Category Archives: Publikationen
In einer welt der ruinen – gespräche von indigener anarchie
In offener Feindschaft und weitere Texte
Textsammlung: Dekomposition – Für einen Aufstand ohne Avantgarde
Hourriya n° 3 – Das Unvorhergesehene
John Olday – 72 Jahre Rebellenleben
72 Jahre Rebellenleben
von John Olday
Teil 1: Autobiographie von 1905 bis Anfang der Vierzigerjahre
Erstveröffentlichung Februar 2023, inklusive ausführliches Nachwort und Nachschlageverzeichnis. 320 Seiten, 13,5 x 20cm
KLAPPENTEXT: In dieser Autobiographie beschreibt John Olday (1905-1977) die wirkliche Geschichte der ersten Hälfte seines ereignisreichen Lebens. Kriegsarmut, Diebereien, Revolten und Plünderungen. Spartakus, Bandenkampf […]
Zahme Worte eines wilden Herzens – Jean Weir
„Diese Seiten sind weder Memoiren noch eine sentimentale Reise, sie sind ein Nachzeichnen und ein Teilen von Ideen, ein Beitrag zu den laufenden vielgestaltigen Kämpfen und eine Ermahnung an uns in den Gefängnisstädten des Kapitals oder anderswo auf diesem verlassenen Planeten, unsere eigenen Worte zu finden, unsere Leidenschaften zu beherrschen, uns Gefährten zu suchen und […]
Volxstrom – ein preiswerter weg zur energieversorgung der massen
– nur tote Fische schwimmen mit dem Strom –
Energie ist eine Ware. Energie kann man kaufen. Mars(ch) bringt verbrauchte Energie sofort zurück. Puhh, ich habe heute keine Energie mehr!
Wer hat sie verbraucht? Wohin ist sie entschwunden? Wo und für was setzen wir sie ein? Wer hat dann unsere Ware Energie verbraucht? Und wieviel müssen wir bezahlen, um wieder neue zu bekommen?
„Energie ist die Fähigkeit eines Körpers, Arbeit zu verrichten“ steht als oberster Leitsatz in jedem Physikbuch seit Newton. Energie ohne Arbeit ist für das Kapital inexistent oder blödsinnige Verschwendung. Mutter Natur mit ihren unerschöpflichen Energiepotentialen (Wind, Feuer, Wasser, Sonne) hat für es nur dann einen Wert, wenn es sich in Kapital verwandeln läßt. So auch die menschliche Energie: sie wird nur dann be- und verwertet, wenn sie sich in Arbeit zwecks Kapitalanhäufung umwandeln läßt.
Eine Energiekriese entsteht immer dann, wenn eben die vom Kapital bestimmten Körper sich weigern, ihre Energie für den Arbeitsprozeß zur Verfügung zu stellen! Noch einfacher ausgedrückt: wenn die Arbeitsscheu der arbeitenden Klasse zunimmt. Und jedesmal, wenn das passiert, gerät das Kapital in Panik und überlegt sich, wie es diese verschwenderisch vor sich hinschlummernde oder gegen es gerichtete Energie wieder für sich verfügbar machen kann. Diesen Energieumwandlungsprozeß nennt man KLASSENKAMPF!
Aber auch die durch Zwang in Arbeit umgewandelte Energie, die sich durch den Produktionsverlauf der Geschichte in ein Heer von Maschinenparks verwandelt hat, hat nur dann einen Wert, wenn sie ständig mit unserer Energie vermischt und angereichert wird, wenn die menschliche Ware Arbeitsenergie hinzugeführt wird, um Autos, Panzer, Valium, Dioxyn, Microprozessoren, Filme und Informationen herzustellen.
So ist die Gegenwart von einer ungeheuren Energieverschwendung gekennzeichnet: dort, wo Wälder für die Bildzeitung abgeholzt werden, bis hin zur Automobilindustrie, die das Waldsterben beschleunigt, da, wo Massenvernichtungsmittel produziert und Nahrungsmittel vernichtet werden, weil die Energiekosten zur Lagerung zu hoch sind (Butterberg), während in der drittklassig gehaltenen Welt die Menschen nur so krepieren. Mit der „Öl-Energie-Krise“ läutete die HERRschende Klasse die „mageren Jahre“ des Konsumverzichtes und des erneuten Arbeitszwanges ein. Kohl propagierte so als Sprecher der immer fetter werdenden Krisen-Kriegs-Wirtschaft: „Wir müssen alle den Gürtel enger schnallen!“
Unser Interesse ist es deshalb, die HERRschende Klasse zur Abmagerungskur zu zwingen!
Wir proklamieren das Recht auf kriminelle Energie und sind Energie an und für sich: als trügerische Energieimpulsträger bluffen wir, spielen wir, wollen wir unsere Lust ausleben. Während das Kapital uns und unseren Antagonismus verzweifelt mit Tele-Objektiv sucht und zu behandeln trachtet, gebrauchen wir Einzelatome das Weitwinkel-Subjektiv, gehen molekulare Verbindungen ein und sind in unserem Element, wenn wir uns so bewegen, daß sich diese Energie nicht mehr in Arbeit umwandeln läßt!
Während wir Lustwandeln und der produktiven Tätigkeit des Müßigganges nachgehen, erscheinen uns geisterhaft-ausgezehrte Gestalten, die ihre Seele bereits verkauft, ihre Herzen durch Herzschrittmacher ersetzt und ihre Hirne durch Computer ausgetauscht haben. Ihre lustvolle Lebensenergie scheint verpufft und sie wirken, wie Kurzurlauber aus Mme. Toussaults Wachsfigurenkabinett: vom Ernst des „Lebens“ gezeichnete Gesichter, mechanisch sich bewegende Spaziergänger, verbissene Sportler und keuchende Wochenend-Jogger. Sie wollen sich wieder fit machen, „Energie auftanken“, während ihre Reproduktion doch nur dazu dient, daß sie umso schneller im Schmelztiegel landen. Auch die Kids haben den Ernst des „Lebens“ schnell kapiert und überholen ihre Eltern innerhalb der Vergreisung spätestens beim Eintritt in das Schulsystem.
Energie ist ganz konkret nachfüllbar, wo wir sie hergeben müssen und wenn wir nicht mehr wissen, wie wir wieder neue bekommen können. Lustlosigkeit und Langeweile scheinen uns dann zu ersticken – aber sie wirkt verdammt abstrakt, wo sie gesellschaftlich ausgebeutet wird. Nur wenn wir genauer hinschauen, dann erkennen wir, daß sie fast nur noch in irgendwelche Schrottproduktion einfließt, die wir auch noch konsumieren sollen!
Entschwunden ist jedoch überall die Sicherheit über die Verfügbarkeit der Energie auf beiden Seiten. Die Kontrolle über unsere Energie nimmt gewaltig zu und der Zwang zur Arbeit wird gewalttätig forciert. Unsere kleine „Energiekrise“ entsteht durch Sperre des Arbeitslosengeldes, Verteuerung der Mieten, Kürzung des BaföG, Anhebung der Lebensmittelpreise und der Weigerung der Ärzte, uns weiterhin gesund zu schreiben. Dann nämlich werden wir wieder oder verstärkt dazu gezwungen, unsere lustvolle, lebendige Energie dem Kapital zum Aussaugen feilzubieten – um daraus wieder das „Recht“ auf Wohnen, Essen, Atmen, Musik hören und Lesen finanzieren zu können. Alle unsere existenziellsten menschlichen Bedürfnisse wurden in Warenform gepreßt, um sie durchzukapitalisieren und uns unter das Kommando eines immer barbarischer werdenden Systems zu pressen!
Als Strategie empfehlen wir deshalb den „Spieß einfach umzudrehen“. Nichts ist einfacher als das! Wenn das System uns die Energie klaut, nur um damit immer mehr an Schrott zu produzieren, eignen wir uns lieber die Energie des Systems an und verweigern uns dem Schrott! Wir brauchen dann weniger zu arbeiten und können uns viel besser darauf vorbereiten, Geschichte zu machen, uns den wichtigen Dingen der Vor-Geschichte widmen und uns mit viel Spaß an die Revolutionisierung unseres Alltags machen!
FAVORIT DIESER ENERGIE-DEBATTE IST DER STROM-KLAU!
Er ist sauber, preiswert und massenhaft zu praktizieren! Wir brauchen im Winter nicht zu frieren, ärgern uns weniger über die ständige Benutzung unserer Waschmaschine durch Bekannte und freuen uns über die saftige Nachzahlung nach der Jahres-End-Ablesung.
Wer sich noch nicht recht traut und seinen Fuß keinen Zentimeter vom Boden der FDGO („freiheitlich-Demokratische-Grund-Ordnung“) abheben will, um ihn in den SILU (Sumpf illegaler Lust-Unordnung) zu tauchen, sollte sich noch ein wenig mit der kriminellen Energie unseres Gegners beschäftigen. Wer jedoch schon angetörnt ist, sollte sich sogleich an die Praxis begeben – und den praktischen Teil studieren. Nach der Aneignung könnt ihr Euch ja noch genüßlich die Klugschnackerei über den Energiesektor reinziehen, denn es gilt: geklauter Sekt schmeckt besser, wie gekaufter und bei entwendetem Strom liest es sich genüßlicher, wie bei bezahltem!
Entnommen aus aktuellem Anlass der gleichnamigen und in die Jahre gekommenen, aber nichtsdestotrotz topaktuellen Broschüre. Diese kann HIER heruntergeladen werden.
Spannende Neuerscheinungen des formell organisierten Anarchismus
Eine regelrechte Welle an kritischen Reflexionen formeller Organisationsmodelle scheint derzeit durch die starre Organisationswelt des deutschsprachigen Anarchismus zu schwappen. Im folgenden sei eine kleine Auswahl derlei spannender Auseinandersetzungen präsentiert:
Kollektive Einmischung Nr. 6: Wie anarchistisch ist die Plattform?
Die neue Kollektive Einmischung beschäftigt sich anhand eines Briefwechsels zwischen Malatesta und Machno mit der zwar vielleicht etwas spät gestellten, aber gewiss niemals zu spät kommenden Frage: Wie anarchistisch ist die Plattform? Dieses Mal herausgegeben von der Formlosen Organisationsplattform für das allgemeine anarchistische Unbehagen angesichts autoritärer Organisationsmodelle.
Syfo: Dringende Mitteilung des Instituts für Syndikalismusforschung
Dieses Mal herausgegeben vom Nonkonformistischen temporären Syndikat zur Verballhornung und Demontage des Anarchismus der leblosen Organisationen (NSVDAO).
Inhalt:
- Die bürgerlichen Wurzeln des Anarcho-Syndikalismus
- Interviews mit der FAU Hamburg und der Anarchosyndikalistischen Jugend Wien über ihren Konformismus
Anarchismus.de: Zehn Thesen zum Aufstieg des Egokraten
Die Anarchismus.de Broschürenreihe Nr. 5 ist raus: Zehn Thesen zur Ausbreitung des Egokraten. Diesmal herausgegeben vom Zwanglosen und ungezwungenen Netzwerk für die Verhohnpiepelung des „Anarchismus“ der Organisationskadaver.
Ursprünge: Sechs Essays gegen die Zivilisation
Primitivismus. Was ist das überhaupt? Und was zur Hölle meinen diese ganzen Spinner, die sich anti-civ-Anarchist*innen nennen? Das Buch Ursprünge, das sechs Essays des Anarchisten John Zerzan versammelt, könnte immerhin einige Aspekte dieser Fragen beantworten. Ob Patriarchat, Landwirtschaft, Sprache, Zahl, Zeit oder Städte, an all dem hat John Zerzan etwas auszusetzen. Ein Spinner eben. Oder vielleicht doch nicht? Wer dieses Buch gelesen hat, ist zumindest in der Lage sich darüber sein*ihr eigenes Bild zu machen. Und dann gibt es da ja noch ganz viele andere Anarchist*innen, die ebenfalls etwas an dieser Zivilisation auszusetzen haben. Greta Thunberg jedenfalls findet, dieses Buch sollte verboten werden, und Ewgeniy Kasakow ist von seiner theoretischen Armut überzeugt. Aber wer würde schon auf die Meinungen dieser beider Randgestalten etwas geben? Und wenn man schonmal die Datei eines Buches kostenlos im Internet ergattern kann, dann schlägt man doch erst recht zu, oder nicht?
Stimmen zum Buch
Antiaufklärerische Positionen und offen zur Schau gestellter Antikommunismus: Dieses Buch zeigt die theoretische Armut moderner anarchistischer Positionen auf, die, indem sie die Lehren des Marxismus verwerfen, glauben den Verlauf der Geschichte in die eigenen Hände nehmen zu können. Wer jedoch nicht die nötige Disziplin aufzubringen vermag, sich in die Reihen der Partei einzureihen und den ihm zugedachten Platz in der Geschichte einzunehmen, der wird schließlich auf Seiten der Verlierer stehen.
– Ewgeniy Kasakow
Man erweist dem Klimaschutz einen Bärendienst, wenn man statt auf Investitionen in erneuerbare Energien und grüne Technologien auf die chaotische Zerstörung der Zivilisation setzt und in Worten und Taten die technologische Grundlage unseres zukünftigen Überlebens untergräbt. Dieses Buch gehört verboten.
– Greta Thunberg
Inhalt
Vorwort
Patriarchat, Zivilisation und die Ursprünge des Gender
Landwirtschaft
Sprache: Ursprung und Bedeutung
Zahl: Ihr Ursprung und ihre Evolution
Das Unbehagen der Zeit
Alleine Zusammen: Die Stadt und ihre Gefangenen
Quellen und Editorische Anmerkungen
Weiterlesen
Vorwort der*des Herausgeber*in
Wer einmal jenseits der Bildschirmrealität einen Blick auf diese Welterhaschen konnte, und sei es auch nur für einen winzigen Moment, die*der kann sich kaum der Erkenntnis erwehren, dass die techno-industrielle Zivilisation, die unser Leben so fest mit ihrem eisernen Griff umklammert, nichts als todbringende Sklaverei für ihre Subjekte bedeutet. Während viele sich ob dieser Erkenntnis in die medial produzierte, digitale Scheinwelt flüchten, um sich von ihr abzulenken und sie schließlich wenigstens für eine kleine Weile wieder zu vergessen, entschließen sich einige wenige, den Kampf gegen diese Zivilisation aufzunehmen. Wo aber der Feind so durchdringend, so allumfassend, so übermächtig zu sein scheint, wo trotz zahlreicher identifizierter möglicher Angriffspunkte die Herrschaft des Feindes so total zu sein scheint, dass diese für sich genommen kaum geeignet scheinen, ihr nennenswerten Schaden zuzufügen, da stellt sich manch eine*r die Frage nach den Ursprüngen dieser Herrschaft. Wie konnte es der Herrschaft gelingen, sich dermaßen zu verfestigen? Wo nahm diese Entwicklung ihren Anfang? Wie haben vielleicht auch die Subjekte der Herrschaft dazu beigetragen, dass diese Entwicklung stattfinden konnte und wie lässt es sich vermeiden, heute, wo diese Entwicklung zwar nicht abgeschlossen, aber doch erheblich vorangeschritten ist, die gleichen Fehler zu begehen? Von den Antworten auf diese Fragen erhofft man sich dabei sowohl ein feineres Verständnis über die bis heute erhaltenen Funktionsmechanismen der Herrschaft zu erlangen, als auch bislang unerkannte und über die Jahrhunderte und Jahrtausende vielleicht in Vergessenheit geratenen Mechanismen zu entdecken, die der Herrschaft dabei helfen, sich zu reproduzieren.
Dieses Buch versammelt sechs Essays des in den USA lebenden Anarchisten John Zerzan, die allesamt spannende Perspektiven auf diese Frage nach den Ursprüngen von Zivilisation und Herrschaft werfen. Obwohl schon viele Jahre alt, wurde die Mehrzahl dieser Texte erst kürzlich ins Deutsche übersetzt. Mitunter mag das daran liegen, dass gerade sogenannte primitivistische Positionen wie sie unter anderem von John Zerzan vertreten werden, im hiesigen Kontext auf eine gewisse Abneigung
stoßen. Tatsächlich stehe ich einigen in dieser Tradition stehenden Ansichten selbst kritisch gegenüber. Kollapsistische Vorstellungen etwa, die nicht nur von einem unweigerlich bevorstehenden Zusammenbruch ausgehen, sondern in genau jenem Zusammenbruch auch automatisch die Chance zur Verwirklichung von nichtzivilisatorischen Lebensweisen wittern – und dabei andere Szenarien vernachlässigen, wie etwa eine ebenso wahrscheinliche globale Reorganisation der Herrschaftsbeziehungen –, scheinen mir nicht nur realitätsfern, sondern zugleich auch ein wirksamer Passivitätstreiber zu sein. Darauf zu warten, dass diese Zivilisation zusammenbricht, das erscheint mir wenig erstrebenswert. Ebensowenig taugt mir die utopische Vorstellung einer Rückkehr zu einer bestimmten, vorzivilisatorischen Lebensweise, denn auch wenn ich zweifelslos jene Lebensweise(n) der heutigen, standardisierten, sterilen, langweiligen und vor allem auf Ausbeutung und Herrschaft gründenden Lebensweise jederzeit vorziehen würde, so habe ich doch erhebliche Zweifel, dass es eine Rückkehr dorthin, wo auch immer man das verorten mag, geben kann. In einer verfallenen oder, was ich erstrebenswerter finde, zerstörten Trümmerlandschaft dieser Zivilisation wären wir einerseits mit einer tiefgreifend beschädigten Biosphäre konfrontiert, die uns sicherlich nicht jenen Überfluss zu bieten vermag, den sie einst intakt ihren Bewohner*innen aus grauer Vorzeit zu bieten vermochte, andererseits würden wir vermutlich durchaus Überreste der einstigen Zivilisation vorfinden, die sich mit etwas Kreativität und einer gesunden Vorsicht in unsere Lebensweisen integrieren ließen. [1]
Tatsächlich scheint mir die Überhöhung von durchaus vielfältigen Lebensweisen als Jäger*innen-/Sammler*innengemeinschaften zu einer Utopie vor allem Ausdruck davon zu sein, dass noch immer einem einzigen Bruchmoment, einer Revolution, als jenes singuläre Ereignis, das fortan ein Leben in Freiheit begründen müsse, nachgeeifert wird. Nach dieser Revolution … ja dann …, so fiebern jene diesem Ereignis entgegen, die selbst jedes Vertrauen in sich selbst und die eigenen Beziehungen aufgegeben haben, die sich nicht vorstellen können, hier und jetzt ein anderes Verhältnis zu der Welt einzunehmen, die sie so sehr verabscheuen. Aber wenn das so undenkbar ist, wie sollte dann jener revolutionäre Bruchmoment zustande kommen, in den so viel Hoffnung gesetzt wird? Wie käme es, dass selbst wenn ein solcher Moment aus irgendeinem Grund eintritt, die Energie der Menschen automatisch darauf gerichtet wäre, jene Verhältnisse zu begründen, die man sich selbst mit Müh und Not und in jahrzehntelanger Ausarbeitung vorzustellen vermag? Weder gibt es einen Weltgeist, der in solchen Bruchmomenten über die Menschen kommt, um ihnen den rechten Weg zu weisen, noch wäre irgendein Zustand, der das Prädikat Freiheit auch nur erahnen ließe, das unweigerliche Resultat eines solchen, revolutionären Bruchmoments, wie ein Blick auf die Revolutionen der Geschichte beweist. Die Revolution durch einen Kollaps zu ersetzen vermag da nur wenig Abhilfe zu schaffen. Wer nicht bereit ist, sein Schicksal hier und jetzt in die eigenen Hände zu nehmen, die*der braucht sich nicht wundern, wenn am Ende nichts bleibt als ein paar hübsche Theorien, die sich als untauglich herausstellen werden. Auch wenn John Zerzan anderswo einiges in diese Richtung schreibt, klingen kollapsistische Vorstellungen in den hier versammelten Texten höchstens am Rande an, weshalb das hier auch nicht in aller Ausführlichkeit kritisiert werden soll.
Bleibt die Frage Warum hier nur die Analysen von John Zerzan zusammengestellt wurden, warum nicht ergänzt durch eigene Analysen, die Analysen anderer Autor*innen, usw.? Ist es ein rein akademisches Interesse, das mit dieser Textsammlung verfolgt werden soll? Soll diese Textsammlung zu einer bestimmten Denkschule beitragen? Nichts wäre langweiliger als das. Ich denke vielmehr, dass die hier versammelten Texte auf ihre Weise an einigen der Grundfesten der Zivilisation rütteln und auch wenn es sich bei ihnen beinahe ausschließlich um Analysen handelt und gewissermaßen eine (aufständische) Perspektive fehlt, so denke ich doch, dass diese Textsammlung auch jenseits der heiligen Hallen der Akademie wertvolle Inspirationen liefern kann. Auf der Suche nach einer aufständischen Perspektive haben ganz verschiedene Individuen und Gruppen einige der hier formulierten Analysen (wenngleich nicht unbedingt genau diese) in den letzten Jahrzehnten weitergebracht, vertieft, diskutiert und dabei auch ganz unterschiedliche Praxen entwickelt. Daher habe ich am Ende dieses Buches auf einige, aus meiner Sicht besonders spannende, dieser Vertiefungen hingewiesen.
[1] Um das an dieser Stelle unmissverständlich klarzustellen: Ich denke nicht, dass Technologie etwas neutrales wäre, was sich ohne weiteres zu völlig anderen Zwecken, als sie einst entworfen wurde, nutzen lassen würde. Vielmehr glaube ich, dass eben auch die Überreste einer technologischen Welt auf grundsätzlich ähnliche Art und Weise genutzt werden können, wie auch natürlich in der Biospäre existente Dinge. Eine Wiederbelebung der technologischen Maschinerie jedoch würde meiner Meinung nach unweigerlich zu den selben Herrschaftsbeziehungen führen – inklusive ihres kolonialen und die Umwelt zerstörenden Charakters –, die
diese einst hervorgebracht hat und von denen sie selbst in ihrem Sinne optimiert wurde.
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Das Buch kursiert seit einigen Monaten in gedruckter Form. Einige letzte Exemplare können noch per E-Mail an schwarzerpfeil@riseup.net bestellt werden. Ansonsten wirst du vielleicht in der anarchistischen Bücherdealerei deines Vertrauens fündig.