Der Fotzenknecht – Männermagazin gegen Patriarchat und kritische Männlichkeit Jg. 1 / Nr. 1

Ein neues anarchistisches Magazin hat im Januar 2023 das Licht der Welt erblickt. Es nennt sich „Der Fotzenknecht“ und setzt sich zum Ziel, ausgehend von einer Kritik an einigen derzeit zu beobachtenden Ansätzen Kritischer Männlichkeit eine Analyse des Patriarchats aus Männersicht oder zumindest auch aus Männersicht zu entwickeln. Ein must read für alle, Männer wie Frauen (und queere Geister), die nicht beim ersten Anzeichen von political incorrectness die Nerven verlieren.

Das Magazin kann per E-Mail an fotzenknecht@riseup.net bestellt werden.

Inhalt

  • Editorial
  • Ich bin privilegiert, und du?
  • Widerwillige Patriarchen
  • Vergewaltigungskultur reloaded
  • Die Awareness-Mafia
  • Das Chamäleon des Frauenwahlrechts
  • Männliche Zurichtung und Desertation aus der patriarchalen Ordnung
  • Notizen zu einer neuen Analyse der Institutionen der Herrschaft
  • Antipatriarchale Kämpfe gegen die Kathedralen der Männlichkeit
  • Anhang: „Gibt es politisch korrekten Sex …“?

Editorial

Ahoi ihr Männer!

und natürlich auch Ahoi ihr Frauen, die ihr hier heimlich mitlest; und natürlich auch Ahoi ihr queeren Geister, die ihr selbstverständlich auf die eine oder andere Art immer mitgemeint seid

Ich habe das Gefühl, wir müssen uns mal unterhalten. Über Patriarchat, über unsere Rolle darin, die Männerrolle, und darüber, wie wir dieser nicht bloß entfliehen, sondern dabei auch einen radikalen Kampf gegen das Patriarchat selbst führen können. Denn das wollen wir doch, das Patriarchat zerstören, oder?

Tatsächlich muss ich sagen, ich habe nicht den Eindruck, dass das Patriarchat zerstören tatsächlich eine allgemeine und aufrichtig gemeinte Perspektive selbst unter anarchistischen Männern ist, auch wenn es heutzutage sozusagen zum guten Ton gehört, allzeit ein paar radikale Phrasen (auch) in diese Richtung zu dreschen. Aber wie erklärt es sich sonst, dass heute weniger noch, als vor bald einem halben Jahrhundert und obwohl wieder eine bestimmte Form seperatistischer Organisierung vorherrschend zu sein scheint, gerade wenn es thematisch spezifisch um Patriarchat geht, kaum eine belastbare Analyse des Patriarchats aus Männersicht existiert? Wie erklärt es sich, dass diejenigen, die sich etwa mit ihrer Männlichkeit auseinandersetzen, die kritischen Männer unter uns sozusagen, so gut wie ausschließlich einen selbstmitleidigen Täterdiskurs zu führen scheinen und selbst was die spezifische Zurichtung von Männern im Patriarchat betrifft, Feministinnen das vorbeten müssen, was dann in den Echokammern der kritischen Männlichkeit bis zum Erbrechen wiederholt wird. Natürlich ist das eine zugespitzte Polemik, aber gibt es wirklich jemanden, der das Gesagte grundsätzlich anzweifeln würde?

Die Position der kritischen Männer ist also mehr oder weniger das, was der Volksmund so treffend einen Fotzenknecht zu nennen pflegt. Eine Position also, in der das eigene Denken an der Gaderobe abgegeben wird und – oft auf eine vollkommen banalisierte und verstümmelte Art und Weise – die Denke der Frauen, in diesem Fall die der Feministinnen, nachgeplappert wird. Und tatsächlich scheint mit dabei durchaus nicht selten auch jene sexuelle Komponente vorzuherrschen, die der Volksmund mit dieser Bezeichnung unterstellt; dass nämlich die kritischen Männer vorrangig vorzugeben scheinen, sich gebessert zu haben, um nicht als Chauvischweine vom Fleischmarkt der Lust und der Liebe gänzlich verdrängt zu werden. Zumindest sagen das böse Zungen so …

Meiner Meinung nach sind es drei wesentliche Einflüsse, die sämtliche Anstrengungen dessen, was heute unter kritischer Männlichkeit firmiert, derart vergiften, dass dabei bestenfalls eine Wischi-Waschi-Analyse männlicher Privilegien und schlechtestenfalls eben jene vordergründige Anpassung an den herrschenden Style des kritischen Mannes herauskommt:

  1. Die Privilegientheorie, also die Theorie, dass Männer, Weiße, heterosexuelle, cis-geschlechtliche, able-bodied Menschen, usw. im allgemeinen privilegiert gegenüber den ihnen jeweils gegenübergestellten Kategorien, also Frauen/FLINTA*, Schwarze/PoC, homosexuelle/bisexuelle, trans-geschlechtliche/queere, be_hinderte Menschen, usw. wären, hat sich ausgehend von einem Werkzeug zum Verständnis von Diskriminierung(en) in den Gefilden der Privilegierten selbst, der Akademie, zu einer universellen und exklusiven Analysemethode von Herrschaft entwickelt und ist als solche auch in das Denken von (anarchistischen) kritischen Männern tief eingeschrieben. Als solche dient diese Theorie jedoch vielmehr der Verschleierung von Herrschaftsverhältnissen, als zu deren Verständnis beizutragen. Denn während die mithilfe der Privilegientheorie aufgedeckten Vorteile davon, zu einer der privilegierten Kategorien zu gehören, vielleicht sehr wohl die (heimliche) Komplizenschaft einiger Handlanger mit der Herrschaft zu erklären vermag, muss sie schließlich daran scheitern, die tatsächlichen materiellen und repressiven Prozesse greifbar zu machen, die sämtliche auf die eine oder andere Art und Weise unterdrückten Subjektivitäten hervorbringen und die Menschen in diese hineinzwängen, ebenso wie sie in dem Moment, in dem Menschen den ihnen zwangsweise zugewiesenen Kategorien entfliehen, jegliches analytische Potential zunichte macht, indem sie mehr oder weniger darauf beharrt, dass diese Menschen diese kategoriale Rollen weiterhin mit sich herumtragen würden, selbst wenn dies ganz offensichtlich nicht so ist.
  2. Der therapeutische Ansatz, der im Zuge von kritischer Männlichkeit vorzuherrschen scheint, erklärt sich möglicherweise zu einem bestimmten Teil aus einer solchen Sichtweise. Denn wenn es keine Möglichkeit gibt, dem Mannsein, also der männlichen Rolle, wie sie von der Herrschaft konstituiert wird, auf einer materiellen Ebene zu entfliehen – was natürlich nicht stimmt –, so verspricht einzig die psychische, bzw. vielmehr psychologische Kurierung dieser Krankheit einen Ausweg. Ein anderer Faktor, der diesen therapeutischen Ansatz erklären mag, könnte in einem Missverständnis von Domestizierung (bzw. Sozialisierung) begründet sein: In Tradition Freuds wird dieser Prozess häufig als eine einmalig durchgeführte und schließlich abgeschlossene Sache betrachtet, die folgerichtig hauptsächlich in der Kindheit stattfindet. Natürlich wurden wir auch in unserer Kindheit zu Männern im Sinne eines patriarchalen Rollenverständnisses abgerichtet, das heißt jedoch nicht, dass wir deshalb nun grundlegend verdorben wären und nicht auch beständig weiter als Männer zugerichtet werden müssten. Natürlich macht es Sinn, den Ursachen von männlichen Verhaltensweisen auf den Grund zu gehen, allerdings wäre es absurd dazu eben jene Kaste an Leuten zu Hilfe oder deren Theorien zum Vorbild zu nehmen, die sich vielmehr darauf konzentrieren, diese Verhaltensweisen zu naturalisieren und/oder im Sinne des Patriarchats herzustellen. Dies ist jedoch genau die Tendenz des therapeutischen Ansatzes, der die patriarchalen Verhaltensweisen von Männern auf irgendwelche Kindheitstraumata zurückführen und somit als natürliche Reaktionen zu entschuldigen versucht.
  3. Vermutlich aus beidem resultierend: (angestrebte) antipatriarchale Kämpfe von Männern verfolgen kein Eigeninteresse mehr. Während Männer von der kritischen Männlichkeit so gut wie ausschließlich als Frauen unterdrückende Subjekte, die von diesem Prozess profitieren (Privilegien gewinnen), begriffen werden, richtet sich der therapeutische Versuch die eigene Männlichkeit wegzutherapieren (eine Art Exorzismus) folgerichtig gegen das eigene Ich der kritischen Männer. Das heißt jedoch, das die kritischen Männer anstatt gegen die materiellen, repressiven Verhältnisse, die sie in ihre patriarchale männliche Identität zwängen, vielmehr einen Kampf gegen sich selbst führen. Einen Kampf der, so er überhaupt ernst gemeint ist, ausschließlich zugunsten der Frauen/FLINTA geführt wird und gar nicht anders begriffen werden kann. Es ist also, selbst wenn sich dieser Kampf auf die Bekämpfung des eigenen, männlichen Ichs richtet, ein bevormundender Kampf im Namen einer fremden, unterdrückten Subjektivität. Das erklärt vermutlich die zahlreichen Phänomene, dass es gerade die kritischen Exemplare unter den Männern sind, die Frauen oft als bloße Opfer männlichen Handelns begreifen.

Ausgehend von diesen Kritikpunkten an kritischer Männlichkeit, so wie ich sie wahrnehme, widmen sich die folgenden Seiten der Frage danach, was die männliche Rolle innerhalb heutiger patriarchaler Gesellschaft ist und wie antipatriarchale Kämpfe, die sich spezifisch um diese männliche Rolle drehen, stattdessen aussehen (könnten). Auch wenn nicht als zusammenhängender Text verfasst, bilden die versammelten Texte dabei in ihrer Anordnung einen gewissen Spannungsbogen und es macht durchaus Sinn, sie im Zusammenhang zu lesen. Ein Großteil der Texte wurde dabei speziell für dieses Projekt verfasst, ergänzt wird das Ganze jedoch auch durch eine Reihe an Übersetzungen aus anderen Kontexten und Perioden.

Mir ist natürlich bewusst, dass vieles hier Präsentierte eine ganze Reihe weiterführender Fragen aufwirft und auch, dass es wahrscheinlich auch im Hinblick auf die ausgeführten Kritiken eine Menge Diskussionsbedarf geben wird. Für derlei Diskussionen, ebenso wie Vertiefungen von sich herauskristallisierenden Fragen werden mögliche zukünftige Ausgaben dieses Magazins selbstverständlich zur Verfügung stehen. Ihr erreicht mich – sofern wir uns nicht ohnehin kennen – dazu auch per E-Mail an fotzenknecht@riseup.net.