Beiß die Hand, die dich füttert, es ist die selbe, die dir die Kehle zudrückt!

Ein Aufruf zur Rebellion gegen die Teuerung des Lebens, die Zerstörung der Umwelt und das technoindustrielle System, das uns in Geiselhaft nimmt.

Seit Monaten haben uns Politik und Medien darauf eingestimmt, haben versucht uns zu verängstigen, haben kaum eine erdenkliche Maßnahme zur Bevormundung von uns, die wir von ihnen regiert werden, gescheut – wir sollen von nun an kalt duschen, in unseren beengten Wohnungen frieren oder uns mit dem Waschlappen waschen, wenn es nach dem Willen der Damen und Herren Politiker geht –, nun ist es soweit. Es fließt kein russisches Gas mehr durch die Pipeline Nord Stream 1, vermelden die Medien. Putin habe Deutschland das Gas abgedreht. Die konkreten Konsequenzen sind bislang kaum abzusehen, aber das seit Wochen und Monaten in den Medien diskutierte Szenario von Energiepreisexplosionen und daraus resultierender, allgemeiner Verelendung und Winter-, ebenso wie sozialer Kälte erscheint nicht gänzlich an den Haaren herbeigezogen. Das Klima in Deutschland wird rauer, politisch ebenso wie sozial.

Während sich die Regierung beeilt, ein sogenanntes “Entlastungspaket” zu schnüren, mit dem weniger diejenigen, denen angesichts der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen buchstäblich der Boden unter den Füßen weggerissen wird, entlastet, als vielmehr befriedet, das heißt eine Weile besänftigt werden sollen, so lange, bis der Politik die Lage oportun erscheint, sie fallen zu lassen, bläst die politische Opposition zum Protest. Und da die herrschende Politik in Deutschland eher dem linken politischen Flügel verbunden ist, sind es besonders die rechtspopulistischen Demagogen, die sich erhoffen, die Unterstützung der Massen zu erlangen. Aber was haben sie anzubieten? Die hohlen Phrasen, dass es die “Ausländer” seien, die dem deutschen Michel auf der Tasche liegen würden und deren Verpflegung oder gar Hofierung – nun, wer diesen Quatsch ernsthaft glauben will, der möge sich mal in eines der zahlreichen Flüchtlingslager begeben und sich ein eigenes Bild der Lage machen, um wieder auf dem Boden der Realität anzukommen – dazu führen würde, dass der brave deutsche Steuerzahler1 ärmer und ärmer wird, wer hat sie eigentlich noch nicht als unhaltbare und lächerliche Lügen durchschaut? Auch dass jene schuld wären, die nicht arbeiten gehen, die vielleicht, ja hoffentlich (!) sogar hier und dort einmal unsere Sklaventreiber um einen Teil ihrer Gewinne aus unserer Arbeit bringen, indem sie sich einfach nehmen, was sie brauchen, ohne zu bezahlen, ist im Grunde eine alte Leier. Sicher, in unserer Sklavenmoral als gehorsame, brave, genügsame und vor allem fleißige Arbeiter*innen, mögen jene, die sich auf die faule Haut legen, ebenso wie jene, die sich mit dem einen oder anderen kleinen Diebstahl von der Tafel unserer Ausbeuter*innen, ja ganz gewiss jene, die sich gelegentlich einmal (versehentlich oder aus Ignoranz) an unserem eigenen mickrigen Lohn für unser Sklavendasein vergehen, mit Verachtung betrachtet. Aber ist das nicht geheuchelt? Wer von uns zieht seine Arbeit wirklich dem Müßiggang vor, wenn er*sie die Wahl dazu hat? Und wen hat es nicht schon einmal in den Fingern gejuckt, sich wenigstens dieses eine Mal die gerechte Portion vom Kuchen einfach zu nehmen, anstatt noch um die letzten Krümel zu betteln? Und wer das nicht von sich sagen kann, der ist vermutlich Teil des Problems. Aber außer jenen allzu billigen Feindbildern, die uns höchstens davon ablenken werden, etwas wirksames gegen die miserablen Verhältnisse unseres Daseins zu unternehmen, was haben uns die Demagogen von Rechts sonst anzubieten? Nichts. Sie sind der gleiche Schlag an Politikern, die uns bevormunden, enteignen und ausbeuten wollen und werden, wie jene, die sich heute auf den Regierungssitzen ihre Ärsche wund sitzen.

Aber was wäre die Lösung? Diese Frage erfordert eine weitere Betrachtung des Problems, eine die weit über die unmittelbaren Belange einer Energieknappheit hinaus geht. Aber wenn wir nicht nur den nächsten Winter überleben wollen und uns dabei zudem weiter von der Gunst irgendwelcher Politiker und Ausbeuter abhängig machen, sondern wenn wir danach streben wollen uns ein für alle Mal von den Fesseln zu befreien, die uns zu einem würdelosen Dasein als Sklaven, die sich gemäß den Interessen der Herrschenden herumschubsen lassen müssen, verdammen, dann müssen wir uns die Zeit nehmen, das Ausmaß unserer Enteignung und Unterwerfung zu begreifen.

Wir haben uns hier in den letzten Jahrzehnten vor allem darin geübt, wegzusehen. Weil man uns Glauben gemacht hat, wir würden zu den Gewinnern des technoindustriellen Systems gehören. Weil wir einer der vielen Lügen aufgesessen sind, die uns eingeredet haben, wir wären etwas Besseres und es wären nicht unseresgleichen, die da in den entlegenen Peripherien der Welt gemetzelt und buchstäblich ausgehungert werden. Weil uns das Hinsehen depressiv gemacht hat und wir gedacht haben, wir könnten ohnehin nichts daran ändern. Vielleicht auch nur, weil wir vollauf damit beschäftigt waren, unsere Kredite abzubezahlen, mit denen wir uns den Einheitstraum eines Eigenheims erfüllt haben. Die Gründe mögen vielfältig sein und natürlich gilt das Gesagte nicht für alle. Natürlich hat es immer auch jene gegeben, die sich selbst in den versklavten und gemetzelten Menschenmassen wiedererkannt haben und die ihr Möglichstes unternommen haben, diese Grausamkeiten aufrichtig zu bekämpfen. Es geht mir auch weniger um einen moralischen Fingerzeig, sondern um etwas anderes. Fakt ist: Wir sind nicht anders als diese Menschen, wir hatten nur das Glück, in den letzten Jahren von den allzu grausamen Gemetzel verschont zu bleiben. Verschont deshalb, weil die Mächtigen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft unsere Komplizenschaft damit erkauft haben, dass sie uns ein paar Kanten Brot von ihrer reich gedeckten Tafel hingeworfen haben. Wie dumm und kurzsichtig wir doch gewesen sind.

Vielleicht hätte die Gaspipeline Nord Stream 1 schon sehr viel früher lahm gelegt werden sollen. Nicht von einem Despoten, der diese als politisches und wirtschaftliches Druckmittel gebraucht, sondern von uns selbst. In Solidarität mit jenen, die durch die Förderung von Gas und Öl aus ihrer Heimat vertrieben, deren Umwelt vergiftet und die bei der Arbeit auf den Gas- und Ölfeldern von den reichen Ölunternehmen regelrecht verheizt werden und die davon kaum mehr als Krankheit und Tod haben. Vielleicht … Aber es ist anders gekommen, warum einer nicht eingetretenen Vergangenheit nachtrauern?

Aber nun, wo das Gas nicht mehr fließt, was nun? Die politischen Eliten werden uns erzählen, dass Gas und Öl, ja dass Energie im Allgemeinen alternativlos wäre. Vielleicht werden sie die angespannte Situation des Energiemarkts dazu nutzen, noch sehr viel mehr dieser rotierenden Ungetüme namens “Windräder” in unsere Landschaften zu pflanzen oder in mehr von diesen schwarzen Wüsten namens “Photovoltaik” zu investieren. Vielleicht werden sie neue Atomkraftwerke bauen. Vielleicht werden sie das als einen Vorwand nutzen, offiziell in einen Krieg einzutreten, von dem sie längst Kriegspartei sind. Aber was haben wir von all dem? Wir sind doch stets nur diejenigen, auf deren Rücken diese  Machtprojekte ausgetragen werden sollen. Was haben wir davon, dass so ein Vögel-mordendes Ungetüm unsere Landschaft verschandelt? Sind wir es etwa, die die Gewinne einstreichen? Was haben wir davon, dass riesige Flächen mit Solarpanelen zugepflastert werden, auf denen nichts mehr wächst und gedeiht? Was haben wir davon, dass eine tickende atomare Zeitbombe in unserer Nachbarschaft steht und sowohl Luft, als auch Wasser verpestet? Es sind die selben Unternehmen, die selben steinreichen Bonzen, die zuvor Geld mit dem Gas (und Öl), das aus Russland und von anderswo auf der Welt zu uns kam, gescheffelt haben, die auch von all diesen neuen Energieprojekten profitieren.

Aber wir brauchen doch Strom und mit irgendetwas müssen wir ja heizen, oder etwa nicht? Sicher. Aber wozu brauchen wir eigentlich Strom? Um uns nach einem ermüdenden Arbeitstag vor die Glotze oder irgendeines der moderneren Unterhaltungselektronikgeräte zu begeben und dort unser Hirn zu entlüften, bis es an der Zeit ist schlafen zu gehen? Um  irgendwo zwischen Internet und Smartphonebildschirm heruzudödeln, auf der Suche nach einer Ablenkung dafür, dass unser Leben tatsächlich so langweilig geworden ist, wie wir vielleicht einmal befürchtet hatten? Und sicher gibt es auch nützliche(re) Geräte, die mit Strom versorgt werden wollen. Aber sind wir je auf die Idee gekommen, die eigentlich geringfügige Menge an Strom, die dafür nötig ist, einfach selbst zu produzieren? Jede*r für sich, oder gemeinsam mit den eigenen Nachbarn? Ohne Windräder und Photovoltaikanlagen, die uns von der Industrie abhängig und uns zu Komplizen bei der neokolonialen Förderung von Rohstoffen machen? Gewiss braucht es kein riesiges Stromnetz, um das bisschen Strom zu erzeugen, das nicht unserer Ablenkung von einem aufregenderen Leben dient. Ein Leben in dem wir selbst hinter den Bildschirmen hervorkommen und der Welt da draußen, ebenso wie einander unvermittelt in die Augen blicken. Das bundesweite und europäische Stromnetz, es dient vielmehr der Industrie, die die darüber transportierte Energie nutzt, um einen Haufen Müll zu produzieren, den keiner braucht und dabei zudem mutwillig unsere Umwelt zu vergiften oder anderweitig zu zerstören. Gewiss, was ich vorschlage ist eine gänzlich andere Lebensweise, als jene der technoindustriellen Zivilisation, aber was hält uns eigentlich davon ab, sämtliche Belange unseres Lebens selbst in die Hand zu nehmen? … Und was ist die Alternative?

Die Alternative wird uns von der Politik gepredigt: Haltet die Füße still, tut was wir sagen und vertraut darauf, dass wir schon alles richten werden. Aber dieser Alternative misstraut ihr doch, sonst wärt ihr schließlich nicht hier auf der Straße. Ihr wisst, dass euch von der Politik die Kehle zugedrückt wird, weiter und weiter und weiter, bis ihr schließlich ebenso ersticken werdet, wie eure Brüder und Schwestern in den entlegenen Regionen dieser Welt, in den Rohstoffminen, auf den Öl- und Gasfeldern und den Ghettos und Lagern, in die man sie gesperrt hat, weil man sie dort nicht mehr brauchte.

Und ihr liegt richtig: Die Politik will euch mit ihren Versprechungen und “Entlastungspaketen” ganz billig abspeisen, damit ihr jetzt nicht rebelliert. Dabei gibt es doch eine sehr viel naheliegendere Lösung für Preissteigerungen von Lebensmitteln und Energie: Warum nicht die Supermärkte plündern, in denen sich einige eine goldene Nase verdienen, weil wir essen müssen. Warum nicht Holz, Gas, Öl- und was man sonst noch zum Heizen benötigen mag, ebenfalls von denen stehlen, die es in Vorbereitung auf militärische Operationen im Ausland oder auch bei der Niederschlagung rebellierender Bevölkerungen im Inland horten? Warum nicht einfach mal die Stromrechnung nicht bezahlen, Stromzähler sabotieren, abgestellten Strom selbst wieder anstellen und nicht zuletzt auch für sich selbst oder gemeinsam mit den eigenen Nachbar*innen eigene Lösungen der Stromerzeugung schaffen, die unabhängig sind, von den großen, wie kleineren Energiekonzernen, die sich selbst an unserem Überleben noch bereichern wollen? Und sollte all das nicht genügen, wäre es dann nicht besser, jene wohlstandsgenährten und bio-gefütterten Politikerschweine zu verspeisen, als uns gegen jene zu richten, die ebenso wie wir unter dem System von Ausbeutung und Unterdrückung leiden, dem eben diese Politiker vorstehen? Gesünder wäre es allemal.

Es liegt in unserer Hand, was als nächstes passiert …

Eine Anarchistin, die ihre Entscheidung bereits getroffen hat.

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