In Solidarität mit dem Anarchisten Boris, der nach einem Brand in seiner Zelle, in der er wegen des Vorwurfs der Brandstiftung an zwei Mobilfunkmasten in Untersuchungshaft saß, nun seit über einem Jahr im Krankenhaus liegt, erschien vor kurzem eine Broschüre, die einerseits eine Auswahl der Texte, die von seinen Gefährt*innen veröffentlicht wurden, versammelt, als auch eine ganze Reihe von Texten zusammenstellt, die sich mit 5G, Digitalisierung und den Angriff auf die digitale Infrastruktur auseinandersetzen. Auf dass Boris‘ Kampf weitergeführt werde, auf ein Ende des technologischen Netzes!
Aus dem Vorwort der Broschüre:
Vor über zwei Jahren, in der Nacht vom 9. auf den 10. April 2020, unternahm ein Anarchist namens Boris aus der französischen Stadt Besançon einen kleinen Nachtspaziergang und hinterließ zwei brennende Funkmasten, was nicht nur das regionale Telekommunikationsnetz der verschiedenen französischen Mobilfunkanbieter zusammenbrechen ließ, sondern auch das Funknetz der Bullen. Zwei Pfeiler der technoindustriellen Zivilisation weniger, zumindest für einige Zeit.
Unglücklicherweise fanden die Bullen einen Deckel am Fuß eines der Funkmasten, und darauf eine DNA-Spur, die sie Boris zuordneten. Im September 2020 wurde er festgenommen und in Untersuchungshaft gesteckt. Im Bullenverhör bekannte er sich dazu, die beiden Funkmasten alleine angezündet zu haben. Am 19. Mai 2021 verurteilte das Gericht ihn schließlich in Abwesenheit seiner Anwältin zu vier Jahren Haft, davon zwei auf Bewährung. Boris legte daraufhin Berufung ein, doch ehe es zu diesem Prozess kommen konnte, brach Anfang August ein Brand in seiner Zelle aus, der ihm schwere Brandverletzungen zufügte. Monatelang lag er im Koma. Inzwischen ist er wieder bei Bewusstsein, doch noch immer hat er schwer zu kämpfen. An allen vier Gliedmaßen gelähmt, jedoch voller Lebenswillen, ist er mit der Arroganz und Allmacht des medizinischen Apparates gegenüber seinen Subjekten konfrontiert, der es nicht fassen kann, dass ein „Patient“ seinen eigenen Kopf hat. Vor kurzem meldeten sich die Gefährt:innen aus Besançon wieder zu Wort, um erneut zur Solidarität mit Boris aufzurufen.
In dieser Broschüre sind diese Aufrufe zu finden, sowie eine Auswahl der Texte und Aufrufe, die rund um Boris‘ Fall erschienen sind. Nicht nur, um einen Gefährten, der mit voller Wucht die Gewalt der Repression abbekommen hat, zu unterstützen, sondern auch, um seinen Kampf, der uns inspiriert, und der auch unser Kampf ist, und der sich in Frankreich in eine ganze Reihe von Angriffen und Kämpfen einfügt, fortzuführen, weiterzutragen, dazu anzustacheln, und die Debatte um Infrastruktursabotagen, Funkmastbrandstiftungen, Beschädigungen an Glasfaserkabeln, Angriffe auf Strom- und Energieinfrastruktur, wie sie in Frankreich geführt wird, in den deutschsprachigen Raum zu tragen.
Denn Boris‘ Angriff ist nicht der einzige seiner Art, er reiht sich in eine ganze Welle von Angriffen auf Mobilfunkmasten in Frankreich ein. Eine Welle, die bis heute immer mehr an Stärke zunimmt. Zählen offizielle Statistiken für das Jahr 2020 etwa hundert abgefackelte Funkmasten in Frankreich, so sind es 2021 bereits 150, und dieses Jahr liegt die Zahl im Mai 2022 bei einem abgefackelten Funkmast jeden zweiten Tag, womit der Trend für das Jahr 2022 bei knapp 200 Funkmasten liegen soll. Auch Beschädigungen an Glasfaserkabeln gab es die letzten sechs Monate in Frankreich im Schnitt dreißig pro Monat, ebenso wie zahlreiche andere Angriffe auf Telekommunikationsunternehmen sowie sonstige Infrastruktursabotagen. Angriffe, die den Mächtigen gar nicht gefallen, da sie die „sensibelsten und essentiellsten Aktivitäten des Landes“ bedrohen, eine potenzielle Gefahr für die Wirtschaft der Länder darstellen sowie das Projekt des umfassenden Ausbaus des technologischen Netzes und der Digitalisierung der Welt zumindest bremsen, ja vielleicht gar (zumindest lokal) – so unken auf jeden Fall gewisse Politiker, Geheimdienstler und Vertreter der Wirtschaft – sogar gefährden könnten.
Deshalb haben wir außer den Texten, die sich um Boris‘ Verhaftung drehen, noch Texte ergänzt, die sich mit dem Kampf gegen die technologische Infrastruktur, wie Boris ihn geführt hat und führt, beschäftigen. Darunter natürlich den, den Boris selbst über seine Motive zum Anzünden dieser Funkmasten verfasst hat, „Warum ich die zwei Funkmasten auf dem Mont Poupet abgefackelt habe“, sowie einen ursprünglich im Zündlumpen erschienenen Text, „Wann, wenn nicht jetzt?“, der in einer französischen Übersetzung in der Broschüre Brûler les foyers du virus technologique [Die Herde des technologischen Virus ausbrennen] erschien, für die die Bullen sich bei den Hausdurchsuchungen bei Boris und zwei weiteren Gefährt.innen aus Besançon, die damals ebenfalls stattfanden, besonders interessierten. Auch den zweiten Text aus derselben Broschüre, „Sabotagen gegen die digitale Normalität“, findet ihr in diesem Heft. Ansonsten findet ihr noch mehrere weitere Texte überwiegend aus Frankreich, die sich mit der momentanen Angriffswelle auf dem Gebiet auseinandersetzen.
In Reaktion auf die Repression gegen Boris haben außerdem insbesondere in Frankreich einige Angriffe stattgefunden, zu denen sich Menschen bekannten, die ihren Kampf in Solidarität mit Boris führen, doch auch die Zahl der anonymen Angriffe auf Funkmasten und technologische Infrastruktur steigt in Frankreich weiter an. Eine Auswahl von beidem findet ihr ebenfalls in diesem Heft.
Möge das Netz der technologischen Herrschaft an allen Enden und Ecken in Flammen aufgehen.
ERHOBENEN HAUPTES
FLAMMENDEN HERZENS
SOLIDARITÄT MIT BORIS