanzlichen Rohstoffen, die der industriellen Weiterverarbeitung zu Fleischersatzprodukten und ähnlichem dienen, werfen nicht nur schwerwiegende Umweltprobleme in diesen Regionen auf, darunter Zerstörung von Wäldern, Wassermangel, Umweltvergiftungen, usw., sondern auch soziale Probleme, die in Hunger, Kriegen, Völkerwanderungen und immer wieder auch in Genoziden enden. Sicher sind die spezifisch für Veganer*innen angebaute Nahrungsmittel nur einer von vielen Ursachen dafür, klar ist jedoch, dass auch derlei Folgen des um sich greifenden Veganismus nicht einfach unter den Teppich gekehrt werden können und die allgemein vorherrschende Ignoranz von Veganer*innen diesem Leid von Menschen gegenüber als völlig widersprüchlich zu deren seltsam humanistisch anmutenden Interesse am Leid von Tieren betrachtet werden muss.

Mal angenommen die Versklavung von Tieren würde tatsächlich abhängig sein, von einer Konsumentscheidung, wie es die Veganer*innen letztlich theoretisieren – was ich angesichts der zahlreichen alternativen Verwertungsmöglichkeiten von Tieren und angesichts dessen, dass sich Tierbestände in der Viehhaltung schon heute nicht nach der Nachfrage danach richten, erheblich bezweifeln würde, aber darum soll es hier nicht gehen –, so wäre die moralistische Haltung eine vegane Lebensweise würde weniger Tierleid erzeugen – und sei daher ein allgemein anzustrebendes Ideal – alleine aus oben genannten Gründen vollkommen verlogen und heuchlerisch. Denn die Millionen und Milliarden Tiere, die infolge der Landwirtschaft pflanzlicher Nahrungsmittel getötet und verstümmelt, ausgerottet, vertrieben, an den Rand ihrer Fortexistenz und in ihrem Bestand kontrolliert werden, werden bei einer solchen Behauptung schlicht unterschlagen. Das ist insofern kaum verwunderlich, als dass sich schon bei einer Betrachtung dessen, wer sich dazu entscheidet Veganer*in zu werden, offenbart, um was für eine Art von Ideologie es sich hier handelt. Neben einer guten Hand voll politischer Wirrköpfe für die immerhin zutrifft, dass sie sich zu einem nicht geringen Anteil an den Akademien selbst herumtreiben oder aber im Dunstkreis derjenigen, die dies vornehmlich tun, handelt es sich bei der Mehrzahl der Veganer*innen um Angehörige wohlhabender Bevölkerungsschichten. Es ist im Grunde das gleiche Klientel, das seit einiger Zeit damit auffällt, dass es nicht nur Bio-Lebensmittel mit Vorliebe kauft, sondern auch andere Leute, denen das Geld fehlt, dieser Vorliebe nachzugehen, dafür beschämt. Jenes Klientel, das angesichts der dramatischen ökologischen und sozialen Auswirkungen eines Systems zu deren Kollaborateur*innen sie sich zählen müssen, Zuflucht bei “ökologischen”, “fairen”, “plastikfreien”, “biologischen”, “nachhaltigen” Konsumentscheidungen sucht. Kein Wunder. Denn das System jenseits solch (bestenfalls) reformistischen Quarks zu hinterfragen würde auch bedeuten, der behaglichen Sphäre des konformistischen (Bildungs-)bürgertums zu entsagen und nach wahrhaft konfrontativen Wegen zu suchen, die Herrschaft anzugreifen.

Die einzige Möglichkeit Veganismus vor diesem Hintergrund einer Ideologie des immer weiter um sich greifenden Ökofaschismus zu entziehen, bestünde meines Erachtens darin, ihn gegen das industrielle System selbst, zumindest aber gegen dessen kommerzielle Sphäre zu richten. Das kann niemals durch eine Kaufentscheidung gegen dieses, jedoch für jenes Produkt funktionieren, sondern nur durch den totalen Boykott des industriellen Systems selbst. Eine Möglichkeit dies zu erreichen wären beispielsweise Plünderungen von Lebensmitteln und deren (Ver-)teilung. Bio-Ernährung für alle, sozusagen. Kostenlos. Allerdings wäre dabei irrelevant, ob es sich bei den geplünderten Lebensmitteln um vegane oder nicht-vegane Lebensmittel handelt. Eine andere und gleichzeitige Möglichkeit wäre der aufrichtige Auszug aus diesem industriellen System, der nicht darin bestehen kann, aufgrund des Eigentums an Land irgendeine Nische innerhalb dieses Systems für sich zu finden, sondern ausschließlich in der auch gegen Eigentum gerichteten individuellen und kollektiven Aneignung des Territoriums bestehen könnte, also in der Besetzung von Land, auf dem dann ein nicht-landwirtschaftlicher, nicht-kommerzieller Anbau oder auch eine andere Lebensweise verfolgt werden kann, während dieses Territorium dem industriellen System dauerhaft entzogen bleibt, d.h. gegen die staatliche Rückeroberung verteidigt. Sicherlich sind auch andere Möglichkeiten denkbar … Veganer*innen jedoch, die keine derartigen radikalen (Auf-)Brüche vorzuschlagen haben, sondern allen Widersprüchen zum Trotz daran festhalten, die individuellen Handlungsmöglichkeiten auf Konsumentscheidungen einzuengen und als einzige Perspektive folglich die soziale (und oft auch repressive) Erzwingung der veganen Ernährung der Bevölkerung haben, sind ebenso reformistisch wie jene Politiker*innen, die uns mit ihrem Ökofaschismus in den kommenden Jahren noch den letzten Rest an Appetit vermiesen werden – und der Massenmord an Tieren, Menschen und Lebewesen im Allgemeinen wird obendrein unverändert weitergehen.

Begriffserklärungen

Es ergibt sich zwar aus der (insbesondere) wiederholten Verwendung im Text, aber um Missverständnisse zu vermeiden, seien hier drei Begriffe noch einmal präzisiert:

Veganismus

Eine zur “Lebensweise” erhobene Ernährungsweise innerhalb des Industriellen Systems und folglich eine Ideologie, die darauf basiert, auf tierische Produkte (im Bereich Nahrungsmittel und oft auch in ein paar wenigen anderen Bereichen wie Kosmetik, Haushalt, Bekleidung) dogmatisch zu verzichten. Die Definitionen des Umfangs dieses Verzichts variieren zum Teil stark, können aber bei genauerer Betrachtung eigentlich niemals Geltung für sich beanspruchen.

Veganer*in

Eine*r, die kein Fleisch und keine anderen Produkte, die unmittelbar aus Tierhaltung resultieren (eigentlich niemals ohne Ausnahmen, dafür oft gepaart mit der offensichtlich verlogenen Behauptung auch auf mittelbare Produkte aus Tierhaltung zu verzichten) verzehrt und daraus eine gewisse Obsession macht, die weit über ein informatorisch relevantes (z.B. weil jemand so freundlich ist, für diese Person mitzukochen und dabei Rücksicht auf deren Essgewohnheiten zu nehmen), sowie kommunikativ übliches Maß hinaus Bestandteil von Gesprächen dieser Person wird. Wesentlicher Beweggrund für den Produkt-Verzicht von Veganer*innen ist die moralische und leider auch irrtümliche Vorstellung, dass die eigenen Kauf-, bzw. Nicht-Kauf-Entscheidungen eine relevante Auswirkung darauf hätten, ob Tiere innerhalb des industriellen Systems versklavt werden oder nicht. Veganer*innen sind in der Regel missionarisch, d.h. sie versuchen direkt und indirekt andere davon zu überzeugen, sich der Ideologie des Veganismus (siehe oben) anzuschließen.

Ökofaschismus

Die politische Überzeugung, dass ganz bestimmte, industrielle und vor allem nur vermeintliche Lösungen für vom industriellen System verursachte ökologische Probleme, anderen mit autoritären Mitteln gegen ihren Willen aufgezwungen werden müssen, wenn diese nicht freiwillig aus eigenem Antrieb auf die gleichen “Lösungen” setzen. Eine wichtige Ökofaschistische Partei im deutschen Bundestag sind die Grünen. Beispiele für ökofaschistische Projekte sind die diversen CO2-Einsparungsverordnungen, die Mülltrennung in Deutschland, sowie der staatlich subventionierte und geförderte Veganismus.

Anmerkungen

1 Ganz so unerklärlich ist dieses Bedürfnis natürlich nicht. Es wird nicht nur aktiv von einer sich diversivizierenden Fleischindustrie geweckt, sondern dürfte mitunter auch aus Mängeln, die sich eben möglicherweise als Lust auf Fleisch einen Weg ins Unterbewusstsein bahnen, sowie kulturellen Essgewohnheiten und -gebräuchen resultieren.

(1. April 2023) Diskussionsveranstaltung zum ‚Aufständischen Anarchismus’

Am Samstag den 1. April, werden wir im Versammlungsraum im Mehringhof, Gneisenaustr. 2A, Berlin, DE 10961, um 18:00 Uhr eine Diskussionsveranstaltung zum ‚Aufständischen Anarchismus‘ halten. Eine Strömung in der anarchistischen Bewegung die im deutschsprachigen Raum in den letzten Jahren zu einigen kontroversen geführt hat. Einige verteidigen diese, andere kritisieren sie und machen sie für viele Probleme innerhalb der anarchistischen Bewegung verantwortlich. Wissen in der Regel die Befürwortenden, sowie deren Kritisierenden worüber sie reden, oder bedient man sich Klischees, falschen Annahmen, leere Aussagen und Meinungen? Was ist und was macht aber diese Strömung denn aus? Handelt es sich hier um die Ideologie des gewalttätigen Anarchismus, oder wird sie als Fetischismus der Gewalt und der Waffen (Insurrektionalismus als Ideologie) verwendet und dabei falsch verstanden. Ist es eine Ideologie, oder ist es ein Werkzeug für die Praxis, welches durch vielen Überlegungen entstanden ist? Ist diese Strömung neu, oder baut sie auf die anarchistische Geschichte auf, sowie deren Niederlagen und Erfolgen und daher an sich ein altes Werkzeug, was seit den 1970ern die anarchistische Praxis aktualisiert und zeitgenössisch macht? Ist die Affinitätsgruppe eine Bezugsgruppe die punktuell hier und da was macht, oder eine Form tiefgreifender, langjähriger Zusammenarbeit die aus einem gegenseitigen Vertrauen, vielen Debatten und einer Praxis sich herausbildet? Ist es ein Vorschlag für die soziale Revolution, oder nur Remmidemmi? Wir werden daher die Veranstaltung in fünf Teilen aufteilen, einer Einleitung, einem historischen Rückblick bis zu unseren Tagen, um die Vorschläge anarchistischer Projekte aus Italien, (aber nur?) sowie deren Entwicklung verstehen zu können. Und zum Schluss sowohl eine Analyse der vielen Wieso´s und Warum´s im deutschsprachigem Raum und warum wir den ‚Aufständischen Anarchismus‘ verteidigen und als ein sinnvolles Werkzeug für die soziale Revolution halten.

+++ [HH] Weiterer Gefährte im Parkbankverfahren wieder in Haft +++

Gefunden auf de.indymedia
+++ [HH] Weiterer Gefährte im Parkbankverfahren wieder in Haft +++ Es ist soweit. Der zweite Gefährte, welcher im sog. Parkbankverfahren zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, hat heute seine Reststrafe von ca 2 Monaten in der JVA Billwerder in Hamburg angetreten. Wenn ihr ihm schreiben wollt, könnt ihr das hier machen. JVA Billwerder Buchnummer 650/23/1 Dweerlandweg 100 22113 Hamburg Der andere Gefangene welcher im gleichen Verfahren verurteilt wurde und eine Reststrafe bis Ende Juli absitzen muss, wurde in die JVA Glasmoor verlegt. Ihm könnt ihr unter folgender Adresse schreiben: JVA Glasmoor Buchnummer 63/23/6 Am Glasmoor 99 22851 Norderstedt

Erklärung von Alfredo Cospito bei der Anhörung zur Haftprüfung wegen der einstweiligen Verfügungen bei der Operation Sibilla

Per Mail erhalten
Wir haben die Gerichtserklärung, die der Anarchist Alfredo Cospito am 14. März bei der Anhörung zur Haftprüfung wegen der „Operation Sibilla“ verlesen hat, bekommen und wollen sie so weit wie möglich verbreiten. Wir erinnern daran, dass (wie wir einige Tage später erfuhren) das Untersuchungsgericht von Perugia zum zweiten Mal die Anordnung der Untersuchungshaft gegen Alfredo und fünf weitere Gefährten aufgehoben hat, die der Anstiftung zu Straftaten mit dem erschwerenden Umstand des Terrorismus im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der anarchistischen Zeitung „Vetriolo“ und anderer Artikel und Beiträge angeklagt waren. Die „Operation Sibilla“ (im Zuge dessen der Staatsanwalt ursprünglich acht Haftbefehle gemäß Artikel 270bis StGB und 414 StGB mit terroristischem Hintergrund beantragt hatte, die später in sechs einstweilige Anordnungen umgewandelt wurden, wobei ein Haftbefehl für Alfredo erlassen wurde) ist zusammen mit dem Scripta-Manent-Verfahren eine der beiden „Grundsäulen“, auf denen die 41 bis-Haftanordnung für den Gefährten beruht.
Erklärung von Alfredo Cospito bei der Anhörung zur Haftprüfung wegen der einstweiligen Verfügungen bei der Operation Sibilla Ich beginne mit einem Zitat meines Anstifters: „Unser Rechtssystem hat diese Form der Todesisolation eingeführt, welches das 41bis-Regime ist und das in gewisser Weise sogar noch unzivilisierter ist als die pharmakologische Verstümmelung. So viel dazu, dass unser System nicht durch Zivilisation glänzt“. Carlo Nordio, 28. März 2019 Diese Worte waren die Initialzündung für den Kampf, den ich begonnen habe. Ich hätte nie gedacht, dass ich so weit kommen würde. Melodramen fand ich schon immer lächerlich, ich zieh eher Komödien vor, aber so ist es nun mal gelaufen. Sind wir oder sind wir etwa nicht im Land der Melodramen? Und so muss ich es nun glanzvoll beenden. Aber wenn ich darüber nachdenke, hat es etwas Ironisches: Ich bin der einzige Dummkopf, der im fortschrittlichen demokratischen Westen stirbt, weil er daran gehindert wird, das zu lesen und zu lernen, was ich will: anarchistische Zeitungen, anarchistische Bücher, historische und wissenschaftliche Zeitschriften, ganz zu schweigen von den geliebten Comics. Ihr werdet zugeben müssen, dass es paradox und sogar ein wenig komisch ist. Aber ich kann so nicht leben, ich kann es einfach nicht, und ich hoffe, dass diejenigen, die mich lieben, das verstehen. Ich schaffe es nicht, mich diesem Nicht-Leben zu ergeben, dieser Drang ist stärker als ich, vielleicht weil ich ein anarchistischer Dickkopf aus den Abbruzzen bin. Sicherlich bin ich kein Märtyrer, Märtyrer sind mir zu wider. Ja, ich bin ein Terrorist. Ich habe einen Menschen angeschossen und ich habe mich zu dieser Geste mit Stolz bekannt. Aber ich muss auch sagen, diese Definition aus dem Munde von Staatsvertretern zu hören, die Kriege und Millionen von Toten auf dem Gewissen haben und die sich manchmal, wie einer unserer Minister, am Waffenhandel bereichern, bringt mich ein bisschen zum Lachen. Aber was soll’s, so ist der Lauf der Welt, zumindest bis die Anarchie triumphiert und der wahre Sozialismus, der antiautoritäre und antistaatliche, endlich das Licht der Welt erblickt. „Da kannst du warten bis du schwarz bist“ werdet ihr sagen und das werde ich auch tun, denn die einzigen Lichtblicke, die ich sehe, sind die Gesten der Rebellion meiner revolutionären Brüder und Schwestern überall auf der Welt, und das sind gewiss nicht wenige, denn sie werden mit Herz, Leidenschaft und Mut ausgeführt, so verstreut und ungestüm sie auch erscheinen mögen. Nachdem ich dies klargestellt habe, möchte ich noch den Grund für meine hartnäckigen Wut auf das 41bis-Regime erläutern. Ich glaube, einige Juristen haben dass verstanden, aber nur sehr wenige: Das 41-bis ist eine Metastase, die euren so genannten Rechtsstaat zu untergraben droht und tatsächlich untergräbt, ein Krebsgeschwür, das in einer etwas totalitäreren Demokratie – und mit der Regierung Meloni sind wir fast so weit – dazu benutzt werden könnte, jede politische Dissidenz, jede Art von hypothetischem Extremismus zu unterdrücken, also mit Terror zum Schweigen zu bringen. Das Gericht, das über das mittelalterliche Schandmaskenurteils des 41-bis entscheidet, ist dem faschistischen Sondergericht sehr ähnlich, die Dynamik ist dieselbe: Ich kann diesem Höllenkreis nur entkommen, wenn ich meine politischen Überzeugungen, meinen Anarchismus verleugne, nur wenn ich irgendeine/n Gefährtin oder Gefährten verkaufe. Es beginnt immer mit den „Zigeunern“, den Kommunisten, den Antagonisten, den Chaoten, den Subversiven und dann der mehr oder weniger revolutionären Linken. Wie könnte ich mich dem nicht widersetzen, jedenfalls auf verzweifelte Weise, und für einen Anarchisten, gerade weil wir keine Organisation haben, ist das gegebene Wort alles, und deshalb werde ich bis zum Ende weitermachen. Um mit den Worten des Anarchisten Henry zu schließen, der, wenn ich mich recht entsinne, sagte, bevor man ihm den Kopf abschlug: Wenn mir die Vorstellung nicht gefällt, kann ich sie genauso gut verlassen, hinausgehen und die Tür laut zuschlagen. Das werde ich in den nächsten Tagen tun, hoffentlich mit Würde und Gelassenheit, so weit es mir möglich . Eine herzliche Umarmung an Domenico, der im 41-bis in Sassari einen Hungerstreik begonnen hat, in der Hoffnung, seine Kinder und Angehörigen wiedersehen zu können, in der festen Hoffnung, dass andere, die zum 41-bis verdammt sind, ihre Resignation aufgeben und sich dem Kampf gegen dieses Regime anschließen, das die Verfassung und den sogenannten Rechtsstaat – was immer das auch sein mag – zu Schmierpapier macht. Für die Abschaffung des 41bis-Regimes. Für die Abschaffung der verschärften lebenslangen Haft. Solidarität mit allen anarchistischen, kommunistischen und revolutionären Gefangenen weltweit. Ich danke euch, Brüder und Schwestern, für alles, was ihr getan habt, ich liebe euch und verzeiht mir meine unlogische Sturheit. Niemals mit gesenktem Kopf, immer für die Anarchie. Lang lebe das Leben, nieder mit dem Tod. Alfredo Cospito (Aus einer Videokonferenz aus dem Gefängnis von Opera, 14. März 2023)
Anmerkung: Der Gefährte, der den derzeitigen Justizminister Nordio zitiert, bezieht sich auf den Artikel „Chemische Kastration, Rückkehr ins Mittelalter“, der in „Il Messaggero“ vom 28. März 2019 veröffentlicht wurde (derzeit verfügbar unter diesen Links: https://www.ilmessaggero.it/editoriali/carlo_nordio/editoriali_carlo_nordio-4390216.html & https://web.archive.org/web/20230323152621/https://www.ilmessaggero.it/editoriali/carlo_nordio/editoriali_carlo_nordio-4390216.html). Darüber hinaus bezieht sich die Bemerkungüber den Minister, der sich am Waffenhandel bereichert, zweifellos auf den derzeitigen Verteidigungsminister Crosetto. Dieser war der zum Zeitpunkt seiner Ernennung Präsident einer großen Lobby der Rüstungsindustrie war. Schließlich zitiert Alfredo frei denGefährten Émile Henry (1872-1894), dessen genaue Worte wie folgt lauten: „Übrigens ist es mein gutes Recht, das Theater zu verlassen, wenn mir das Stück unangenehm wird, und ich werde sogar die Tür beim Hinausgehen zuschlagen, selbst auf die Gefahr hin, die Ruhe derer zu stören, denen es gefällt“ (italienische Übersetzung „Émile Henry, Colpo su colpo“, Edizioni Anarchismo, Trieste, 2013, S. 141; derzeit auch unter diesem Link verfügbar: https://www.edizionianarchismo.net/library/emile-henry-colpo-su-colpo).

(Anonym) Gegen den Krieg, Gegen den Frieden – Elemente für einen aufständischen Kampf gegen den Militarismus und die Repression

Gefunden auf anarchistischer Bibliothek, Originaltitel: „Contre la guerre, contre la paix – Eléments de lutte insurrectionnelle contre le militarisme et la répression“, Frühling 2015, übersetzt ins Deutsche August 2015.
(Anonym) Gegen den Krieg, Gegen den Frieden Elemente für einen aufständischen Kampf gegen den Militarismus und die Repression
Krieg und Frieden Die Gedenkveranstaltungen an die Ereignisse von 1914-1918, die ein bisschen überall in Europa organisiert werden, erinnern uns daran, dass alle gegen den Krieg sind. Vom Staatsmann bis zum Bürger, vom Unternehmer bis zum Philosophen, vom Forscher bis zum Arbeiter: alle sprechen sich kategorisch gegen eine Wiederholung des grossen Gemetzels aus. Sie sind für den Frieden. Und im Namen von eben diesem Frieden akzeptieren sie, mit unterschiedlichen Graden an Verantwortung, Kollaboration oder Akzeptanz, gewisse Kriege. Sei es, um die Stabilität in einer Region wieder herzustellen, welche dem Bürgerkrieg preisgegeben ist, um einer Bevölkerung zur Hilfe zu kommen, welcher der Genozid droht, oder um grausame Regime zu ersetzen: der Weg zum Krieg ist mit guten Vorsätzen gepflastert. Im Namen von Werten, die von der gesamten Menschheit anerkannt werden, der «Gerechtigkeit» und dem «Frieden», werden die schlimmsten Massaker begangen. Wir sind heute weit entfernt von der Zeit, wo sich die Staaten, bevor sie offene Feindlichkeiten einleiteten, bei ihren jeweiligen Botschaften eine Kriegserklärung einreichten. Anhand einer juristischen Formel – als Frucht des liberalen Denkens – wie der Kriegserklärung, offerierten sich die Staaten ein legales Alibi, um zu legitimieren, was in «Friedenszeiten» als verboten galt, namentlich den Mord, den Übergriff oder die Vergewaltigung. Um den Krieg mit der Idee von einem liberalen Regime verträglich zu machen, mussten die Staaten folglich über eine Formel verfügen, um ihre Konstitution und ihre Gesetzlichkeit ausser Kraft zu setzen. Heute befinden wir uns nicht mehr in einer Situation, worin die Gesetzlichkeit ausser Kraft gesetzt worden wäre und worin der Krieg aufgehört hätte zu existieren, sondern in der Situation, worin der Krieg selbst in die Gesetzlichkeit eingetreten ist. Der Krieg schreitet noch immer vorwärts, zwar gekleidet in andere Begriffe, die zweifellos auf andere Intensitäten von staatlichem Terror schliessen lassen, aber noch immer ein und derselben militärischen Logik entsprechend: humanitäre Operationen (Besetzung eines Gebietes), Luftschläge (Bombardierungen), Inhaftierung von Terroristen (Entführungen) oder Beseitigung von Bedrohungen (Standhinrichtungen). Als Anarchisten kann uns das alles kaum überraschen. Krieg und Frieden waren schon immer zwei unterschiedliche Worte, die den Fortbestand der Ausbeutung und der Herrschaft verdecken. Massaker, Blut und Gewalt; Militarisierung, Disziplin und Gehorsam bilden den Kern selbst von jeder Autorität. Die einzige Frage, die sich vielleicht noch stellt, ist: was ist aus dem Frieden geworden? Wenn sich die militärischen Operationen, die von den demokratischen Ländern lanciert werden, in einem unablässigen Rhythmus aneinanderreihen, so rufen sie praktisch kaum noch Protest hervor. Und es ist stark zu bezweifeln, dass dem so ist, weil die Bevölkerung die immer stümperhafteren Rechtfertigungen der Regierungen geschluckt hat. Nein, eine andere Schlussfolgerung drängt sich uns auf: Krieg und Frieden werden nicht mehr als getrennte Momente gelebt. Manche Leute mögen uns vielleicht eines schwer verdaulichen Maximalismus bezichtigen, aber wir können die These nicht annehmen, welche Zeit und Raum in Perioden des Krieges und Perioden des Friedens auftrennt. Und eben dies ist es übrigens, was das Fundament des anarchistischen Antimilitarismus ausmacht: Gegen den Krieg, gegen den Frieden, für die soziale Revolution. Der erste Grund, um keine solchen Unterscheidungen zu machen, besteht darin, dass Krieg immer vorbereitet wird, denn er benötigt Waffen, Übungen, Provisionen, Planungen, geistige Vorbereitung der Bevölkerung,… Die Vorbereitung für den Krieg ist bereits Krieg, und da jeder Staat sich immer auf den Krieg vorbereitet, gibt es effektiv weder Krieg noch Frieden. Der zweite Grund besteht darin, dass es weder logisch noch konsequent wäre, einerseits die Verflechtung von Wirtschaft und Krieg, den militärisch-industriellen Komplex anzuprangern, während andererseits die Wirtschaft selbst, der Staat selbst nicht als Kriegsmaschinen betrachtet werden. Und selbst auf Ebene von schrecklichen Statistiken ist es nicht gewiss, dass der «normale» Lauf des Kapitalismus und der Macht weniger Opfer fordert als ein Krieg, wie er klassischerweise definiert wird. Kapital und Staat basieren auf Blut und Massaker. Alles, was produziert wird, basiert auf Blut und Massaker. Jede Initiative, jede Massnahme des Staates bringt Blut mit sich, bis hin zur sogenannten «Unterhaltung», wie es das jüngste Beispiel anlässlich des für und während der Fussballweltmeisterschaft in Brasilien begangenen sozialen Massakers bezeugt. Der Frieden der Märkte ist nichts anderes als der Krieg der Ausbeuter gegen die Ausgebeuteten, mit allen vorstellbaren Mitteln. Der dritte Grund besteht darin, dass die Tatsache, zu akzeptieren, dass ein Staat die Unterscheidung zwischen Krieg und Frieden dekretieren kann, gewissermassen impliziert, anzuerkennen, dass es inakzeptable Kriege, aber auch gerechtfertigte militärische Interventionen gebe. Der «Frieden» wird durch die Angst aufrechterhalten, die es der Macht zu verbreiten gelingt, und der Krieg wird akzeptiert aufgrund der Angst vor einem noch grösseren Massaker. Zu jeder Zeit ist es also der Staatsterrorismus, welcher am Werk ist. Aber weshalb dann auf dem Krieg beharren, wenn er schon immer präsent war und mit den anderen Aspekten der Herrschaft ein und dasselbe bildet? Weshalb heute die Hypothese einer kommenden zusätzlichen Verstärkung der Militarisierung in der Verwaltung des Kapitals aufstellen? Restrukturierung, Revolten und Krieg Die laufende Restrukturierung auf ökonomischer, politischer, sozialer und kultureller Ebene enthüllt heute immer mehr Spuren davon, dass ein neues Projekt der Herrschaft dabei ist, zu entstehen. Dieses installiert sich nach und nach infolge der Offizialisierung der Todesurkunde des sozial-demokratischen Projektes, und des Abschlusses von einem Jahrzehnt von Versuchen zur Aktualisierung des letzteren unter der Form von «Bürgerpartizipation» und «Zivilgesellschaft». Eine Analyse von den Konturen dieses neuen Projekts drängt sich in der kommenden Zeit auf, denn diese wird es ebenfalls erlauben, die Veränderungen auf den Gebieten der revolutionären Konfrontation besser zu verstehen. Eine solche Analyse wird sich nicht damit zufrieden geben können, einen schlichten Blick auf die Angelegenheit zu werfen, zu einer theoretischen Ausarbeitung zu schreiten, denn sie wird sich auch durch neue Kampferfahrungen, so minoritär und begrenzt sie auch sein mögen, und durch die Versuche, wieder eine revolutionäre Projektualität aufzubauen, nähren müssen. Jede Restrukturierung impliziert eine gewisse Instabilität. Das ist ein bisschen wie die Kühlerhaube von einem Autos zu öffnen. Auf einmal kommt der Motor zum Vorschein, greifbar, gewaltig, schmutzig. Und die Ingenieure des Kapitals sind nunmal gezwungen, die Kühlerhaube zu öffnen, wenn sie beabsichtigen, gewisse Teile oder die Gesamtheit des Motors auszuwechseln. Ihr Projekt ist eine neue Methode, um die Explosionskraft des Treibstoffs, der Ausbeutung, zu maximieren, und sich zu versichern, dass die Leitungen dem Druck standhalten, ihn unter Kontrolle halten können. Waren die Auflehnungen der letzte Jahre also vorhersehbar? Hätte jemand Vorhersagen können, dass die Unruhen in Tunesien sich in einen riesigen Flächenbrand verwandeln würden, der dutzende von Ländern, von Ägypten bis Syrien, von Bosnien bis zur Ukraine ergreift? Wir denken nicht. Selbst der optimistischste Revolutionär, offensichtlich noch immer ein Gefangener der Realität, hätte sich das im Jahr 2011 nicht denken können. Selbst nach der Revolte vom Dezember 2008 in Griechenland hätte er sich das nicht gedacht. Einige Hitzköpfe haben vielleicht versucht, ihre Vorahnungen in Worte zu fassen, aber die aufständische Ansteckung hat sich schliesslich schneller ausgebreitet als die Hypothesen der Revolutionäre. Und nun, sind wir heute etwas fähiger geworden, die aufständischen Herde zu erkennen, sie zu erkennen und ein Projekt zu haben, und sei es auch ein minimales, um zu ihrer Ausbreitung beizutragen, bevor das Spektakel den Vorhang wieder schliesst oder der Freiheitsdrang in einem Blutbad ertränkt wird? Gewiss ist, dass diese Auflehnungen in einen gewissen Kontext interveniert sind, einen Kontext von Restrukturierung zahlreicher Aspekte der Herrschaft, und zwar auf globaler Ebene. Sie waren eine Vorpremiere dessen, was, möglicherweise, auf uns zukommt. Ein Wiedererwachen des Verlangens nach Freiheit. Das Auftauchen von revolutionären und selbstorganisierten Praktiken. Die immer blutigere, immer reaktionärere Intervention von religiösen und nationalistischen Kräften innerhalb der Revolten. Der Bürgerkrieg und das industrielle Massaker an den Aufständischen. Die blutige Selbstbehauptung der Staaten bezüglich ihrer Überlegenheit und ihrer Unumgeänglichkeit. Die Beschleunigung der kapitalistischen Ausbeutung. Lauter Elemente, die wir innerhalb und infolge dieser Auflehnungen gesehen haben. Die jüngsten Militärinterventionen in Libyen (Bombardierungen der NATO), in Ägypten (Machtergreifung der Armee, nach jener der Muslimbrüder, um die Revolution zu zerschlagen), in Syrien (die unerbittliche Reaktion des Assad-Regimes, die militärischen Einmischungen anderer Länder, die Bombardierungen der Koalition, alles darauf abzielend, die embryonale Revolution in einen Bürgerkrieg und einen «Stellvertreterkrieg» zu verwandeln), in der Ukraine (die Volksaufstand, der durch einen zwischenstaatlichen Konflikt beerdigt wird) und im Gazastreifen («Um das Kraut zu schneiden, das gewachsen ist», wie es ein israelischer Parlamentarier ausdrückte, was man nicht nur in Bezug auf die Macht der Hamas, sondern auch in Bezug auf das Aufstandspotenzial in den palästinensischen Gebieten interpretieren könnte) waren zweifellos inspiriert von und verbunden mit unheilvollen geopolitischen Interessen, aber wir wollen ebenfalls betonen, was heute wenige zu sagen scheinen: diese Militärinterventionen haben, faktisch und abgesehen von der Gesamtheit ihrer komplexen und widersprüchlichen «Gründe», Revolten und Auflehnungen in einem Blutbad ertränkt, um ihre Verwandlung in ethnische und sektiererische Kriege zu begünstigen. In anderen Worten: sie haben die revolutionäre Dynamik und Vorstellungswelt zerschlagen, welche in den letzten Jahren die Herzen zahlreicher Revoltierender und Ausgebeuteter hat erobern können. Sicher, diese Vorstellungswelt ist nicht vollkommen klar, ist nicht ganz so deutlich. Es ist nicht die strahlende Sonne der anarchistischen Zukunft, die endlich die Wolken der Lügen und der Ideologien durchbricht. Es ist eine Vorstellungswelt durchdrungen von tausend Widersprüchen, zwischen Freiheit und Reaktion, zwischen Subversion und Politik, aber dennoch hat sie sich bekräftigt, hat sie der Revolte der Unterdrückten, welche den Mut hatten, sich gegen das Bestehende aufzulehnen, Leben eingehaucht. Skeptische Revolutionäre und demokratische Partisanen haben sich in einem gemeinsamen Willen zusammengefunden, diese Auflehnungen als «Schreie nach Demokratie» zu klassifizieren. Die einen, um ihre Unfähigkeit zu erklären oder zu rechtfertigen, eine revolutionäre Solidarität auf die Beine zu stellen und an der Ausbreitung der Auflehnungen durch die Ausarbeitung eines aufständischen Projektes zu arbeiten. Die anderen, um den Aufstand wieder unter das staatliche Joch zu bringen und das Fortbestehen der kapitalistischen Ausbeutung vor jeder Infragestellung zu schützen. Heute, wenn wir die Tatsachen betrachten, so ist es, vielmehr als eine demokratische Rekuperation, vor allem die Repression, welche die Überhand genommen hat. Wer spricht noch von der «demokratischen Revolution in Ägypten» oder der «demokratischen Revolte gegen das Regime von Gadaffi»? Wer? Man kann daraus also schliessen, dass es im Mindesten verfrüht, ja sogar falsch war, zu denken, dass diese Auflehnungen dasselbe Schicksal erfahren werden wie das von so vielen Kämpfen des letzten Jahrzehnts auf europäischem Boden: die Rekuperation und die Integration in das Spektakel. Heute, vielmehr als die Figur des geschickten demokratischen Politikers, ist es das rohe Gesicht der von einem Jagdflieger abgeworfenen Bombe, das sektiererische Massaker und die Masseneinsperrung, die auf die revolutionären Begehren antworten. Der Elan dieser Auflehnungen ist nicht tot. Noch nicht. Er ruft weiterhin Kämpfe ins Leben, bald vielversprechende, bald tragische, in einem Kontext, in dem die Herrschaft, eben, versucht, die Grundlagen für ein neues Gleichgewicht zu finden, die Grundzüge für ihr neues Projekt zu umreissen, um die Unterdrückung und die Ausbeutung fortzusetzen. Heute in der Defensive zu bleiben, bedeutet, das Todesurteil dieser Auflehnungen zu unterschreiben; schlimmer noch, es bedeutet, zur x-ten Beerdigung der Befreiungsbegehren beizutragen. Gegenüber der Verschärfung der Repression ist es nicht ein Wettlauf in Richtung von Allianzen mit autoritären Kräften, den es zu unternehmen gilt, sondern einen Parcours, um aufständische Projekte zu entwickeln. Es ist der Aufstand und die aufständischen Akte, wodurch wir denken, dass es möglich sein wird, diese teuflische Spirale kurzzuschliessen, die immer schneller auf die blutige Bekräftigung der Überlegenheit der Macht zusteuert. Ja, die Zeit drängt, es ist bereits spät, sehr spät. Aber versuchen wir zunächst einmal mehr, andere Aspekte der Realität zu untersuchen, in welcher und gegen welche dieses aufständische Projekt seinen Weg wird bahnen müssen. Das repressive Projekt: Massaker, Militarisierung und Einsperrung Die «revolutionären Anstürme» der 70er Jahre liegen heute weit hinter uns. Die Transformationen, die, neben der massiven Repression, von der Herrschaft bewirkt wurden, um sie zu neutralisieren, konnten im Allgemeinen als abhängig von zwei Tendenzen charakterisiert werden: eine in Richtung Einschliessung und eine andere in Richtung Ausschliessung. Dieser Prozess hat neue Demarkationslinien innerhalb der Gesellschaft gezogen. Heute können wir feststellen, wie sehr dieser Prozess nicht mehr an seinen Anfängen ist: er hat sich als Verwaltungsweise realisiert. Das Los, das den Ausgeschlossenen Vorbehalten wird, ist ein Schicksal von Abstumpfung, Einsperrung und unbändiger Ausbeutung, je nach dem Ort auf dem Planeten, wo sie sich befinden, und je nach dem Bedürfnissen der Produktion und der Reproduktion. Wenn die Technologien es einerseits der Macht erlaubt haben, sich eine feinmaschige Kontrolle über die Gesamtheit der Gesellschaft zu sichern, so ist andererseits die Anzahl bewaffneter Konflikte, im Allgemeinen in Form eines Bürgerkrieges mit der Intervention anderer Mächte, noch nie so gross gewesen. Verwaltungsweisen, die zuvor eher Kontexten von militärischer Besetzung Vorbehalten waren, wie die generalisierte Fichierung, die administrative Inhaftierung, die Konzentrationslagerlogik, die Kontrolle der Bewegungen, werden heute auf immer mehr Gebieten des gesellschaftlichen Lebens angewandt. Diese Verwaltung resultiert aus dem Ineinandergreifen aller Kontroll- und Regierungstechniken innerhalb von einer Aufstandsbekämpfungsstrategie nach militärischer Gangart. Die Lektionen aus der Experimentierung in einem immensen Konzentrationslager unter offenem Himmel wie zum Beispiel jenes vom Gazastreifen dienen ebenso den Operationen zur blutigen Befriedung in den Favelas von Rio de Janeiro, wie als Leitlinien des totalitären Urbanismus in den europäischen Metropolen. Die Militarisierung der Grenzen der Europäischen Union, wo jedes Jahr tausende von Personen sterben, hat die Militarisierung einer wachsenden Anzahl Transportachsen innerhalb der Union zur Folge. Die Modelle zur Wiederherstellung der Kontrolle in von Katastrophen getroffenen Gebieten werden direkt auf die Erfahrungen im Bereich der militärischen Besetzung gestützt. Die Macht ist sich also sehr wohl darüber bewusst, dass die massive Ausschliessung auch Risiken von sozialen Explosionen mit sich bringt. Durch den Prozess der Zerstörung der Sprache, im Sinne der Zerstörung jeder anderen Vorstellungswelt als der Realität des Kapitals, gedenkt sie sogar, sich versichern zu können, dass die eventuellen Revolten eben auf Explosionen beschränkt bleiben, die vielleicht durchaus zerstörerisch sein mögen, aber ohne revolutionären Impuls. Innerhalb von diesem Rahmen assistieren wir also einer Generalisierung der Logik der militärischen Intervention gegen jegliche Revolte. Es wäre falsch, die sicherheitstechnische Beschleunigung, das Anwachsen der Anzahl von Forschungen und Machenschaften zur Aufstandsbekämpfung, die zunehmende Brutalität in der Aufrechterhaltung der Ordnung, die Verschärfung auf gesetzlicher Ebene als lauter Zeichen davon zu betrachten, dass die Macht Angst hat. Es ist nicht so, dass sie niemals Zweifel hätte, welche sich in die Arroganz der Mächtigen einschleichen, aber es scheint uns, dass all dies vielmehr dazu bestimmt ist, den Ausgeschlossenen Angst zu machen. Angst zu sähen, ist, wie wir gut wissen, eine hervorragende Weise, um sich die blinde Zustimmung oder die resignierte Unterwerfung des jeweiligen Subjekts zu sichern. Und Angst ist auch ein unumgänglicher Bestandteil des Krieges. Alles kann heute als Bedrohung dienen, alles ist gut, um Angst einzuflössen. Terrorismus, Umweltkatastrophen, Elektrizitätsknappheit, Finanzkrise… alles austauschbar innerhalb von einer immer militarisierteren Verwaltung des sozialen «Friedens», das heisst des Krieges gegen die Ausgebeuteten und die Ausgeschlossenen. Wenn man zwischen der Restrukturierung einerseits, und den Revolten, dem Krieg und der Ausschliessung andererseits, ganz abgesehen von der Angst und der Militarisierung des Territoriums, deutliche Verbindungen erkennen kann, so befinden sich auch andere Aspekte der Herrschaft in Restrukturierung. Die Ausweitung der physischen und geistigen Kontrolle, welche heute die Quasi-Totalität der Gesellschaft und des sozialen Raumes umfasst, hat, entgegen den humanistischen Absichten, welche die Macht für eine gewisse Zeit vorspiegeln mochte, nicht eine Verringerung der Anzahl repressiver Strukturen, sondern vielmehr ihre Vervielfachung zur Folge gehabt. Die Macht hat, nachdem sie die Kontrolle generalisiert hat, nicht Gefängnisse geschlossen, sie hat die Gefängnislogik auf immer mehr Bereiche der Gesellschaft ausgeweitet, indem sie die Grenze zwischen «draussen» und «drinnen» immer verschwommener machte, so dass sich heute überall in Europa dutzende neue Gefängnisse und Festhaltezentren in Bau befinden. Die Spezialregime, das Gefängnis innerhalb des Gefängnisses, vervielfältigt sich als unabdingbare Folge der Verwaltung einer immer bedeutenderen Gefängnisbevölkerung. Auch das gesetzliche Arsenal gegen den «Banditismus» und den «Terrorismus» wird verschärft. Die Hypothese einer immer immer offeneren und toleranteren pluralistischen Macht, die so das reibungslose, strahlende Funktionieren des Kapitals garantiert, scheint sich vielmehr zu Gunsten von einer anderen Hypothese zu entfernen, jener einer gesteigerten Militarisierung auf allen Ebenen. Die Repressionsfabrik Krieg und Massaker bilden den Kern der kapitalistischen Ausbeutung und der staatlichen Unterdrückung. Diese Bekräftigung hat nicht zum Ziel, irgendeine Sympathie oder irgendein Engagement für einen wohlmeinenden und naiven Humanitarismus zu erwecken, sondern eine Distanz zu all jenen zu markieren, die fortwährend auf der Suche nach «objektiven Gründen» sind, um ihre eventuelle revolutionäre (Nicht-)Intervention vor dem Tribunal der Geschichte zu rechtfertigen. Die Herrschaft produziert andauernd «objektive Gründe», um nicht zu handeln, um nichts zu tun, um zu akzeptieren, sie produziert «sozialen Frieden». Sie mystifiziert die Tatsache, dass ihr Reich auf dem Massaker und dem Schrecken basiert. Diese Mystifizierung zu durchschauen, ist kein leeres rhetorisches Spiel, es ist das erste Hindernis, das es zu überwindend gilt, um die Grundlagen für eine revolutionäre Intervention zu jedem Zeitpunkt zu legen. Dieses Hindernis ist auch tief moralisch. Es besteht aus einem Berg von befriedigenden Argumenten, von Zuspitzungen des Schreckens, der gegenüber der Gewalt und dem Blut empfunden wird. Diesen Berg zu erklimmen ist keine einfache Aufgabe. Denn im Grunde, um zum Angriff überzugehen, müssen wir auch unsere kleinen Herzen durchbrechen, welche durch Jahrhunderte von Moral domestiziert wurden, und unsere Arme entrosten, welche durch so viel Anpassung entwaffnet wurden. Ohne dies wird kein anarchistisches revolutionäres Projekt möglich sein. Aber gehen wir nun zum ersten Gegenstand dieser Frage über: die Repressionsfabrik. Ein vieluntersuchter, und vielumgangener Gegenstand. Die Repression, wenn sie sich nicht in Strukturen und Menschen konkretisieren würde, wäre bloss eine leere Idee ohne realen Einfluss. Und in der Tat, sobald wir beginnen, von Waffenproduktion, von Verteidigungs- und Sicherheitssystemen, von Überwachung und Kontrolle zu sprechen, so können wir unmittelbar hunderte von Industrieanlagen, Fabriken und Laboren vor unseren Augen auftauchen sehen, aber auch Tausende von Ingenieuren, Spezialisten, Forschern, und auch Basisarbeitern, alles und alle eingebundnen in die Produktion von Todes- und Kontrollinstrumenten. Kriege und Militarisierung werden hier produziert. Sie werden hier vorbereitet und geplant. Sie werfen, in den meisten Fälle, hier saftige Profite ab. Und es ist somit auch hier, wo jemand, der handeln will, die Kriegsproduktion ins Visier nehmen kann. Und da die Demarkationslinie zwischen «militärischen» und «zivilen» Applikationen heute sehr verschwommen, ja sogar inexistent geworden ist, umfasst die Todesproduktion auf immer direktere Weise breite Wirtschaftssektoren. Jenseits der weit bekannten und gigantischen Waffenproduzenten, liefern hunderte von anderen Unternehmen, die oft sehr anonym und diskret sind, die unerlässlichen Bestandteile für erstere, und, einmal zusammengebaut, werden diese Bestandteile zu schrecklichen perfektionierten Bomben. Dasselbe gilt dafür, was Labore und Forschung betrifft. Um nur ein Beispiel zu machen: die Konzentrationslagerlogik, also die Aufrechterhaltung der Ordnung durch Zonierung, durch Unterteilung in Zonen (was in jeder militärischen Besetzung eines Territoriums, aber auch im totalitären Urbanismus der Metropolen am Wirken gesehen werden kann), erfordert eine gesteigerte Kontrolle und eine permanente Überwachung der Grenzen dieser Zonen und ihrer Zugangswege. Es existiert eine ganze angewandte «Wissenschaft», die sich in den letzten Jahrzehnten in schwindelerregender Entwicklung befindet, in Bezug darauf, was als die Problematik des «Checkpoints» charakterisiert werden könnte. Die technologische Forschung, um diese – reellen oder «virtuellen» – Checkpoints auszustatten, ist eine der fortgeschrittensten, denn es geht darum, eine totale und unmittelbare Kontrolle zu realisieren. Die Applikationen, welche für die israelischen Checkpoints entwickelt wurden, statten ebenso auch die Zugänge der Flughäfen, der Institutionen, der öffentlichen Transporte, der Chemiefabriken usw. aus. Abgesehen von der Untersuchung der eigentlichen Produktion, können wir uns auch der Produktion von «Menschen», dem Training von Mördern und Folterern zuwenden. Wenn der klassische Prozess zur Fabrikation des perfekten Soldaten weitum bekannt ist (Training, Eintrichterung von blinder Disziplin, dann Eintauchung in den Kampf, wobei der erste Mord die Türe zum wiederholten Mord auf Kommando öffnet), so können wir heute sehen, wie diese Eintauchung auch auf eine von der Realität getrennte Weise erfolgen kann. Der Pilot des Jagdfliegers sieht sein Ziel nicht, er sieht bloss die Satellitenkoordinaten. Der Pilot der Drone, die im Mittleren Osten mordet, tätigt seine Arbeit von 9 bis 17 Uhr, ausgehend von einem Karawanenpark irgendwo in den Vereinigten Staaten, mit einem Joystick hantierend, der demjenigen einer Playstation gleicht. Die Grenzwächter, welche die Gewässer des Mittelmeeres überwachen, assistieren per Satellit dem Ertrinken von Hunderten von Personen, deren Schicksalsboot untergeht. Je mehr die emotionale und physische Distanz zwischen dem Folterer und dem Foltergegenstand zunimmt, eine Distanz, die entweder durch eine übergeordnete Autorität oder durch eine technologische Prothese überdeckt wird, desto «effizienter» kann der Folterer seine Arbeit ausüben. Die übergrosse Mehrheit der Forscher, welche die schrecklichsten Todesinstrumente entwickeln, die Ingenieure, welche die Waffenfabriken antreiben, sind in jeglicher Hinsicht gewöhnliche Leute. Sie sind keine blutrünstigen Monster, es ist sogar wahrscheinlich, dass sie, entsetzt, vor dem Schlachten einer Kuh zurückweichen würden. Sie mögen sogar linke Ideen haben. Wenn man wünschte, eine beruhigende Vorstellung des blutrünstigen und reaktionären Feindes zu konstruieren, um ihn ohne Zögern angreifen zu können, würde man sich nicht nur täuschen, sondern sich vor allem sehr entwaffnet vor der Repressionsfabrik wiederfinden. Was wir brauchen, ist etwas ganz anderes als die Produktion von einem Bild des Feindes, wir brauchen Ideen und Verlangen, die das Warum unseres revolutionären Handelns begründen. Wir brauchen die Ethik von jemandem, der für die Befreiung kämpft, eine Ethik des Aufständischen, die keine der Befriedung zollende Moral ist. Wir brauchen vertiefte Analysen und präzise Informationen. Konturen einer anarchistischen Projektualität gegen den Krieg und gegen die Repression Die Anarchisten sind gegen den Krieg, gegen alle Kriege. Aber wir sind auch gegen den Frieden. Wir sind gegen den Frieden der Märkte, gegen den Frieden der Autorität, gegen den Frieden der Abstumpfung und der Knechtschaft. Wir sind für die soziale Revolution, für die gewaltsame und tiefgreifende Umwälzung der bestehenden sozialen Verhältnisse, welche auf der Ausbeutung und der Autorität basieren. Aber diese Felsen des anarchistischen Ideals halten während Stürmen nicht immer so gut stand. Es ist nicht selten geschehen, Gefährten sagen zu hören, dass die NATO-Intervention in Libyen nicht das Gelegenste sei, was es anzuprangern gilt. Ebenso, wie es heute wenige anarchistische Stimmen gibt, die sich gegen die militärische Intervention der internationalen Koalition in Syrien erheben. Es geschieht auch nicht selten, dass man sehen kann, wie Anarchisten dem Prinzip des taktischen Opportunismus erliegen: „der Feind meines Feindes ist mein Freund». Ist es noch immer nötig, daran zu erinnern, dass der Feind meines Feindes von heute gestern auch der meine war, und dass ich vielleicht morgen von den beiden anderen als Feind betrachtet werden werde…? Diese berühmten Felsen neigen auch dazu, im Feuer der Aktion zu erodieren, wenn letztere nicht von einer standfesten Projektualität gestützt wird. Die Faszination für die angebliche «Effizienz» des autoritären Guerillamodells beispielsweise hat mehr als einen Gefährten dazu veranlasst, es – natürlich stets «vorübergehend» – zu akzeptieren, auf gewisse Grundlagen des Anarchismus zu verzichten, oder den Vorschlag der aufständischen informellen Organisation zu verwerfen, welcher als «weniger effizient» erachtet wird, um die Feindlichkeiten zu entfachen oder in sie zu intervenieren. Es ist jedoch sehr wohl letztere, die sich gegenwärtig als die beste Weise herausstellen könnte, um die laufende repressive Restrukturierung, das Massaker an den Aufständischen und die Beerdigung eines revolutionären Elans zu bekämpfen. Gegen den Krieg, aber nicht entwaffnet Zweifellos, wie jemand es lakonisch ausdrückte, «wir sind schwach geworden». Und er fügte an, «alle, ohne Ausnahme». Wenn dieses Urteil die theoretischen Fähigkeiten der Anarchisten betraf, so bezog es sich mehr noch auf ihre operativen Fähigkeiten. Eine Schwäche, die umso greifbarer wird, wenn wir das Monster des Massakers und des Krieges vor uns haben. Es nützt jedoch nichts, mit den Wölfen zu heulen, lieber nehmen wir diese Schwäche zur Kenntnis und versuchen, ihr abzuhelfen. Ohne uns einzubilden, schnell grosse Schritte zu machen, ohne zu beginnen, dem Kult der «Stärke» zu verfallen, der oft in Richtung einer Militarisierung des Kampfes treibt, müssen wir uns wieder einen Weg, einen Parcours erdenken. Gewisse Dinge lernt man nicht von einem Tag auf den anderen; und wenn das drängende und unmittelbare Bedürfnis einen Anschub geben kann, so ist es dennoch besser, sich im Voraus vorbereitet zu haben. Denn es ist auch eine geistige Frage. In Wirklichkeit sind wir fähig, alles zu tun, was wir wollen, oder fast alles, die wirkliche Frage ist vielmehr, zu wissen, ob wir bereit sind, die notwendigen und unerlässlichen Anstrengungen aufzubringen. Um sich mit technischen Kenntnissen auszustatten, müssen die betreffenden Materien ernsthaft studiert werden. Um gewisse Fähigkeiten zu entwickeln, muss man über Zeit verfügen, um sich ihnen zu widmen. Nur auf diese Weise können diese Kenntnisse anschliessend in einem Projekt brauchbar werden, die Kreativität bewaffnend und die Ideen verstärkend. In diese Richtung müssen wir also arbeiten, wenn wir nicht von anderen Strömungen abhängen, den Launen und den blossen Möglichkeiten des Moments ausgeliefert sein, oder schlichtweg auf die Interventionen verzichten wollen, aufgrund von mangelnden Fähigkeiten und Mitteln. Und dies ist wahrlich das Traurigste, was einem Gefährten geschehen kann. Die internationalistische Aktion Gegenüber dem Krieg und dem Massaker an Aufständischen kann der anarchistische Vorschlag nur jener der internationalistischen Aktion sein. Diese ist zuallernächst eine Weigerung, sich hinter das eine oder andere Lager zu stellen, das als «weniger schlimm» gilt, oder den militaristischen Interventionen von grossen Mächten gegen oder für dieses oder jenes Lager zu applaudieren. In diesem Kontext besteht die internationalistische Aktion grundlegend darin, den Aufstand und die soziale Revolution gegen die Reaktion zu verteidigen. Sie verläuft entlang von zwei grundlegenden Achsen, diejenige, die revolutionären und antiautoritären Tendenzen innerhalb des Aufstands selbst zu unterstützen, und diejenige des Angriffs gegen das repressive und militärische Bestreben hier. Wenn man die Möglichkeit, direkt im Herzen selbst des Aufstands anderswo zu intervenieren, nicht im Voraus ausschliessen kann, so denken wir, dass die internationalistische Aktion auch als verstreut und dezentralisiert aufgefasst werden kann. Während der Revolution von 1936 gingen zahlreiche Anarchisten an Seiten ihrer spanischen Gefährten kämpfen. Wenn es zweifellos möglich war, die Revolution zu stärken, indem man sich vor Ort begab, so haben andere Gefährten daran erinnert und versucht, die Revolution zu stärken, indem sie den Konflikt nach anderen Breitengraden ausweiteten. Sei dies nun in Form von Streiks in den Häfen, wo die mit Waffen beladenen Schiffe passierten, um die Faschisten in Spanien zu versorgen, von gezielten Angriffen gegen Interessen der internationalen Reaktion, oder auch in Form der Intensivierung und der Beschleunigung von aufständischen Projekten, um die Feindlichkeiten anderswo zu entfachen. Wenn die erstere Sache, also die internationalistische Intervention im Herzen des Aufstands, von einer Potenzialität abhängig ist, wofür heute die Grundlagen und die Bedingungen wiederaufgebaut werden müssten, so liegt die zweitere Sache, also die aufständische Ausweitung der Feindlichkeiten und die Sabotage der Interessen der Reaktion, mehr in der Weiterführung der bereits bestehenden Initiativen und Aktivitäten, mit unterschiedlichen Graden, indem ein informeller Raum geöffnet wird, der die Grenzen übersteigt. Gegenüber der Restrukturierung der Repression und ihren militärischen und sicherheitstechnischen Konsequenzen scheint es uns möglich und wünschenswert, die Grundzüge einer aufständischen anarchistischen Projektualität neu zu umreissen. Denn Krieg und Restrukturierungen sind, trotz den erdrückenden Stärkedemonstrationen der Macht, auch Momente, in denen die Immunverteidigung des Systems etwas schwächelt und in denen sie einige von ihren offenen Wunden, ja sogar von ihren Schwachpunkten zeigt. Und dies sind somit auch geeignete Momente, um zu versuchen, die Situation zum Entgleisen zu bringen, oder um zur Auslösung des Aufstands beizutragen. Wenn diese Projektualität den Weg eines aufständischen Kampfes gegen eine neue repressive Struktur erkunden kann, so mag sie, anderswo, am selben Ort oder zur selben Zeit, den Boden für den Angriff gegen die repressive und militärische Bestrebung, gegen die Rüstungsindustrie und die Repressionsfabrik präparieren. Dies erfordert eine ganze Arbeit an Recherche und Information, welche die Orte und die Menschen der Todesproduktion, die Verknüpfungen, die Informations- und Kommunikationskanäle, die Energieversorgungslinien und die Befehlsketten detailliert darlegt, während auf diese Weise Interventionsachsen geliefert und die Kenntnisse zur Verfügung gestellt werden, die unentbehrlich sind, um anzugreifen. Die Ziele von aufständischer Zerstörung einer repressiven Realisierung der Macht und die Destabilisierung, durch eine Verbreitung von Angriffen, ihrer Repressionsproduktion, und somit der Produktion von sozialem Frieden, können in diesen instabilen Zeiten Orientierungspunkte in der Entwicklung und Vertiefung von einer neuen anarchistischen Projektualität sein.

Männliche Zurichtung und Desertation aus der patriarchalen Ordnung (2023)

Welche Rolle kommt dem Subjekt Mann in der technopatriarchalen Ordnung zu? Exkurs: Die Rolle der Frau in der patriarchalisch-kapitalistischen Gesellschaft Auch wenn es meiner Meinung nach gewiss eines der wesentlichen Probleme antipatriarchaler Analysen aus Männersicht darstellt, dass diese eben genau keine von der eigenen Subjektivität ausgehende Analysen entwickeln und stattdessen die Rolle des Mannes, also… Continue reading Männliche Zurichtung und Desertation aus der patriarchalen Ordnung (2023)

Sechs Texte aus Italien und aus Chile zum Kampf von Alfredo Cospito gegen die Isolationshaft Namens 41bis

Hier sechs Texte aus Italien und aus Chile zum Kampf von Alfredo Cospito gegen die Isolationshaft Namens 41bis. Es finden sich unter anderem Texte von Mónica Caballero und weiteren eingesperrten Gefährtinnen und Gefährten die gerade auch im Knast sitzen.


Gefunden auf publicación refractario, die Übersetzung ist von uns.

Anarchist*innen und Subversive fasten in Solidarität mit dem Gefährten Alfredo Cospito!

1. Februar 2023

104 Tage nach Beginn des Hungerstreiks.
ANARCHISTISCHE UND SUBVERSIVE GEFANGENE AUS CHILE BEGINNEN IN SOLIDARITÄT MIT ALFREDO COSPITO ZU FASTEN
Seit dem 31. Januar.

Für Alfredo Cospito:

Ein lauter Schrei des Krieges!

Ein Aufruf zur internationalistischen Solidarität!

Eine klare Aufforderung zur Aktion!

Im Rahmen der Mobilisierung für den Hungerstreik des italienischen anarchistischen Gefährten Alfredo Cospito, der seit 104 Tagen andauert, beginnen die anarchistischen und subversiven Gefangenen im Gonzalina-Rancagua-Gefängnis heute, am 31. Januar, ein solidarisches Fasten als minimale Geste der Komplizenschaft angesichts des transzendentalen und entschlossenen Kampfes, den der Gefährte führt, um die Isolation zu beenden, der der italienische Staat ihn unterworfen hat, und gegen die lebenslange Haftstrafe, zu der er kürzlich verurteilt wurde.

Die Situation ist von äußerster Dringlichkeit und es gibt keinen Platz für Momente des Abwartens und Nachdenkens, die nur Apathie und Untätigkeit verstärken.

Es geht auch nicht darum, passiv zuzusehen, wie der italienische Staat Alfredo sterben lässt, in einer der deutlichsten Demonstrationen autoritärer Brutalität.

Wollen wir auf den Tod unseres Gefährten warten, bevor wir beschließen zu handeln?

Dieses Fasten ist auch ein Aufruf an das antiautoritäre Bewusstsein auf der ganzen Welt und sein konsequentes Handeln (A.d.Ü., im Sinne von Aktionen).

Während dieser umfassenden Mobilisierung haben wir gesehen, wie wichtig jede subversive Geste außerhalb der Grenzen derer ist, die ihn heute in diesem ruchlosen Regime festhalten, und haben die Wirksamkeit internationalistischer Solidarität mit kämpferischem Charakter unter Beweis gestellt.

Jetzt müssen wir unsere ganze Vorstellungskraft einsetzen, unsere auf Konfrontation ausgerichteten Affinitätsbeziehungen mit Leben füllen und auf unsere Erfahrungen zurückgreifen, denn nur so können wir die aufständische Komplizenschaft aktivieren, um zu versuchen, Alfredo aus dem verhängnisvollen 41bis herauszuholen.

Morgen könnte es zu spät sein, deshalb ist es wichtig, sofort zu handeln und den Kampf selbst in die Hand zu nehmen, indem wir uns in diesem Kampf, der nicht warten kann, voll engagieren.

In diesem Sinne ist der laufende Kampf nicht nur für Alfredo entscheidend, sondern auch für uns alle, die wir uns gegen den Knast und die Welt, die ihn braucht, zur Wehr setzen, denn das, was auf unseren Gefährten angewandt wird, wird sich schnell auf jeden ausweiten und exportieren lassen, der rebelliert und sich der etablierten Ordnung entgegenstellt.

Deshalb verzichten wir nicht auf klare und konkrete Demonstrationen, um alle unsere Gefährt*innen auf der ganzen Welt aus den Gefängnissen zu holen, die jahrzehntelang in nazifaschistischen Regimen der Gefangenschaft läutern mussten, die versuchen, die rebellische menschliche Dimension jedes Aufständischen, der sich angesichts dieser Realität der Unterdrückung und des Elends auflehnt, zu entwürdigen.

Der Schlüssel, um Alfredo aus der Isolation zu holen, liegt heute sicherlich nicht in unseren Händen, aber wir werden nicht aufgeben, unseren Teil dazu beizutragen, dass dies so bald wie möglich geschieht.

Was aber von uns abhängt, ist unsere Entscheidung, uns aktiv am Kampf zu beteiligen, indem wir denen, die ihn foltern, das Gefühl geben, dass sie nicht sicher sind, solange sie den Gefährten in diesem schändlichen Regime halten.

Für die Ausweitung der kämpferischen Solidarität im Puls der aufständischen Komplizenschaft mit dem Gefährten Alfredo Cóspito!
Holen wir Alfredo raus aus dem 41bis!
Solange es Elend gibt, wird es Rebellion geben!
Bis auch die letzte Bastion der Knastgesellschaft zerstört ist!
Lasst die Gefängnisse explodieren!
Lang lebe die Anarchie!
Revolutionäre antiautoritäre Gefangene aller Richtungen raus aus dem Knast jetzt!!!

Marcelo Villarroel Sepúlveda.
Juan Aliste Vega.
Joaquín García Chancks.
Francisco Solar Domínguez.

Knast-Unternehmen La Gonzalina-Rancagua
Vom chilenischen Staat besetztes Territorium.
31. Januar 2023
104 Tage nach Beginn des Hungerstreiks des Gefährten.


Gefunden auf publicación refractario, die Übersetzung ist von uns.

Italien. Die Revisionsverhandlung von 41bis gegen Alfredo wird vorgezogen: 24. FEBRUAR

3. Februar 2023

Ursprünglich war die Anhörung zur Überprüfung von 41bis gegen Alfredo für den 20. April 2023 angesetzt, aber auf Druck des Hungerstreiks wurde sie auf den 7. März 2023 vorverlegt.

Angesichts der wachsenden politischen Krise in Italien aufgrund des Hungerstreiks des Gefährten und der Vervielfachung der internationalen Solidaritätsaktionen wurde der Termin auf den 24. Februar 2023 verschoben.

Bei dieser Anhörung soll erneut diskutiert werden, ob es angemessen ist, Alfredo Cospito in dieser extremen Isolation zu halten. Der Gefährte aus dem Knast hat versichert, dass er den Hungerstreik nicht aufgeben wird, bis er aus diesem Betonfriedhof entlassen wird.

Solidarität mit dem Hungerstreik gegen 41bis!

Um die Ermordung von Alfredo zu verhindern!


Gefunden auf publicación refractario, die Übersetzung ist von uns.

Über den jüngsten Rausch der Massenmedien in Italien über die angebliche Zusammenarbeit von Alfredo Cospito mit der Mafia

3. Februar 2023

Anmerkung von refractario: Der jüngste Schachzug des italienischen Staates angesichts des Hungerstreiks von Alfredo war, über die Verbindungen zwischen der Mafia und Anarchist*innen zu sprechen. In den Schlagzeilen und Berichten wurde versucht, den Eindruck zu erwecken, dass die verschiedenen Mafias die Gefährt*innen und Alfredo selbst als „nützliche Idioten“ benutzen. Der Rausch ist massiv und systematisch und hat auch in der politischen Klasse Italiens zu Kontroversen geführt. Giovanni Donzelli, ein Abgeordneter der extremen Rechten (Regierungspartei in Italien), hat Abhörbänder zwischen Alfredo und Mafia-Gefangenen durchsickern lassen, in denen letztere ihn in seinem Kampf ermutigen. Die Situation wurde von Donzelli genutzt, um die Abgeordneten anzugreifen, die sich für eine Änderung des 41bis-Regimes oder für die Entlassung von Alfredo eingesetzt haben, und sie zu beschuldigen, Komplizen der Mafia zu sein. Die Opposition ihrerseits wirft Donzelli vor, Zugang zu vertraulichen Informationen zu haben und diese zu veröffentlichen. Weit entfernt vom Kannibalismus der politischen Klasse, verdeutlicht dieser Text einen wichtigen Punkt. Wir Anarchist*innen haben nichts mit Mafia, kriminellen Organisationen oder Gangs zu tun… wir wollen die Macht nicht verwalten, sondern sie zerstören.

Wenn ich sehe, dass sie im Fernsehen versuchen zu manipulieren, indem sie sagen, dass Alfredo Beziehungen zu den Mafiosi hat, denke ich, dass sie ihn nicht kennen, sonst hätten sie Angst, dass alle zu Anarchisten werden [lacht]“.

Flavio Rossi Albertini, Anwalt von A. Cospito.

Ihr seid nicht in der Lage, euch einen Menschen, eine Bewegung und Individuen außerhalb eurer Logik vorzustellen. Und selbst ohne es zu ahnen, lügt ihr absichtlich. Ihr baut Sandburgen, indem ihr versucht, Polizeikarten (A.d.Ü., im Sinne von Verbidnungen) zwischen Cospito und der Mafia zu erstellen. Stimmt, für euch ist es bequem, Cospito in die Mafia einzuordnen, denn im Gegensatz zur Anarchie (Cospitos einziger Ideologie) wisst ihr, wie man mit der Mafia umgeht, ihr wisst, wie man schweigt, sich verbeugt und abstoßend ist. Bei der Mafia wisst ihr, wie man die eiserne Faust einsetzt, nachdem ihr mit Küssen und staatsmafiösen Verhandlungen geschwiegen habt. Bei der Mafia wisst ihr, wie ihr das Wort Chaos mit dem Wort Sieg überdecken könnt, wenn es um die Verhaftung eines Capos geht, während die Mafia weiter macht.

Cospito ist, wie alle Anarchist*innen, einschließlich dieses Autors, kann nicht in euren Schemata der Macht eingeordnet werden, sei es die Mafia oder der Staat, denn was wir zerstören wollen, ist genau der Staat, der Kapitalismus, der Kolonialismus und die Mafia. Erinnert euch daran, dass der wirkliche Kampf gegen die Mafia besteht, wenn die hierarchischen und sozialen Herrschaftssysteme, die sie kennzeichnen, abgelehnt werden. Und der Staat kann aufgrund seiner Grundlagen nicht und hat vielleicht nicht einmal ein Interesse daran, ein Phänomen, die Mafia, zu zerstören, die ihre eigene Macht ausübt, genauso wie der Staat seine eigene ausübt.

Wenn man den Kampf gegen 41bis und den ergastolo ostativo als unveränderliches und festes Prinzip für alle voraussetzt, muss man auch bekräftigen, dass dies kein Geschenk an die Mafiosi ist, sondern ein Schlachtruf gegen alle diese Machtsysteme. Ihr solltet wissen, dass Totò Riina sagte: „Kriege gegen den Staat, um sich mit dem Staat zu versöhnen,

Wir Anarchist*innen sagen: Krieg gegen den Staat führen, um diesen zu zerstören.

Schaut der Realität ins Gesicht, liebe Regierung und lieber Donzelli, wisst, dass wir Anarchist*innen keine Mafiosi sind, und genau deshalb haben wir mehr Angst vor dem Staat.

Ihr seid nicht in der Lage, euch einen Menschen, eine Bewegung und Individuen außerhalb eurer Logik vorzustellen. Und auch ohne es zu ahnen, lügt ihr absichtlich. Ihr baut Sandburgen, indem ihr versucht, polizeiliche Verbindungen zwischen Cospito und der Mafia zu erstellen. Stimmt, für euch ist es bequem, Cospito in die Mafia einzuordnen, denn im Gegensatz zur Anarchie (Cospitos einzige Ideologie) wisst ihr, wie man mit der Mafia umgeht, mit der Mafia wisst ihr, wie man schweigt, sich verbeugt und abstoßend ist. Bei der Mafia wisst ihr, wie man die eiserne Faust einsetzt, nachdem ihr mit Küssen und staatsmafiösen Verhandlungen geschwiegen habt. Bei der Mafia wisst ihr, wie ihr das Wort Chaos mit dem Wort Sieg überdecken könnt, wenn es um die Verhaftung eines Capos geht, während die Mafia weiter macht.

Cospito ist, wie alle Anarchist*innen, einschließlich dieses Autors, außerhalb der Schemata der Macht, sei es Mafia oder Staat, denn was wir zerstören wollen, ist genau der Staat, der Kapitalismus, der Kolonialismus und die Mafia. Erinnert euch daran, dass der wirkliche Kampf gegen die Mafia besteht, wenn die hierarchischen und sozialen Herrschaftssysteme, die sie kennzeichnen, abgelehnt werden. Und der Staat kann aufgrund seiner Fundamente nicht und hat vielleicht nicht einmal ein Interesse daran, ein Phänomen, wie die Mafia, zu zerstören, die ihre eigene Macht ausübt, genauso wie der Staat seine eigene ausübt.

Wenn man den Kampf gegen 41bis und den ergastolo ostativo als unveränderliches und festes Prinzip für alle voraussetzt, muss man auch bekräftigen, dass dies kein Geschenk an die Mafiosi ist, sondern ein Schlachtruf gegen all diese Machtsysteme. Ihr solltet wissen, dass Totò Riina (bekannter italienischer Mafioso und Mitglied der sizilianischen Cosa Nostra) sagte: „Führe Krieg gegen den Staat, um dich mit dem Staat zu versöhnen.“

Wir Anarchist*innen sagen: Führe Krieg gegen den Staat, um den Staat zu zerstören.

Schaut der Realität ins Gesicht, liebe Regierung und lieber Donzelli, wisst, dass wir Anarchist*innen keine Mafiosi sind, und genau deshalb hat der Staat mehr Angst vor uns.


Gefunden auf publicación refractario, die Übersetzung ist von uns.

Dringende Worte im Angesicht einer verlöschenden Flamme. Geschrieben von Monica Caballero über den Hungerstreik von Alfredo Cospito

3. Februar 2023

Ich hatte das Vergnügen, die Worte von Gefährt*innen aus verschiedenen Gebieten zu lesen, die sich mit dem Hungerstreik von Alfredo Cospito solidarisiert haben, um aus dem Folterregime von 41bis herauszukommen. In diesen Ländern hat auch eine Gruppe subversiver, anarchistischer, antiautoritärer, antispeziesistischer und nihilistischer Gefangener unsere bedingungslose Solidarität mit dem Gefährten bekundet. Die Verbrüderung mit einem so wertvollen Gefährten wie Alfredo, und noch dazu in dem schwierigen Moment, den er gerade durchlebt, ist eine Notwendigkeit für diejenigen von uns, die sich als Verweigerer und Antagonist*innen des aktuellen, von der Autorität regierten Lebens positionieren. Solidaritätsbekundungen aus dem Gefängnis an gleichgesinnte Gefährt*innen sind nie zu viel.

Wenn ich während meiner Gefangenschaft Worte der Solidarität von einer Gefährtin oder einem Gefährten erhalten habe, habe ich sie immer als etwas sehr Wertvolles geschätzt und gehütet. Aber in diesem Moment braucht der Gefährte Alfredo Cospito das Worte in Taten umgewandelt werden, um alle anzugreifen, zu zwingen, zu unterwandern, zu manipulieren, zu drohen, etc. die die Macht haben, seine Gefängnissituation zu ändern und/oder die das 41bis-Regime unterstützen.

Alfredos Situation ist nicht mehr beunruhigend, sondern dringend. Die Sache ist ganz einfach: Wenn es uns nicht gelingt, Cospitos Forderung durchzusetzen, wird er sterben, und es bleiben nicht mehr allzu viele Tage, wenn er seinen Hungerstreik fortsetzt.

Die Entscheidung zu treffen und eine Mobilisierung wie einen Hungerstreik durchzuführen, ist mit vielen Schwierigkeiten verbunden. Dein Kampf findet in verschiedenen Szenarien statt: Auf der einen Seite hast du ein ganzes repressives und juristisches System mit verschiedenen Instrumenten, die versuchen, dich davon abzuhalten, den Streik zu beenden, auf der anderen Seite ist da dein eigener Überlebensinstinkt, dein eigener Körper!

Der Körper im Hungerstreik wird sich manifestieren, damit du ihn füttern kannst.

Nach dem, was ich erlebt und bei anderen gesehen habe, sind die ersten körperlichen Anzeichen eines Hungerstreiks Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit, Reizbarkeit, Schlaflosigkeit und ein schrecklicher Appetit, der dich an nichts anderes denken lässt. In meinem Fall habe ich nach 15 bis 20 Tagen Fasten aufgehört, Hunger zu verspüren; ich habe von Gefährt*innen gehört, die ihren Hunger etwa am 90sten Tag verloren haben. Ab der zweiten oder dritten Fastenwoche wird der Streikende von lästigen Krämpfen begleitet, die sich im ganzen Körper ausbreiten und Schmerzen verursachen, dazu kommt die Müdigkeit, die jede tägliche Aktivität, wie zum Beispiel das Baden, zu einem Kraftakt macht. Und dann ist da noch die Kälte. Egal, wie sehr sich der Streikende warm einpackt, er oder sie fühlt sich immer mehr oder weniger kalt.

Auch wenn es bei einem Hungerstreik anekdotisch erscheinen mag, ist der Hunger nicht das lästigste und akuteste Gefühl. Nach meiner Erfahrung und nach dem, was ich erfahren habe, ist es der Schmerz der Krämpfe und der Kälte, der im Vordergrund steht.

Es ist wichtig zu erwähnen, dass es relevante Faktoren gibt, um den Ablauf eines Hungerstreiks zu verstehen, wie z.B., dass jeder Körper auf eine bestimmte Art und Weise funktioniert und die Art und Weise, wie der Hungerstreik durchgeführt wird, ebenfalls unterschiedlich ist, z.B. ob Zucker oder Trinksalze konsumiert werden und auch die Haftbedingungen, unter denen der Hungerstreik durchgeführt wird. In jedem Gefängnis (zumindest im Westen) gibt es Hungerstreikprotokolle, die oft nicht eingehalten werden.

Unabhängig davon, in welcher Form und unter welchen Bedingungen ein Hungerstreik durchgeführt oder erlebt wird, handelt es sich um eine Selbstaufopferung, die nicht ewig andauern kann, denn der Körper hat nur begrenzte Reserven und in Alfredos Fall sind diese bald erschöpft.

Die Flamme, die Alfredo ist, wird Tag für Tag ausgelöscht. Er wird nicht aufgeben, er wird es nicht bereuen. ……

Möge aus den Worten eine Tat werden!

Aktive Solidarität mit allen anarchistischen Gefangenen!!! ¡¡¡¡

Für das Ende des 41bis

Tod dem Staat und lang lebe die Anarchie!

Mónica Caballero Sepúlveda

Anarchistische Gefangene.


Gefunden auf publicación refractario, die Übersetzung ist von uns.

INTERNATIONALER AUFRUF ZUR MOBILISIERUNG VOR DEN ITALIENISCHEN BOTSCHAFTEN IN SOLIDARITÄT MIT ALFREDO COSPITO UND DEM ENDE DES 41BIS-REGIMES

3. Februar 2023

Mehr als 100 Tage nach Beginn des Hungerstreiks von Alfredo Cospito rufen wir alle affinen Individuen, Gruppen, Organisationen und Kollektive auf, zu einer Mobilisierung vor den italienischen Botschaften in ihren Ländern aufzurufen, um Druck auf den italienischen Staat und Alfredos Henker auszuüben.

Der Gefährte stirbt, weil der Staat will, dass er stirbt. Dies ist nicht nur ein „humanitäres“ Problem, der Kampf des Gefährten ist ein Aufruf zu internationalen revolutionären Aktionen. Gleichgültigkeit und Passivität werden niemals unsere Verbündeten sein; Solidarität schon.

Wie es in einem Brief mit einer Kugel an die italienische Zeitung „Il Terreno“ gut ausgedrückt wurde: „Wenn Alfredo Cospito stirbt, sind alle Richter ein Ziel“. Lassen wir den italienischen Staat wissen, dass wir sein schlimmster Feind sein werden, wenn Alfredo stirbt.

Die Gefährt*innen aus Chile und Kolumbien werden diesen Freitag, den 3. Februar, vor ihren Botschaften präsent sein. Wir hoffen, dass sich diese Initiative weiter verbreiten wird.

AUFRUF, ORGANISIEREN UND HANDELN!
FÜR DIE ZERSTÖRUNG ALLER GEFÄNGNISSE!
FÜR DAS ENDE DES 4BIS REGIMES!
ES LEBE DIE SCHWARZE INTERNATIONALE!


Gefunden auf publicación refractario, die Übersetzung ist von uns.

Italien. Aktuelles zur gesundheitlichen Situation von Alfredo aus dem Opera-Knast (01.02.23)

3. Februar 2023

Da der von der Verteidigung in Mailand benannte Arzt noch nicht die Erlaubnis hat, Opera zu betreten, haben wir nur die Eindrücke des Mailänder Anwalts, der Alfredo auf Bitten von Alfredos Anwalt, Flavio Rossi Albertini, im Opera-Knast besucht hat und die letzten Worte von Angelica Milia, der Ärztin, die ihn in Bancali besuchte, aus einem Telefoninterview mit Luigi Manconi, das in La Stampa veröffentlicht wurde (die Arbeit des DAP ist nach hinten losgegangen1: Vor Onda d’Urto war das einzige Radio, das Angelica jeden Donnerstag interviewte. Jetzt gibt es mehrere Medien, einschließlich des Mainstreams)

Worte von Angelica Milia „(…) Ich glaube, dass er nur noch wenige Tage zu leben hat, aber ich sage nicht, dass sein Tod unmittelbar bevorsteht (…) Man kann auf den ersten Blick erkennen, wie sehr sein Gesundheitszustand beeinträchtigt ist; es ist das allgemeine körperliche Erscheinungsbild, das vor jedem chemischen oder Labortest betrachtet werden sollte: ein Mensch, der abgemagert, erschöpft, blass, mit unsicherer Haltung ist, der gezwungen ist, einen Rollstuhl zu benutzen (…).

Der Sturz in der Dusche „ist die unvermeidliche Folge eines allgemeinen Bildes von dramatischer Schwäche (…) Jeder Organismus reagiert anders, daher wäre jede Vorhersage hypothetisch. Was ich befürchte, ist ein Ungleichgewicht der Ionen im Plasma, im Verhältnis zu Kalium, Natrium, Chlor und anderen, das zu schweren Herzrhythmusstörungen führen kann, die lebensbedrohlich sein können. Eine weitere ernsthafte Gefahr sind Infektionen, äußerlich oder innerlich, aufgrund des verminderten Gamma-Globulins und der weißen Blutkörperchen. Auch weil seine Haut so dünn ist, dass sie weniger Schutz gegen mögliche Infektionen bietet: entweder durch Kontakt oder durch körperlichen Verfall, wie z.B. eine Atrophie der Magenschleimhaut oder eine orale Mykose, die ich bereits behandeln musste.

Der Besuch des Anwalts dauerte lange, was Flavio für ein gutes Zeichen hält. „Er hält sich unglaublich gut, sowohl körperlich als auch geistig, was Kraft und Überzeugung angeht.“

Gestern, am 31. Januar, hieß es in der Presse des Regimes, er führe Gespräche mit der Mafia: „a comminciato a fare intelligenza“… Welcher engstirnige und verdrehte Geist kann auch nur vermuten, dass eine Person wie Alfredo kriminelle Beziehungen zur Mafia haben könnte!

Vor seiner Verlegung beschwerte sich Alfredo bei den Ärzten des Bancali: „Warum verlegen sie nur mich, wenn es hier in 41bis Gefangene mit viel schlechterem Gesundheitszustand gibt, die in diesem Gefängnis nicht geheilt werden können? Ich möchte nicht privilegiert behandelt werden, nur weil ich das Schweigen der Medien, das diese Fälle immer umgibt, durchbrochen habe.“

In Bancali gibt es keine Fachärzte (auch keine Geriater, in einem Gefängnis, in dem die meisten Häftlinge älter sind und seit 20 bis 30 Jahren in 41bis sind), so dass angesischts jedes gesundheitlicher Problem eines Häftlings, dieser verlegt werden muss. Um in ein Krankenhaus verlegt zu werden, muss er/sie außerdem die Genehmigung des Strafvollzugsaufsichtsrichters einholen. Wenn du also schnell handeln willst, muss das Gefängnis als eine unmittelbare Lebensgefahr erklärt werden.

Flavio ist der Meinung, dass er mit dieser Verlegung, die er bereits einige Tage zuvor beantragt hatte und die abgelehnt wurde, weil er der Meinung war, dass er sich „in optimaler Verfassung“ befand, das schlechte Image vermeiden wollte, das ein möglicher Tod in Bancali nach der Verweigerung der Verlegung geben würde, insbesondere angesichts der Medienaufmerksamkeit, die er in der letzten Zeit erhielt.

Gespräch mit dem Anwalt aus ondarossa.info
von lucharcontrael41bis.noblogs.org

1A.d.Ü., die DAP Dipartimento dell’amministrazione penitenziaria ist die Behörde der Knastverwaltung in Italien.