[Anm. d. Hrsg.: Dieser Text wurde uns nach einem anarchistischen Treffen zugespielt, bei dem es aufgrund eines Speiseangebots mit Nicht-Veganen Alternativen zu kontroversen Diskussionen um Ernährung und deren politische Korrektheit gekommen war.]
Warum die industrielle Lebensweise niemals ohne den Massenmord an Tieren funktionieren wird
oder
Ein Ausflug in die Welt des Ökofaschismus
Vielleicht gibt es gar nicht mehr besonders viel zum sogenannten Veganismus zu sagen, seit er dank der neuesten und möglicherweise letzten, “grünen” Phase des industriellen Todesmarschs zur staatlich und kapitalistisch verordneten Leitideologie geworden ist. Doch wie das mit subkulturellen und langjährig identitätsstiftenden Ideologemen innerhalb (vermeintlich) radikaler Szenen so ist, ist es nicht ganz so leicht, sich dieser wieder zu entledigen, wenn sie von der Herrschaft schließlich als zur Rekuperation tauglich angenommen werden. Haben sich erst einmal erfolgreich Identitäten rund um eine bestimmte Vorstellung kreiert, also in diesem Fall die des Veganers, müssen diese Vorstellungen mitsamt all ihrer fauligen Wurzeln herausgerissen werden und das ist ein nicht nur anstrengendes, sondern zuweilen auch schmerzhaftes Unterfangen.
Aber der Ökofaschismus ist in Deutschland bereits an der Macht und es gibt keine Zeit zu verlieren. Die Zeiten in denen man über die Politiker*innen einer Partei, die einst für die Abschaltung von Atomkraftwerken stand, sich heute jedoch für Atomenergie und dafür gegen Fleisch auf dem Speiseplan der armen Bevölkerung stark macht, nur herzlich lachen konnte, sind gewissermaßen vorbei. Nicht weil diese ihre Clownsmaske abgelegt hätten, sondern vielmehr weil ihre hässliche Fratze des Ökofaschismus den Ausgebeuteten heute von den Chefsesseln der Industrie und Regierung ins Gesicht grinst und alles darauf hindeutet, dass uns eben diese Fraktion der Herrschaft in den kommenden Jahren verstärkt gegenüberstehen wird. Aber es soll hier nicht der sehr gut vorhersehbare Werdegang jener Pseudo-Nonkonformisten verstanden werden, die einst mit Strickpullovern und Gummistiefeln in die Parlamente strömten, nur um heute Atomenergie, Windräder, Gasterminals, militärisches Gerät und eine Teuerung von Lebensmitteln zu verantworten und die hiesige Gesellschaft in einen Zustand einer beinahe Generalmobilmachung zu versetzen. Denn während bornierte Politiker*innenarschlöcher den Speiseplan in den Kantinen “ihrer” Lohnsklaven säubern, während diese selbstgefälligen Bonzen ihrer Verachtung für die ausgebeuteten Massen Luft machen, indem sie erklären, dass Lebensmittel ihrer Meinung nach zu billig sind und der dumme Michel durch Teuerungen von Fleischprodukten dazu gebracht werden soll, sich endlich verantwortungsbewusst zu ernähren, während all jene, die begeistert im Gleichschritt der Werbetrommeln dieser mittlerweile krawattetragenden Demagogen tanzen, sich wahlweise darin gefallen, ihren Müll zu trennen, im Biosupermarkt einzukaufen oder ein E-Auto zu fahren und eine Photovoltaikanlage auf dem Dach ihres Eigenheims oder gar ihrer Immobilienanlagen zu installieren, sind wir mit drängenderen Problemen konfrontiert. Denn wenn einem wohlgenährte, bio-gefütterte und aus historischen Gründen vielleicht nicht einmal allzu sehr atomar verstrahlte Bonzen das Fleischessen verbieten wollen, dann drängt sich eine simple Lösung dieses Problems förmlich auf: Eine bestimtme Form des sozialen Kanibalismus, nur eben spiegelverkehrt. Und die Chancen stehen gut, dass eine solche Lebensweise sogar gesünder sein könnte, als der Verzehr von Fleisch aus herkömmlicher industrieller Produktion, auch wenn die Auswirkungen gewisser medizinischer Vergiftungen, die sich solche Leute zumuten sicherlich ebenso in Betracht gezogen werden sollten, wie auch die schlechte Bekömmlichkeit und der störende Geschmack des diesem Nutztier eigenen Snobismus. Aber diese Lösung lässt sich schwerlich auf jene ausdehnen, die zwar vielleicht ein paar Ideologeme mit diesen Leuten teilen, jedoch weitestgehend davor zurückschrecken, diese in einen ausgewachsenen Ökofaschismus zu verwandeln. Man soll mir ja schließlich nicht nachsagen, ich würde es mir leicht machen.
Also widmen wir uns doch jenen, die heute noch die metaphorischen Strickpullover und Gummistiefel tragen, wenn sie die Manege des Streits um die politische Ordnung der neuen/befreiten Welt betreten und diese nicht längst gegen braune Hemden und grüne Armbinden eingetauscht haben. Was haben sie uns zu sagen?
Du sollst kein Fleisch und andere tierische Produkte essen.
Dies ist das zentrale Dogma des Veganismus, eine gewisse Variation von Gebot Nr. 5: Du sollst nicht töten. Wobei hier natürlich gleich der Einfluss der industriellen Gesellschaft deutlich wird. Während die archaische jüdische Gesellschaft bei aller Kritik an ihrer patriarchalen Verfasstheit und ihren vielen anderen autoritären Elementen das Individuum offensichtlich noch als jenseits von Konsumentscheidungen handelnd begriffen hat, liegt dem Veganer-Dogma die eigentlich absurde Vorstellung zugrunde, dass der Verzehr oder, präziser gesagt, der Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten irgendwie mit dem Akt des Tötens oder der Versklavung von Tieren identisch wäre. Und noch absurder, dass nämlich umgekehrt, der Verzicht auf den Verzehr, bzw. Konsum von Fleisch bedeuten würde, dass Tiere nicht getötet oder versklavt werden würden. Kein Wunder, dass der Veganismus also vor allem unter jenen grassiert, die als Städter sowieso wenig bis gar keinen Bezug zu dem haben, was sie auf ihren Tellern wiederfinden, die um die Ironie perfekt zu machen, sich selbst in der relativen Eintönigkeit des Supermarkt-Gemüseregals ihres Smartphones bedienen müssen, um eine Artischocke von einer Bohne unterscheiden zu können. Man möge ihnen gemäß ihrer selbst gewählten biblischen Dogmensetzung also vergeben, denn sie wissen nicht, was sie tun? Nein, ich bin ja keine Paternalist*in.
Jaja, eigentlich finde ich es konsequent, dass diejenigen, die noch nie der Tötung eines Tieres beigewohnt haben, die noch nie einen Vogel gerupft haben, die nie erlebt haben, wie ein Fisch nach Betäubung durch einen Schlag auf den Kopf ein letztes Mal zuckt, wie ein Huhn steif wird, bevor man ihm mit einem Beil den Kopf abschlägt und sein Körper, während man ihn zum Ausbluten über einen Eimer hält, sich ein letztes Mal aufbäumt, wie man nach dem Schnitt durch den Hals einer Kuh binnen Sekunden beinahe Knöcheltief in Blut versinkt, wenn man es nicht mit dem Wasserschlauch wegspritzt, auch kein Fleisch essen. Genausogut finde ich es nachvollziehbar, dass jene, die einer solchen Schlachtung – und hier ist, wie der kundigen Leserin sicherlich aufgefallen sein wird, die Rede von Hausschlachtungen, nicht von industriellen Schlachtfabriken – einmal beigewohnt haben, fürs erste einmal kein Fleisch mehr essen wollen. Sowieso ist mir ja egal, was jemand isst, ich bin ja kein Ökofaschist. Ich denke außerdem, dass die Schlachtung genannte institutionalisierte Tötung von gefangen gehaltenen Tieren, nichts ist, das es zu romantisieren oder zu beschönigen gilt, sondern notwendigerweise immer auch die Widerwärtigkeit widerspiegelt, die auch der kleinbäuerlichen und heute, in Zeiten begrifflicher Verblödung als “artgerecht” verklärten Landwirtschaft und insbesondere Tierhaltung inne wohnt. Und doch wäre es absurd, nur weil sich der technologisch dressierte Mensch ein paar wenige Gefühlsregungen hinsichtlich der Abartigkeit der industriellen Todesmaschinerie, die seine Spezies stolz als “Errungenschaft” betrachtet, bewahrt hat, die angesichts des Anblicks einer Schlachtung als bloße Sentimentalitäten zutage treten, den nicht weniger abartigen Teil dessen, wovon die Tierhaltung eben bloß ein Element ist, zu vergessen. Der technologisch dressierte Mensch, er schreit auf, wenn er Blut sieht, je mehr, desto schlimmer, aber er ist gänzlich unempfänglich für die unsägliche Vernichtung von Leben, die im wahrsten Sinne des Wortes unblutig vonstatten geht oder deren Blutigkeit am anderen Ende der Welt, vor seinen Blicken verborgen, stattfindet.
Und aus dieser bestenfalls als halbgar oder auch medium raw zu bezeichnenden Analyse, die jene vor sich hertragen, die sich Veganer*innen nennen, resultiert zugleich eben auch die faktische Unterstützung der weniger offen – z.B. weil weniger blutig – zutagetretenden Vernichtung von Leben als “geringeres Übel”. Ich will hier der Kürze wegen und weil ich denke, dass mein Punkt dabei schon verstanden werden wird, grob schematisieren:
- Landwirtschaft zur ausschließlichen Erzeugung von pflanzlichen Produkten wird gängigerweise als die Alternative einer Landwirtschaft mit Viehhaltung betrachtet. Dabei wird sich die kundige Leserin freilich unmittelbar fragen, wie das so universell funktionieren soll. Zumindest ohne dabei auf synthetisch hergestellte – und seit wann wären synthetische Produkte unabhängig von der Versklavung von Tieren, sei es zu experimentellen Zwecken oder weil der Herstellungsprozess auf tierisches Gewebe oder andere tierische Erzeugnisse angewiesen ist oder weil die zur Herstellung benötigte Maschinerie ohne die Versklavung von Tieren nicht denkbar wäre – Düngemittel zurückzugreifen, wie sie von der Agroindustrie für die industrielle Landwirtschaft vermarktet werden. Aber selbst wenn man diese Frage einmal beiseitelässt, ignoriert, dass von Demeter-Landwirtschaft bis hin zu selbst den meisten praktizierten Formen von Permakultur, immer auch die Gefangenschaft und Versklavung von Tieren integraler Bestandteil von eigentlich jeder Form nicht-industrieller Landwirtschaft ist, bleibt vor allem ein Makel: Landwirtschaft erfordert immer auch die Bekämpfung von tierischen “Schädlingen”, sprich von Tieren, die das was dort angebaut wird, auch gerne essen und die verhältnismäßige Futterdichte auf Feldern gerne für sich nutzen, sich dabei auch vermehren und schließlich regelrecht zur Plage für die Landwirte werden. Diese Bekämpfung findet heute unter anderem in Form von Insektiziden (die entweder bestimmte oder gar wahllos alle Insekten töten, die mit einer entsprechend behandelten Pflanze in Berührung kommen), dem Abschuss oder auch “der Entnahme” von Wild, das sich einen Bissen von den angebauten Leckereien gönnt, sowie der präventiven Regulierung des Wildbestands durch Jäger, Anwendung. Durch den Anbau von pflanzlichen Nahrungsmitteln werden also sowohl Millionen von Insekten getötet, als auch abertausende Tiere geschossen oder mithilfe von Fallen gejagt und getötet oder vergiftet und bis heute wurden zahlreiche Tierarten wegen ihrer “Schädlichkeit” für die Landwirtschaft ausgerottet oder an den Rand der Ausrottung gebracht bzw. lokal vollständig vernichtet, darunter nicht nur der Wolf und der Bär, die sogenannte “Nutztiere” reißen, sondern auch Fasane und Rebhühner, zahlreiche andere Vögel, regional Wildschweine, Feldhasen, Gämse, und viele mehr, allesamt Fresser von pflanzlichen Agrarprodukten. Auch lange ausgestorbene Arten wie wilde Rinderarten, z.B. Auerochsen, oder das so gut wie ausgestorbene Wiesent zählen zu den Opfern von Landwirtschaft. Neben dem gezielten Abschuss von Wildtieren, die landwirtschaftliche Erzeugnisse fressen trägt auch die Umwandlung von unbewirtschafteten oder weniger intensiv bewirtschafteten Flächen in Agrarland enorm dazu bei, dass ganze Tierarten aussterben, weil ihr Lebensraum vernichtet wird oder auf eine zu geringe Fläche zusammenschrumpft.
- Technologische Innovationen auf dem Gebiet der Landwirtschaft, aber auch allgemein in der Lebensmittelindustrie sollen Tierhaltung angeblich unnötig machen. Das lässt natürlich – wie könnte es anders sein – außen vor, dass gerade auf dem Gebiet der Lebensmittelindustrie Tiere auch als Versuchsobjekte genutzt werden, um die Verträglichkeit eines Produkts oder eventuelle Langzeitfolgen von dessen Verzehr zu “testen”. Diese technologischen Innovationen sind also alles andere als unabhängig von der Versklavung und auch Ermordung von Tieren. Zudem werden durch technologische Innovationen auf dem Gebiet der Landwirtschaft nicht nur immer größere Teile der unbewirtschafteten Lebensräume von Tieren vernichtet, sei es durch deren Bewirtschaftung oder deren Vergiftung mittels Pestiziden, Düngemitteln, Verklappung von Industriemüll, usw., sondern allzu oft bestehen diese technologischen Innovationen auch darin, neue Methoden zur Vernichtung von Tieren, die als Schädlinge betrachtet werden, zu schaffen. Eine teilweise zur “leidfreien” Produktion von Fleisch auch von sogenannten Veganer*innen beworbene Methode besteht darin, dass das tierische Leben soweit weiter verstümmelt werden soll, dass das Steak in Zukunft gleich formgerecht in der Petrischale heranreifen soll, anstatt dass dafür erst ein Tier aufgezogen werden müsste. Wie man glauben kann, dass die biotechnologische Verstümmelung des Lebens weniger leidvoll sein soll, als selbst die niederträchtigste Versklavung eines gefangenen Tieres, müsste dabei eine*r der Fürsprecher*innen einer solchen Methode selbst beantworten; ich jedenfalls kann mir das nur mit der offensichtlich totalen Verblödung solcher Leute erklären.
- Immer wieder und ständig wechselnd werden bestimmte Nahrungsmittel als Superfood entdeckt, die alle nicht leugnenbaren Probleme einer veganen Ernährung innerhalb der industriellen Nahrungsproduktion (Mängel, für die bspw. Vitamintabletten geschluckt werden müssen) – und natürlich heißt das nicht, dass eine nicht-vegane industrielle Ernährungsgrundlage nicht ebenfalls ihre Probleme hätte – angeblich aus der Welt schaffen würden oder die auch nur dem unerklärlicherweise vorhandenen1 Bedürfnis von vielen Veganer*innen nach Fleischersatzprodukten abhilfe verschaffen. Dadurch kommt es nicht selten zu regelrechten Umwälzungen der Landwirtschaft, aber selbstverständlich weniger in der westlichen Welt, sondern vor allem in den Kolonien des westlichen Ernährungssystems. Die dort errichteten Plantagen zum Anbau von sowohl exotischen Nahrungsmitteln, als auch von pflanzlichen Rohstoffen, die der industriellen Weiterverarbeitung zu Fleischersatzprodukten und ähnlichem dienen, werfen nicht nur schwerwiegende Umweltprobleme in diesen Regionen auf, darunter Zerstörung von Wäldern, Wassermangel, Umweltvergiftungen, usw., sondern auch soziale Probleme, die in Hunger, Kriegen, Völkerwanderungen und immer wieder auch in Genoziden enden. Sicher sind die spezifisch für Veganer*innen angebaute Nahrungsmittel nur einer von vielen Ursachen dafür, klar ist jedoch, dass auch derlei Folgen des um sich greifenden Veganismus nicht einfach unter den Teppich gekehrt werden können und die allgemein vorherrschende Ignoranz von Veganer*innen diesem Leid von Menschen gegenüber als völlig widersprüchlich zu deren seltsam humanistisch anmutenden Interesse am Leid von Tieren betrachtet werden muss.
Mal angenommen die Versklavung von Tieren würde tatsächlich abhängig sein, von einer Konsumentscheidung, wie es die Veganer*innen letztlich theoretisieren – was ich angesichts der zahlreichen alternativen Verwertungsmöglichkeiten von Tieren und angesichts dessen, dass sich Tierbestände in der Viehhaltung schon heute nicht nach der Nachfrage danach richten, erheblich bezweifeln würde, aber darum soll es hier nicht gehen –, so wäre die moralistische Haltung eine vegane Lebensweise würde weniger Tierleid erzeugen – und sei daher ein allgemein anzustrebendes Ideal – alleine aus oben genannten Gründen vollkommen verlogen und heuchlerisch. Denn die Millionen und Milliarden Tiere, die infolge der Landwirtschaft pflanzlicher Nahrungsmittel getötet und verstümmelt, ausgerottet, vertrieben, an den Rand ihrer Fortexistenz und in ihrem Bestand kontrolliert werden, werden bei einer solchen Behauptung schlicht unterschlagen. Das ist insofern kaum verwunderlich, als dass sich schon bei einer Betrachtung dessen, wer sich dazu entscheidet Veganer*in zu werden, offenbart, um was für eine Art von Ideologie es sich hier handelt. Neben einer guten Hand voll politischer Wirrköpfe für die immerhin zutrifft, dass sie sich zu einem nicht geringen Anteil an den Akademien selbst herumtreiben oder aber im Dunstkreis derjenigen, die dies vornehmlich tun, handelt es sich bei der Mehrzahl der Veganer*innen um Angehörige wohlhabender Bevölkerungsschichten. Es ist im Grunde das gleiche Klientel, das seit einiger Zeit damit auffällt, dass es nicht nur Bio-Lebensmittel mit Vorliebe kauft, sondern auch andere Leute, denen das Geld fehlt, dieser Vorliebe nachzugehen, dafür beschämt. Jenes Klientel, das angesichts der dramatischen ökologischen und sozialen Auswirkungen eines Systems zu deren Kollaborateur*innen sie sich zählen müssen, Zuflucht bei “ökologischen”, “fairen”, “plastikfreien”, “biologischen”, “nachhaltigen” Konsumentscheidungen sucht. Kein Wunder. Denn das System jenseits solch (bestenfalls) reformistischen Quarks zu hinterfragen würde auch bedeuten, der behaglichen Sphäre des konformistischen (Bildungs-)bürgertums zu entsagen und nach wahrhaft konfrontativen Wegen zu suchen, die Herrschaft anzugreifen.
Die einzige Möglichkeit Veganismus vor diesem Hintergrund einer Ideologie des immer weiter um sich greifenden Ökofaschismus zu entziehen, bestünde meines Erachtens darin, ihn gegen das industrielle System selbst, zumindest aber gegen dessen kommerzielle Sphäre zu richten. Das kann niemals durch eine Kaufentscheidung gegen dieses, jedoch für jenes Produkt funktionieren, sondern nur durch den totalen Boykott des industriellen Systems selbst. Eine Möglichkeit dies zu erreichen wären beispielsweise Plünderungen von Lebensmitteln und deren (Ver-)teilung. Bio-Ernährung für alle, sozusagen. Kostenlos. Allerdings wäre dabei irrelevant, ob es sich bei den geplünderten Lebensmitteln um vegane oder nicht-vegane Lebensmittel handelt. Eine andere und gleichzeitige Möglichkeit wäre der aufrichtige Auszug aus diesem industriellen System, der nicht darin bestehen kann, aufgrund des Eigentums an Land irgendeine Nische innerhalb dieses Systems für sich zu finden, sondern ausschließlich in der auch gegen Eigentum gerichteten individuellen und kollektiven Aneignung des Territoriums bestehen könnte, also in der Besetzung von Land, auf dem dann ein nicht-landwirtschaftlicher, nicht-kommerzieller Anbau oder auch eine andere Lebensweise verfolgt werden kann, während dieses Territorium dem industriellen System dauerhaft entzogen bleibt, d.h. gegen die staatliche Rückeroberung verteidigt. Sicherlich sind auch andere Möglichkeiten denkbar … Veganer*innen jedoch, die keine derartigen radikalen (Auf-)Brüche vorzuschlagen haben, sondern allen Widersprüchen zum Trotz daran festhalten, die individuellen Handlungsmöglichkeiten auf Konsumentscheidungen einzuengen und als einzige Perspektive folglich die soziale (und oft auch repressive) Erzwingung der veganen Ernährung der Bevölkerung haben, sind ebenso reformistisch wie jene Politiker*innen, die uns mit ihrem Ökofaschismus in den kommenden Jahren noch den letzten Rest an Appetit vermiesen werden – und der Massenmord an Tieren, Menschen und Lebewesen im Allgemeinen wird obendrein unverändert weitergehen.
Begriffserklärungen
Es ergibt sich zwar aus der (insbesondere) wiederholten Verwendung im Text, aber um Missverständnisse zu vermeiden, seien hier drei Begriffe noch einmal präzisiert:
Veganismus
Eine zur “Lebensweise” erhobene Ernährungsweise innerhalb des Industriellen Systems und folglich eine Ideologie, die darauf basiert, auf tierische Produkte (im Bereich Nahrungsmittel und oft auch in ein paar wenigen anderen Bereichen wie Kosmetik, Haushalt, Bekleidung) dogmatisch zu verzichten. Die Definitionen des Umfangs dieses Verzichts variieren zum Teil stark, können aber bei genauerer Betrachtung eigentlich niemals Geltung für sich beanspruchen.
Veganer*in
Eine*r, die kein Fleisch und keine anderen Produkte, die unmittelbar aus Tierhaltung resultieren (eigentlich niemals ohne Ausnahmen, dafür oft gepaart mit der offensichtlich verlogenen Behauptung auch auf mittelbare Produkte aus Tierhaltung zu verzichten) verzehrt und daraus eine gewisse Obsession macht, die weit über ein informatorisch relevantes (z.B. weil jemand so freundlich ist, für diese Person mitzukochen und dabei Rücksicht auf deren Essgewohnheiten zu nehmen), sowie kommunikativ übliches Maß hinaus Bestandteil von Gesprächen dieser Person wird. Wesentlicher Beweggrund für den Produkt-Verzicht von Veganer*innen ist die moralische und leider auch irrtümliche Vorstellung, dass die eigenen Kauf-, bzw. Nicht-Kauf-Entscheidungen eine relevante Auswirkung darauf hätten, ob Tiere innerhalb des industriellen Systems versklavt werden oder nicht. Veganer*innen sind in der Regel missionarisch, d.h. sie versuchen direkt und indirekt andere davon zu überzeugen, sich der Ideologie des Veganismus (siehe oben) anzuschließen.
Ökofaschismus
Die politische Überzeugung, dass ganz bestimmte, industrielle und vor allem nur vermeintliche Lösungen für vom industriellen System verursachte ökologische Probleme, anderen mit autoritären Mitteln gegen ihren Willen aufgezwungen werden müssen, wenn diese nicht freiwillig aus eigenem Antrieb auf die gleichen “Lösungen” setzen. Eine wichtige Ökofaschistische Partei im deutschen Bundestag sind die Grünen. Beispiele für ökofaschistische Projekte sind die diversen CO2-Einsparungsverordnungen, die Mülltrennung in Deutschland, sowie der staatlich subventionierte und geförderte Veganismus.
Anmerkungen
1 Ganz so unerklärlich ist dieses Bedürfnis natürlich nicht. Es wird nicht nur aktiv von einer sich diversivizierenden Fleischindustrie geweckt, sondern dürfte mitunter auch aus Mängeln, die sich eben möglicherweise als Lust auf Fleisch einen Weg ins Unterbewusstsein bahnen, sowie kulturellen Essgewohnheiten und -gebräuchen resultieren.